SAA-Pendant soll neue Dimension der Informationstechnik eröffnen

ESA/390: Migrationshilfe für geschlossene Benutzergruppe

14.09.1990

STUTTGART(jm) - Drei Jahre nach der Ankündigung der System-Anwendungs-Architektur (SAA), die IBMs unterschiedliche Software-Umgebungen unter einen Hut bringen soll, zieht der Mainframe-Marktführer bei der Hardware nach: Im System/390-Konzept werden die bisher separaten /370-Plattformen 9370, 43XX sowie 3090 unter einem gemeinsamen Dach zusammengefaßt (siehe Grafik).

IBM-Beobachter sehen Parallelen zu SAA - in dem Sinne, daß es sich bei der Vorstellung der Design-Klammer "ESA/390" (Enterprise Systems Architecture) um ein "Statement of Direction", eine Absichtserklärung handelt, und daß der ESA-Rahmen erst nach und nach ausgefüllt werden soll: Zwar stünden innerhalb der neuen Prozessorfamilie ES/9000, die das Fundament des System/390-Hauses bildet, nicht weniger als 18 Modellvarianten zur Verfügung, doch sei der Aufstieg zum Teil nur auf Umwegen möglich - zu den großen ES/9000-Modellen, den 3090-Nachfolgern, beispielsweise über eines der vorhandenen J-Modelle.

Als "Übergangsmodelle" (O-Ton IBM) für installierte 3090-Rechner unterhalb des Modells 180j wurden eigens fünf neue Modelle ES/3090T angekündigt.

Den von der IBM versprochenen "Quantensprung" (Stichwort: "Summit" Leistung) gibt es zunächst ohnehin nur bei den Top-Modellen 9021-900 (Kauf preis 47 Millionen Mark) sowie 9021-820 - und die sind nicht vor dem Herbst 1991 lieferbar.

Rückschlüsse auf Gemeinsamkeiten der Ankündigung mit dem System-Anwendungs-Architektur-Announcement - vor drei Jahren läßt auch die /390-Software-Politik zu.

Die IBM spricht zwar von einer "neuen Familie von Betriebssystemen", betont jedoch gleichzeitig, daß die "bisherigen Investitionen (der Kunden) in /370-Informationstechnik geschützt wurden", womit eingeräumt wird, daß es sehr wohl Unterschiede zwischen MVS, DOS/VSE und VM gibt, was den Grad der ESA/390-Unterstützung für 3090-, 4381- und 9370-Anwender betrifft. Von einer einheitlichen Basis kann nach Ansicht von IBM-Kennern bei ESA/390 deshalb noch nicht gesprochen werden (sieher auch Kolumne, Seite 9).

18 Modelle subsummiert Big Blues-Großrechner-Angebot für die 90er Jahre unter dem System/390. Zwar präsentierte die IBM keine neuen Betriebssysteme, aber es gab jeweils verbesserte Versionen von MVS/ESA, VM/ESA und VSE/ESA, die - so die IBM-Sprache - "einheitliche Funktionen über die gesamte ES/9000-Prozessorfamilie" bieten sollen. Doch soll erst in - der Zukunft eine Anpassung von VSE/ESA und VM/ESA an MVS vollzogen werden.

Es wurde klar, daß weiterhin die Barrieren innerhalb der IBM-Welten bestehen. MVS/ESA Version 4 enthält Funktionen wie dynamische Ein- und Ausgabe-Rekonfiguration. Die Steuerung von Rechnerzusammenschlüssen im Sysplex-Betrieb (System Complex) mit dem Sysplex-Timer als Hardware-Einheit zur Synchronisation von maximal acht MVS-Komplexen setzt die neue Version 4 von MVS/ESA voraus. VM/ESA vereint in einem Produkt Funktionen der bisherigen VM/SP-, VM/HPO- und VM/XA-Betriebssysteme.

Am unteren Leistungsende gibt es zehn ES/9000-Modelle als Nachfolgesysteme der 937- und 4381-Rechner unter dem Betriebssystem VSE/ESA. Ihre Modellbezeichnungen lauten: ES/9000 Modell 120, 130, 150 und 170 für die Einstiegsversionen, Modell 190, 210, 260, 320, 440 und 480 für den mittleren Leistungsbereich. Bei den Rechnern 440 und 480 handelt es sich gegenüber den anderen mit einer CPU ausgestatteten Maschinen um dyadische Prozessoren.

Gegenüber dem bisher größten 9370-System erhöhte sich die Leistung beim Modell 170 um den Faktor 2, ein Vergleich der 4381 Modell X92 mit dem 480-Rechner ergibt nach Aussagen der IBM eine vierfache Leistungssteigerung. Die neue Version von VSE/ESA enthält Erweiterungen zum I/O-Management und zur Unterstützung von mehr Prozessorspeicher. Trotz "einer erweiterten Affinität zu MVS/ESA" stellt das Betriebssystem für den mittleren Systembereich keinen uneingeschränkten Wachstumspfad zu den Jumbos dar.

Leistungssteigerung nicht gerade berauschend

Je nach Typ lassen sich in diesem unteren Bereich luftgekühlter Systeme acht bis 48 Kanäle konfigurieren, die vier Basismodelle verfügen über 16 bis 256 MB, die restlichen sechs Rechner über 64 bis 1024 MB Prozessorspeicher. Aufrüstmöglichkeiten installierter 9370-Rechner gibt es zu den Modellen 130, 150 und 170, nicht jedoch zum wassergekühlten Großsystembereich.

Hier lockt Big Blue mit acht Maschinen, die ES/9000-Modelle 330, 340e 5001 5809 6209 7201 820 und 900. Die neue Betriebssystemversion MVS/ESA enthält nach IBM-Aussagen alle neuen Funktionen der ESA/390-Architektur. Enttäuschend scheint die Leistungssteigerung zu sein: Lediglich das maximal 1,9fache an Leistung läßt sich mit dem 47 Millionen Mark teuren ES/9000 Modell 900 gegenüber Big Blues bisherigen Top-Mainframe ES/3090-600j erzielen. Überdies haben Brancheninsider auch diese 230 MIPS schon in Zweifel gezogen.

Von eigentlicher Bedeutung für den Anwender ist die neue Kanalarchitektur. Bei der Enterprise Systems Connection (ESCON) handelt es sich im Gegensatz zu früher nicht mehr um eine parallele, sondern um eine serielle Ein- und Ausgabeübertragung. Der Einsatz von Glasfasertechnologie als Medium macht Entfernungen zwischen Kanal und Steuereinheit über drei Kilometer möglich, wobei Übertragungsraten bis zu 10 MB/s möglich sein sollen. Die Rechner der wassergekühlten Systeme verfügen zwischen 32 und 9216 MB Prozessorspeicher, 16 bis 256 ESCON-Kanäle lassen sich konfigurieren. Für Sicherheitsaspekte gedacht ist der Kryptografie-Prozessor, der in allen neuen Großsystemen ab dem Modell 330 zum Einsatz kommen und Informationen ver- und entschlüsseln kann. Die bereits aus den 3090-Maschinen bekannte logische Systemteilung mittels PR/SM ist jetzt standardmäßig in allen Prozessoren der ES/9000-Familie verfügbar.

Als Übergangssysteme für 3090-Rechner unterhalb 180J sind fünf neue 3090-Modelle 150T, 170T, 180T, 250T und 280T gedacht. Unter der Voraussetzung, daß er anstelle seines installierten Systems eines der T-Modelle kauft, kann der Anwender diese dann auf ES/9000 aufrüsten. Die T-Rechner enthalten die erweiterten Funktionen von ESA/370.