Erfahrungen mittelständischer Unternehmen mit Online-Learning

"Es gibt noch keine Kultur, sich sinnvoll über das Netz auszutauschen"

03.09.1999
Von Ingrid Weidner* Seit Frühjahr 1995 erprobte das Berufliche Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (bfz) die Möglichkeiten von Telelearning im Internet. Während der Projektphase nahmen 450 Mitarbeiter aus verschiedenen Firmen an den Lehrgängen des Fernunterrichtsnetzwerks "Cornelia - Lernen im Netz" teil. Die Erfahrungen des betrieblichen Alltags flossen in die Weiterentwicklung der Kursinhalte ein.

"Das Internet war eine kostengünstige Variante für das Lernen am Arbeitsplatz", so Eckart Severing, Leiter der bfz Bildungsforschung. Für die Entwicklung stellte der Bildungsträger einen Etat von 2,5 Millionen Mark zur Verfügung. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie steuerte weitere 1,8 Millionen Mark bei. Die Kurse richten sich an Fach- und Führungskräfte des mittle- ren Managements, die Lern- und Arbeitszeiten frei wählen kön- nen.

Weiterbildung nicht in Freizeit verlagern

"Besonders für kleinere Unternehmen im ländlichen Raum ist unser Angebot attraktiv", so Severing. Hier ist die Auswahl an geeigneten Kursen für bildungshungrige Mitarbeiter gering, und die Firmen können ihre Angestellten nur selten für längere Zeit entbehren. Allerdings funktioniert das Lernen mit dem Internet nur dann, wenn feste Lernzeiten eingeplant sind. Problematisch ist, daß manche Betriebe das Lernen gern privatisieren möchten. Die Mitarbeiter sollen sich die fehlenden Kenntnisse in ihrer Freizeit aneignen - was nicht im Sinne der Erfinder ist. "Hier müssen wir für einen Wandel der Lernkultur werben und Überzeugungsarbeit leisten", so Severing.

Neben Projekt-Management bietet der Bildungsträger für das Selbststudium die Themen Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Qualitäts-, Zeit- und Umwelt-Management sowie Marketing und Vertrieb, Team-, Organisations- und Personalentwicklung an. Den Vertrieb der Lernsoftware hat die mev Gesellschaft für Medienentwicklung und -vertrieb übernommen.

Die einzelnen Kurse sind in Module eingeteilt, die die Lernenden nach Bedarf abrufen können. Teletutoren unterstützen den Lernprozeß und beantworten Fragen per E-Mail. Am Ende stehen jeweils Lernkontrollen und Tests, die mit Zertifikaten abgeschlossen werden.

Da sich in der Projektphase gezeigt hat, daß die Teilnehmer die Kollegen ihrer virtuellen Arbeitsgruppe kennenlernen und sich mit ihnen austauschen möchten, überlegt sich die bfz Bildungsforschung verschiedene Ergänzungen, etwa durch Präsenztermine. "Es gibt noch keine Kultur, sich sinnvoll über das Netz auszutauschen", sagt Heinz Mandl, Professor am Institut für Pädagogische Psychologie und empirische Pädagogik an der LMU München. "Computernetze bieten vielversprechende Lernpotentiale." Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Schüler wesentlich höher, denn sie müssen sehr motiviert und mit der gängigen Technik vertraut sein, sonst scheitern sie, bevor sie mit dem Lernen anfangen können.

Trotz aller virtueller Lerneuphorie ist es momentan noch schwierig, Team- und Projekt- arbeit über das Netz zu lernen. Hier bieten sich der Bildungsforschung noch viele Herausforderungen.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.