Oliver Knittel im Interview

"Es ist schwierig, kein Einzelkämpfer zu sein"

29.04.2008
Von  und
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

CW: Immer mehr Projekte werden über Personalagenturen vergeben. Haben Freiberufler als Einzelkämpfer noch Chancen, lukrative Aufträge zu bekommen?

KNITTEL: Freiberufler sind sehr oft starke Individualisten, sind häufig stark ausgelastet und haben häufig wechselnde Einsatzorte. Unter solchen Voraussetzungen ist es schwierig, kein Einzelkämpfer zu sein. Die Chancen für Freiberufler sehe ich dennoch als gut an. Während Unternehmen ihrem abstrakten Gebilde erst ein Gesicht und eine Identität geben müssen, ist der Freiberufler das Gesicht seiner Einzelunternehmung und kann sich dadurch viel besser vermarkten. Lukrative Aufträge gibt es auf alle Fälle - ob man die aber überwiegend bei einer Agentur findet, glaube ich persönlich nicht.

CW: Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile der Projektvermittlung über Agenturen?

KNITTEL: Der Vorteil von Agenturen liegt darin, dass sich der Freiberufler nicht um den Vertrieb kümmern muss und eine Chance erhält, an Aufträge zu kommen. Die Nachteile liegen in der Marge, die sich die Agentur einbehält, und den Kundenschutzklauseln, die in den Verträgen verhängt werden. Als Freiberufler wird man vom Endkunden abgeschirmt. Von daher ist ein direkter Auftrag ohne Agentur immer vorzuziehen, in der Praxis aber gerade bei größeren Unternehmen sehr schwierig. Laut einem großen Freiberufler-Portal vermitteln Agenturen etwa 70 Prozent aller Aufträge an IT-Freiberufler.

CW: Berater klagen, dass die Auftraggeber wahnsinnig Druck ausüben und dass sie sich schwer tun, höhere Stundensätze zu fakturieren. Wie sieht es mit der Entwicklung der Honorare aus?

KNITTEL: Die Stundensätze sind in den vergangenen Jahren wieder gestiegen. Meiner Ansicht nach wird dieser Druck insbesondere in einer Phase der Rezession ausgeübt. Dann sind die Freiberufler die ersten, die gehen müssen oder auf die Druck ausgeübt wird, um niedrigere Stundensätze zu zahlen. Unter der Voraussetzung, dass der Freiberufler eine marktgerechte Qualifikation mitbringt, sehe ich derzeit diesen Druck nicht. Diese Freiberufler finden schnell ein anderes Projekt, indem sie die geforderten Stundensätze erhalten.

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