Es wird weiter in E-Business investiert

30.10.2001
Von in Karin
Mit den Ergebnissen ihrer E-Business-Projekte sind die deutschen Fertigungsunternehmen eher unzufrieden. Trotzdem wollen sie weiter in das digitale Geschäft investieren - aber die IT-Abteilungen stärker einbinden als bisher.

Endlich mal wieder eine gute Nachricht: Trotz stagnierender IT-Budgets wollen die heimischen Industrieunternehmen auch 2002 wieder Geld für E-Business-Projekte ausgeben, jedes zweite sogar mehr als im laufenden Jahr. Nur sieben von hundert haben vor, ihre E-Business-Ausgaben zurückzufahren. Das ergab die Befragung, mit der sich Cap Gemini und die Universität Trier explizit an Fach- und Führungskräfte der Investitions- und Konsumgüterproduzenten wandten.

Quelle: CW
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Banken und Versicherungen sollen Gegenstand einer separaten Untersuchung sein.

Den Grund für die ungebrochene Investitionsbereitschaft sehen die Marktforscher zum Teil darin, dass sich viele E-Business-Projekte noch in der Vorbereitungsphase befinden, aber schon zu weit fortgeschritten sind, um sie vernünftigerweise stoppen zu können. Darüber hinaus beurteilten drei Viertel der mehr als 300 interviewten CIOs und E-Business-Verantwortlichen das digitale Geschäft nach wie vor als ein wichtiges Thema.

Allerdings kann nicht einmal jeder zweite eine Strategie dafür vorweisen. Sind die anderen deswegen schlechter dran? - Eher im Gegenteil! "Die Unternehmen, die eine Strategie haben, tun sich am schwersten dabei, E-Business umzusetzen", konstatiert Bernd Zanner, Principal für Strategie und Transformation bei Cap Gemini Ernst & Young.

Erwartungsgemäß sind es vor allem die großen Konzerne, die eine explizite E-Business-Strategie formuliert haben. Dort laufen bisweilen mehr als 50 E-Business-Projekte parallel. "Zwei Drittel der Unternehmen bestätigen, dass sie die Komplexität des Themas unterschätzt haben", berichtet Zanner. Mit anderen Worten: Die jeweilige Strategie weist Defizite auf. In der Regel sei sie zu allgemein und zu abgehoben, kritisiert der Analyst, "man könnte auch sagen: zu wischiwaschi".

Erschwerend komme hinzu, dass die großen Unternehmen überproportional mit organisatorischen Hindernissen und dem "Bremsfaktor Altsysteme" zu kämpfen hätten. Kleinere Betriebe klagten eher über marktseitige Hürden. Insgesamt äußerten 52 Prozent der Befragten die Ansicht, ihre Produkte würden sich nicht für den E-Commerce eignen. Nach Zanners Ansicht handelt es sich dabei jedoch häufig um ein vorgeschobenes Argument, das eine "kollektive Unschuld" bezeugen soll.

Dass sich spürbare quantitative Verbesserungen erst nach einigen Jahren zeigten, bemängelten 47 von hundert Interviewpartnern. Dieses Problem ließe sich mit einer straffen Projektsteuerung und entsprechend höherer Umsetzungsgeschwindigkeit allerdings lösen, kontert Zanner. Weniger leicht zu überwinden seien hingegen die Widerstände gegen Veränderungen in den Arbeitsabläufen, die insgesamt 46 Prozent der Befragten als ein Hindernis ausgemacht hätten. Offenbar wurden die Prozessänderungen dort schlecht vorbereitet. "Wer wollte vor zwei Jahren schon hören, dass man seine Abläufe ändern muss, um Customer-Relationship- oder Supply-Chain-Management zu machen?" erinnerte sich Zanner.

Die in vielen Unternehmen installierten E-Business-Koordinatoren tragen nach Ansicht des Marktbeobachters nur wenig dazu bei, solche Konflikte zu lösen. In vielen Fällen seien sie "schwammiger Overhead", der weder von den Fachabteilungen noch den IT-Mitarbeitern akzeptiert werde. Zanners Fazit: "Wenn sie nicht die Durchgriffsmöglichkeiten eines Vorstands haben, kann man sie abschaffen."

Integration erfordert IT-Know-how

Demgegenüber sei seit dem vergangenen Jahr ein "massiver Aufschwung der IT-Abteilungen" zu beobachten - auch wenn diese gerade in den Konzernen immer noch ihre Sträuße mit den Fachabteilungen auszufechten hätten. Die notwendige, bislang aber relativ schlecht gelungene Konsolidierung und Integration der E-Business-Anwendungen rufe das IT-Know-how auf den Plan. Zudem hätten viele CIOs beschlossen, präventiv einzugreifen, weil sich die Menge der E-Business-Systeme und die daraus resultierende Überkomplexität allmählich als Bedrohung für den reibungslosen Betrieb der Systemlandschaft herausstelle.

Die gestiegene Bedeutung der IT-Abteilung spiegelt sich in den Antworten auf die Frage nach den E-Business-Treibern wider. Im vergangenen Jahr waren viele Projekte von der Kundenseite oder den Fachbereichen angestoßen worden, nur jedes vierte ging von der Informatikseite aus, so die Ermittlung der Cap-Gemini-Analysten. Aus der diesjährigen Befragung hat sich eine deutlich aktivere Rolle der IT herauskristallisiert: Sie schiebt offenbar jedes zweite E-Business-Projekt selbst an.

In den meisten Fällen gehen allerdings die Impulse, das wies die aktuelle Studie nach, noch immer direkt vom Vorstand oder der Geschäftsleitung aus. Trotzdem klagten viele CIOs und E-Business-Experten darüber, dass der kaufmännischen Leitung oft das technische Verständnis für die Materie fehle. Das Problem bestehe nicht so sehr darin, die Projekte finanziert zu bekommen, sondern eine gemeinsame Strategie dafür zu entwickeln, wie die gewünschte Applikation "auf die Straße zu bringen" sei, erläutert Zanner. Außerdem nähmen die Vorstände die ihnen zugedachte Funktion eines "Dirigenten" zu selten wahr: "Sie steuern nicht, sondern regieren."

Möglicherweise liegt hier einer der Gründe dafür, dass die Erfolgsquote der E-Business-Anwendungen bislang relativ niedrig liegt. Der Befragung zufolge sind die Unternehmen mit dem Ergebnis ihrer Projekte in der Summe eher unzufrieden: Durchschnittliche drei von fünf Applikationen enttäuschen die in sie gesetzten Hoffnungen. Während E-Procurement-Systeme und vertriebsorientierte Anwendungen einschließlich Customer-Relationship-Management noch in jedem zweiten Unternehmen die Erwartungen erfüllen, bleiben Systeme für Collaborative Engineering und Aftersales/Service die erträumten Vorteile in zwei von drei Fällen schuldig. Gefragt, ob sie mit Hilfe ihrer E-Investitionen

-den Unternehmenserfolg spürbar steigern,

- die Kosten senken oder

-den Kundennutzen erhöhen konnten, antworteten jeweils 60 bis 63 Prozent der Interviewpartner mit "nein". Das trieb Zanner zu der Feststellung: "E-Business war in Deutschland bislang eher ein Wertvernichter."

Die geringste Zustimmung kam wiederum von den Großkonzernen mit mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz. Von ihnen gaben nur 24 Prozent an, ihre Kosten spürbar gesenkt zu haben. Relativ erfolgreich verlaufen die Projekte hingegen in kleineren Unternehmen. Der Mittelstand habe zwar weniger gemacht, räumt Zanner ein, aber vieles richtig; vor allem habe er sich nicht "verzettelt". Die Projekte seien früh begonnen, mit Druck betrieben und schnell von Erfolg gekrönt worden.

Die mit den E-Business-Projekten verfolgten Ziele haben sich laut Zanner ohnehin stark verändert. Kostensenkung und Rationalisierung, aber auch die Gewinnung neuer Kunden und die Erschließung neuer Geschäftsfelder mussten die Spitzenplätze in der Prioritätenliste räumen, die sie im vergangenen Jahr erobert hatten: Mit einer Zustimmung von 81 Prozent steht heute die Beschleunigung der Geschäftsprozesse an erster Stelle. Wichtig ist den Befragten mittlerweile auch, ihre Aktivität als Arbeitgeber zu steigern (68 Prozent) und die vorhandene Kundenbasis individueller anzusprechen (66 Prozent). "Kundenbindung statt Kundengewinnung", so fasst Cap Gemini Ernst & Young den Trend zusammen.

Um diese Ziele zu erreichen, empfiehlt das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen vor allem den Konzernen eine "strategische Denkpause". Sie sollte dazu genutzt werden, Projekte und strategische Prioritäten in Einklang zu bringen, eine Abstimmung mit den Prozessen zu leisten und eine saubere Kosten-Nutzen-Betrachtung vorzunehmen.

Zanner rät den Anwendern, alle Vorhaben, die keinen sauberen Business-Case haben, sterben zu lassen. Im E-Business-Rausch seien die Großunternehmen "genauso unberechenbar losgestürmt wie die Startups - nur mit größeren Budgets". Projekte, die vorher keiner hatte haben wollen, hätten ein "E"-Etikett und damit ein Budget bekommen. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten seien 20 bis 30 Prozent der Projekte "auf keinen Fall" zu rechtfertigen. Das Motto müsse deshalb heißen: aussortieren und selektiv beschleunigen. Der Analyst ist überzeugt: "Heute werden viel zu wenige Projekte gekillt."