Esperanto für internationale Buchhaltung

27.07.2006
Von Werner Schmid
In einer in vielen Ländern aktiven Firmengruppe ein einheitliches Rechnungswesen einzuführen ist mühsam und geht nicht immer ohne lokalen Widerstand ab. Aber es lohnt sich.

Das Rechnungswesen gibt den operativen Einheiten Vertrieb, Produktion und Materialwirtschaft die notwendige Standfestigkeit und Beweglichkeit, um Geschäfte machen zu können.

Es ist vergleichbar mit dem Rückgrat des Menschen, das neben dem aufrechten Gang auch für die Beweglichkeit der Arme und Beine sorgt. Damit die Unternehmen in einer Gruppe gemeinsam planen und handeln, "an einem Strang ziehen" können, brauchen sie ein homogenes Rechnungswesen.

Setzt eine internationale Unternehmensgruppe überall dasselbe ERP-System mit denselben Funktionen ein, so bezieht sie damit in der Regel eine gemeinsame Sicht auf Kunden und Lieferanten, Ressourcen, Bestände und Konten. Erst diese Perspektive erzeugt die gewünschten Synergieeffekte, zum Beispiel im Einkauf, um Bedarfe zu bündeln und günstige Preise auszuhandeln. Auch bei der Entscheidung, in welcher Gesellschaft ein bestimmtes Produkt oder eine Baugruppe am günstigsten hergestellt werden kann, kommt es oft mehr auf die Kostenstruktur als auf die technischen Ressourcen an.

Das Primat des Rechnungswesens

In ERP-Systemen ist das Rechnungswesen - bildlich gesprochen - "oben"; die Logistik, also Vertrieb, Produktion und Materialwirtschaft, sind darunter "angehängt". Die Verbindungen zwischen Rechnungswesen und Logistik bestehen aus Informationsflüssen: Von oben nach unten, vom Rechnungswesen/Controlling in die Fachabteilungen fließen die Steuerungsinformationen in Form von Vorgaben, zum Beispiel Zahlungsbedingungen, Kreditlimits für Kunden oder Budgets für den Einkauf. In umgekehrter Richtung fließen die Ergebnisse, also die Ist-Werte aus Verkauf, Produktion und Einkauf, aus den Geschäftsvorfällen auf die Konten und Kostenstellen des Rechnungswesens. Dies stellt sicher, dass alle Bewegungen in der Logistik, also Ein- und Verkäufe, Lagerentnahmen und -zugänge, auf die richtigen Konten und Kostenstellen gebucht werden können.

Aus dieser Überlegung leitet sich auch die Vorgehensweise bei der Lokalisierung eines ERP-Systems in einer neuen, ausländischen Gesellschaft ab: Erst sollten das Rechnungswesen aus der Sicht der Gruppe geplant und die steuernden Parameter (Kontenplan, Kostenstellenstruktur etc.) eingestellt werden, bevor die Anwender in der Logistik irgendwelche Einstellungen vornehmen. In der Praxis einer ERP-Einführung trifft man häufig auf andere Vorgehensweisen, da die "Buchhaltung" in der Projektarbeit keinen hohen Stellenwert hat. Das steht im Gegensatz zum richtigen Leben, denn dort hat meist die kaufmännische Leitung das letzte Wort.