Es gibt nichts zu feiern

26.01.1996

Christoph Witte

Am 14. Februar 1946 stellten John Mauchly und John Presper Eckert den Electronic numerical integrator and computer der amerikanischen Oeffentlichkeit vor. Damals wurde das mit 17 000 Elektronenroehren bestueckte und 30 Tonnen wiegende Ungeheuer namens Eniac als die erste elektronische digitale Rechenmaschine gefeiert. Dass Konrad Zuse bereits 1942 mit der Z4 einen funktionsfaehigen Roehren-Rechner entwickelt hatte, fand erst viel spaeter Beachtung. Als Grundstein der kommerziellen Datenverarbeitung kann die Mauchly-Eckert-Maschine in jedem Fall gelten. Schliesslich waren es diese beiden Maenner, die 1951 mit dem "Universal automative computer" - dem Univac - den ersten Rechner fuer zivile Zwecke auf den Markt brachten.

Warum nehmen DV-Hersteller und -Anwender diesen 50sten Geburtstag also nicht zum Anlass, ein Fest zu geben? Da wir sicher sind, dass der Eniac nicht vergessen wurde, koennten wir boesartig einen anderen Grund fuer die ausbleibende Party vermuten: Es gibt nichts zu feiern!

Damit sollen die grossen technischen Durchbrueche und die kleineren, aber wichtigen Entwicklungen nicht in Abrede gestellt werden. Sicher liegen zwischen den Rechenungetuemen der ersten Stunde und den heutigen ultraschnellen Winzlingen Welten. Klar ist ebenfalls, dass die Wirtschaft ohne moderne Computer-Power oder weltumspannende Datennetze nicht mehr auskommt. Aber nutzen Anwender die Segnungen der modernen DV-Technik wirklich aus?

Wohl kaum. Investitionsschutz, Sorgen um Auf- und Abwaertskompatibilitaet sowie Anwendungsstau auf der Cobol-Autobahn kennzeichnen die Lage - und das seit mehr als 20 Jahren. Die eigentlich simple Umstellung der Programme auf das Jahr 2000 zeigt beispielhaft, wie es wirklich aussieht in den Unternehmen. Weil zum Teil seit Jahrzehnten die gleiche Software im Einsatz ist, die fuer die Jahreszahlen im Datumsfeld nur zwei Stellen vorsieht, geraet der Jahrtausendwechsel zum Problem. Wenn Firmen aber noch dieselben Progamme nutzen wie vor 20 oder 30 Jahren, koennte man auf die Idee kommen, dass sich seit Einfuehrung des Eniac die DV- Technik nur quantitativ veraendert hat. Man ist in der Lage, immer schneller immer groessere Mengen von Daten abzuarbeiten. Doch die wirklich revolutionaeren Entwicklungen aus der kuenstlichen Intelligenz oder der Objektorientierung haben sich in der kommerziellen DV aus den verschiedensten Gruenden bisher nicht durchgesetzt.

Dabei hatten die Hersteller Vertrauen in den Fortschritt. Bis zum Jahr 2000, so die Annahme, wuerde sich eine "Cobol-DV" ueberlebt haben. Allerdings haetten sie, als sich das Beharrungsvermoegen ihrer Produkte abzeichnete, zumindest in die Updates ihrer Altsoftware Mechanismen einbauen koennen, die eine problemlose Umstellung ermoeglichen.

"Wir fliegen Duesenjaeger mit dem Bewusstsein von Neandertalern." Trifft diese Aussage des Verhaltensforschers Irenaeus Eibl- Eibesfeldt zu, sollte man darauf achten, dass der kommerziellen Datenverarbeitung und ihren Spezialisten nicht der gleiche Vorwurf gemacht werden kann.