Es fuehrte ein langer Weg vom Fluessigkristall zum Farb-LCD

06.08.1993

Die Augen genuegen eigentlich als Gradmesser fuer einen LC-Monitor. Doch wer hat schon die Moeglichkeit, sich einen Ueberblick ueber die erhaeltlichen Geraete zu verschaffen, um sie dann nebeneinanderzustellen und das Beste auszuwaehlen? Entweder muss man sich einen Einkaufsberater suchen oder sich selbst die Kenntnisse der technischen Feinheiten aneignen, die die Bildschirme unterscheiden. Weil die Entwicklung der Fluessigkristall- Bildschirme eine moderne Erfolgsgeschichte der Industrie ist, sei sie hier von Heimo Ponnath* aufgerollt.

LCD ist die Abkuerzung von

"Liquid crystal display", was

mit "Fluessigkristall-Bildschirm" uebersetzt werden kann. Was sind fluessige Kristalle? Materie existiert in drei Zustaenden: als Festkoerper, als Fluessigkeit oder als Gas. Beispielsweise wird der Festkoerper Eis durch Waermezufuhr zum fluessigen Wasser, welches durch weitere Temperaturerhoehung schliesslich in den Gaszustand verdampft.

Jeder dieser Zustaende hat charakteristische Eigenschaften: So reagieren die meisten kristallinen Festkoerper in verschiedenen Raumrichtungen unterschiedlich auf elektrischen Strom, Waerme, Licht und andere physikalische Anregungen. Man nennt diese Eigenschaft Anisotropie. Die Ursache fuer dieses Verhalten liegt darin, dass die kleinsten Bausteine der betrachteten Substanz feste Plaetze in einem starren Kristallgitter besetzen, dass somit eine bestimmte Symmetrie im Kristall vorliegt. Licht beispielsweise trifft auf seinem Weg durch solch ein Raumgitter mal auf mehr, mal auf weniger Kristallbausteine, je nach der Richtung, aus der es einfaellt (siehe Abbildung 1)

Im Unterschied dazu bewegen sich die Molekuele in einer Fluessigkeit regellos durcheinander. Im statistischen Mittel trifft man aus jeder Raumrichtung kommend auf die gleiche Anzahl: Fluessigkeiten sind somit isotrop, es gibt keine bevorzugten Richtungen. Erstaunt waren daher vor etwas ueber 110 Jahren O. Lehmann und F. Reinitzer, als sie bei Untersuchungen einiger Fluessigkeiten auf anisotropes Verhalten stiessen, auf typisch kristalline Eigenschaften! Lehmann praegte daraufhin den Namen "fluessiger Kristall".

Heute erklaert man sich diesen neuen Zustand aus der besonderen Gestalt der Molekuele, der kleinsten Bausteine der Materie. In Fluessigkristallen gleichen sie langgestreckten Staebchen. Im festen Zustand findet man auch hier den streng geordneten Kristallaufbau. Neben der Ordnung im Raum aber fuehrt die Molekuelgestalt noch zu einer Orientierungsordnung, wobei die Richtung der Staebchen eine Rolle spielt. Erwaermt man solch einen Kristall bis zum Schmelzen, dann geht zwar die raeumliche Ordnung verloren, die Orientierung der Staebchen aber bleibt erhalten. Erst bei weiterer Temperaturerhoehung verschwindet nach und nach auch dieses Ordnungsprinzip, und der Zustand der isotropen Fluessigkeit stellt sich ein. Man kann daher bei fluessigkristallinen Substanzen von zwei "Schmelzpunkten" sprechen: Der untere - Schmelzpunkt genannt - markiert den Uebergang vom Festkoerper in den fluessigen Kristall, der hoehere "Klaerpunkt" den Wechsel zur isotropen Fluessigkeit.

Fuer die Verwendung von Substanzen in LC-Displays ist die Ausdehnung und die Lage des Temperaturintervalls zwischen diesen charakteristischen Punkten von entscheidender Bedeutung, denn Displays sollen in einem nicht zu schmalen Temperaturbereich bei Raumtemperatur arbeiten. Erst langwierige physikalisch-chemische Untersuchungen verschiedener neuer Stoffe und Mischungen ergaben LC-Material, das bei normalen

Raumtemperaturen stabil bleibt.

Fluessigkristalle treten in drei verschiedenen Erscheinungsformen auf, die sich durch die Orientierung der Staebchenmolekuele im Raum unterscheiden. Abbildung 2 zeigt die drei Varianten. In der nematischen Phase weisen alle Staebchen in eine Richtung. Etwas komplexer ist die smektische Phase aufgebaut: Auch hier zeigen die Staebchen in die gleiche Richtung, sie sind aber in Schichten angeordnet, die leicht gegeneinander verschiebbar sind. Innerhalb einer Schicht koennen die Staebchen regellos oder auch strukturiert vorliegen: Es ergeben sich so verschiedene smektische Phasen, die man durch Grossbuchstaben kennzeichnet (smektisch A, smektisch B und so fort. Derzeit reicht die Numerierung bis smektisch I). Die dritte Variante ist die cholesterinische Phase. Hier liegen duenne Schichten vor, in denen die liegend angeordneten Staebchen jeweils in die gleiche Richtung weisen. Von Schicht zu Schicht aber aendert sich diese Orientierung um einen kleinen Betrag: Sie bildet eine Schraube.

Eine Fluessigkeit verhaelt

sich wie ein Kristall

Obwohl auch die cholesterinische und die smektischen Phasen in modernen Verfahren bedeutende Rollen spielen, soll im folgenden nur die nematische Phase betrachtet werden: Vor allem diese Erscheinungsform fluessiger Kristalle ist in der LCD-Technik von Bedeutung. Zwei Verhaltensweisen nematischer Phasen interessieren besonders in der Bildschirmtechnik: Die Wechselwirkungen fluessiger Kristalle mit Licht und mit elektrischen Feldern.

Licht kann als eine elektromagnetische Welle aufgefasst werden. Sie wird unter anderem dargestellt durch die Schwingung einer Groesse, die elektrischer Feldvektor genannt wird. Die Wellenlaenge bestimmt die Farbe, die Amplitude haengt mit der Intensitaet des Lichtes zusammen.

Natuerliches Licht ist weiss: Man findet darin Wellenzuege unterschiedlicher Laengen und ohne spezielle Orientierung der Ebene, in der der elektrische Feldvektor schwingt.

Manche Substanzen (Polarisatoren) haben die Eigenschaft, wie ein enges Gitter aus diesen vielen Schwingungsrichtungen eine einzige herauszufiltern (siehe Abbildung 3). So entsteht linear polarisiertes Licht, das in der LCD-Technik eine wichtige Rolle spielt. Bei LC-Displays verwendet man dazu spezielle Polarisationsfolien.

Auch fluessige Kristalle selbst ueben eine starke Wirkung auf Licht aus: Sie sind doppelbrechend. Substanzen mit dieser Eigenschaft spalten einen eindringenden Lichtstrahl in zwei Anteile auf, die senkrecht zueinander polarisiert sind. Nur in einem speziellen Fall findet dieser Vorgang nicht statt: Wenn der eintretende Strahl entlang der sogenannten optischen Achse (das ist eine spezielle Richtung, die mit den Symmetrieeigenschaften des Kristalls zusammenhaengt) einfaellt. Im Fall der Aufspaltung gehorcht der sogenannte ordentliche Strahl den normalen Brechungsgesetzen der Optik, der ausserordentliche Strahl aber nicht: Seine Ausbreitungsgeschwindigkeit ist von der Eintrittsrichtung abhaengig. Beim anschliessenden Austritt addieren sich die beiden Strahlen wieder.

Es ist aber inzwischen etwas Entscheidendes geschehen! Zum einen haben beide Strahlen durch die verschiedenen Winkel, unter denen sie den Kristall durchquert haben, unterschiedlich lange Wege zurueckgelegt, so dass die beiden Lichtwellen nicht mehr parallel schwingen. Zwischen beiden Strahlen ist eine Phasendifferenz entstanden. Das Ergebnis ist mehr oder weniger stark elliptisch polarisiertes Licht, bei dem die Spitze des Feldvektors waehrend einer Schwingung eine Ellipse beschreibt. Zum anderen haben unterschiedliche Wechselwirkungen mit den Molekuelen der doppelbrechenden Substanz stattgefunden: Bestimmte Wellenlaengen (fuer jeden Strahl andere) wurden absorbiert. Die Addition beider Strahlen fuehrt nun zu farbigem Licht. Man nennt diese Erscheinung Dichroismus. Das Ziel, echte Schwarzweiss-Displays auf der Basis von Fluessigkristallen zu entwickeln, ist durch diesen Effekt schwerer zu erreichen. Es bedurfte zum Beispiel eines grossen Aufwandes der Firma Sharp an Forschungs- und Entwicklungsarbeit, dichroitische Farbverfaelschungen zu eliminieren und LC-Displays zu bauen, die schwarze Schrift auf weissem Untergrund erzeugen.

Fluessige Kristalle werden durch elektrische Felder beeinflusst. Das haengt mit der Staebchenform der Molekuele zusammen und mit der ungleichen Ladungsverteilung darin. Einige Fluessigkristalle richten die Staebchen entlang des elektrischen Feldes aus (man spricht dann von einer positiven Dielektrizitaets-Anisotropie), andere stellen sie quer zum Feld ein (ihre Dielektrizitaets-Anisotropie ist negativ). Bringt man nun eine nematische Substanz derart zwischen die Platten eines ebenen Kondensators, dass die Staebchen parallel zu den Platten liegen, dann kann beim Einschalten des Feldes zweierlei geschehen (siehe Abbildung 4): Weist der Fluessigkristall positive Dielektrizitaets- Anisotropie auf, dann ordnen sich die Orientierungen der Staebchen in Feldrichtung um, sobald das Feld stark genug ist, die beharrenden Kraefte, die sie in ihrer Lage festhalten, zu ueberwinden. Lediglich direkt an den Platten bleiben die Staebchen in der alten Lage. Im anderen Fall aendert sich nichts.

Wie wirkt sich solch eine Veraenderung auf durchtretendes Licht aus? Dazu muss man wissen, dass die optische Achse von Fluessigkristallen entlang der Staebchenorientierung verlaeuft. Laesst man jetzt Licht quer durch den Fluessigkristall im feldfreien Zustand laufen (in der Abbildung senkrecht zur Zeitungsseite), dann erfaehrt es einen starken Effekt der Doppelbrechung, weil es quer zur optischen Achse gerichtet ist. Durch die Umorientierung im elektrischen Feld (das ebenfalls quer zu den Platten gerichtet ist) aber zeigen die Staebchen (und damit die optische Achse) und die Ausbreitung des einfallenden Lichtes in dieselbe Richtung: Keine Doppelbrechung ist zu beobachten.

In der Abbildung 5 ist eine weitere Variante zu sehen: Im feldlosen Zustand seien die Staebchen der nematischen Phase senkrecht zu den Kondensatorplatten orientiert. Wieder koennen - je nach Dielektrizitaets-Anisotropie - zwei Zustaende eintreten. Ist sie negativ, dann aendern die Staebchen ihre Orientierung: Sie stellen sich quer zur Feldrichtung, sobald sie die Kraefte der Viskositaet ueberwunden haben. Lediglich direkt an den Platten bleibt die alte Richtung erhalten. Ist aber die Dielektrizitaets- Anisotropie positiv, dann aendert sich nichts. Scheint Licht durch den feldfreien Fluessigkristall (in der Abbildung wiederum senkrecht zur Zeitungsseite), dann tritt keine Doppelbrechung ein, denn optische Achse und Lichtrichtung sind identisch. Im elektrischen Feld aber stehen beide Richtungen senkrecht aufeinander, und maximale Doppelbrechung ist die Folge.

Die Tatsache, dass man in dieser Anordnung nach dem Anlegen des elektrischen Feldes

eine Doppelbrechung erhaelt, hat interessante Konsequenzen. Hat man naemlich erst einmal eine gewisse Schwellspannung ueberschritten (die zum Beginn der Orientierungsumlagerung fuehrt), dann genuegen schon kleine Veraenderungen des elektrischen Feldes, um den Grad der Doppelbrechung zu steuern. Auf dieser Erscheinung beruht ein Verfahren, das in der englischen Literatur ECB (Electrically controlled birefringence ; elektrisch gesteuerte Doppelbrechung) genannt wird (in der deutschen Literatur spricht man von DAP ; Deformation aufrechtstehender Phasen). Dabei nutzt man die Nebenwirkung der Doppelbrechung - den Dichroismus - aus, indem die entstehenden Farben zur Colorsteuerung eingesetzt werden.

Auch wenn die physikalischen und chemischen Grundlagen von Anzeigen mittels fluessiger Kristalle weitgehend geklaert sind: Viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit war noetig, um auf dieser Basis Displays auf den Markt zu bringen, die den Anforderungen des Farbfernsehens oder eines VGA-Laptops genuegen. Wie wurde der flache Bildschirm auf Fluessigkristall-Basis technisch realisiert?

Der lange Weg zum

Color-LC-Display

Nimmt man die bisher vorgestellten Wechselwirkungen fluessiger Kristalle mit Licht und einem elektrischen Feld als Basis eines LC-Displays, dann laesst sich folgende Anordnung konstruieren: Zwischen zwei Glasplatten befindet sich ein nematischer Fluessigkristall mit horizontal angeordneten Staebchen. Dann klebt man je eine Polarisationsfolie (mit gekreuzten Polarisationsrichtungen) auf die Aussenflaeche jeder Glasplatte. Tritt nun von hinten ein Lichtstrahl in diese Anordung, dann wird er zunaechst von der Polarisationsfolie linear polarisiert. Dann gelangt er - nach der Glasplatte - in den fluessigen Kristall, der nun maximale Doppelbrechung verursacht. Als Ergebnis tritt in die zweite Glasplatte jetzt elliptisch polarisiertes Licht. Weil bei dieser Art der Polarisation der elektrische Feldvektor keine Vorzugsrichtung aufweist (die Spitze beschreibt ja eine Ellipse), geht der Strahl nur leicht geschwaecht durch die zweite Polarisationsfolie hindurch. Insgesamt wird man also ohne angelegtes elektrisches Feld einen hellen Bildbereich sehen.

Wird aber ein elektrisches Feld hinzugeschaltet, dann richten sich die Staebchen des Fluessigkristalls parallel zum Feld - und damit auch parallel zur Richtung des Lichtstrahls. Das eingetretene, linear polarisierte Licht geht unbeeinflusst durch die Anordnung hindurch, wird aber nun von der vorderen Polarisationsfolie aufgehalten, denn es schwingt jetzt in der falschen Richtung. Man sieht an dieser Stelle einen dunklen

Bildbereich (siehe Abbildung 6).

Auch wenn auf dieser Basis LC-Displays moeglich sind, verhindern doch der zu geringe Kontrast und unerwuenschte Farbverfaelschungen eine technische Anwendung. Erst 1971 fand der Durchbruch statt: Schadt und Helfrich erfanden die sogenannte Drehzelle, heute als TN-Zelle (von Twisted Nematic ; gedreht nematisch) bekannt.

Das dieser Technik zugrundeliegende Prinzip ist verblueffend einfach: Wieder bringt man zwischen zwei Glasplatten einen nematischen Fluessigkristall derart ein, dass die Staebchen parallel zu den begrenzenden Platten orientiert sind. Nimmt man nun eine der beiden Platten und dreht sie um 90 Grad, dann zeigt es sich, dass die Staebchen direkt am Glas haften bleiben und diese Drehung mitmachen (siehe Abbildung 7).

Der gedrehte nematische Fluessigkristall hat nun die interessante Eigenschaft, dass er die Schwingungsebene linear polarisierten Lichtes seiner Schraubenform folgen laesst. Liegt ein elektrisches Feld an der TN-Zelle, dann geschieht das, was zuvor auch schon in der einfachen nematischen Zelle zu beobachten war: Die Staebchen richten sich entlang dem Feld aus, und keine Doppelbrechung ist mehr festzustellen.

Wieder sind die Polarisationsfolien um 90 Grad gegeneinander verdreht - ebenso wie die Staebchen. Linear polarisiertes Licht kommt aus dem hinteren Polarisator, wird mit der Orientierungsschraube der Staebchen um 90 Grad gedreht und gelangt so durch den vorderen Polarisator hindurch: Im feldfreien Zustand ist diese Stelle hell. Bei angelegtem elektrischem Feld aber bleibt die Ebene des polarisierten Lichtes unveraendert, und der vordere Polarisator laesst nichts davon durch: Diese Stelle ist dann dunkel (siehe Abbildung 8).

Blue mode

STN-LCD

Solche TN-LCDs weisen ein typisches Kontrastverhaeltnis von drei zu eins auf. Das bedeutet, dass ein angeschalteter Bildpunkt dreimal so hell ist wie ein abgeschalteter. Fuer einfache Displays genuegt dieser Wert haeufig schon, fuer gehobene Ansprueche allerdings nicht. Erst ein Kontrast von sieben zu eins erscheint dem menschlichen Auge als angenehm fuer umfassende Arbeiten auf dem Bildschirm. Es war daher noetig, die TN-Technik zu verbessern, was zu den sogenannten Supertwisted Nematic LCDs (STN) fuehrte. Am physikalischen Prinzip hat sich im Vergleich zur TN-Technik wenig geaendert, lediglich der Winkel, um den das polarisierte Licht gedreht wird (bei TN waren das 90 Grad), ist jetzt stark erhoeht worden auf Werte zwischen 180 und 270 Grad. Damit hat sich auch die Form der Ellipse (des Feldvektor-Umlaufes des elliptisch polarisierten Lichtes) veraendert - sie ist "runder" geworden.

Das Kontrastverhaeltnis nimmt in STN-Fluessigkristall-Displays Werte bis sieben zu eins an.

Das Licht wird beim Durchgang durch fluessige Kristalle noch einer Nebenwirkung ausgesetzt, die mit steigendem Twist-Winkel immer staerker wird: der Dichroismus. Aus dem urspruenglich weissen Licht, das ja eine Mischung aller Farben ist, werden die einzelnen Wellenlaengen (also Farben) unterschiedlich stark absorbiert. Es zeigt sich, dass der Hintergrund statt reinweiss (kein Feld angelegt, glatter Lichtdurchganghaeufig roetlich bis orange, ein Bildpunkt aber, der schwarz sein muesste (ein Feld ist angelegt, Licht geht nicht durcheher blau bis tuerkis ist. Man nennt solche Fluessigkristall-Bildschirme - bei denen heute meist der gelbe Hintergrund kompensiert und damit auch das Kontrastverhaeltnis verbessert wurde - auch blue mode STN-LCDs.

Der Markt verlangte nach sogenannten Paper-white-Displays. Abgesehen davon, dass der Kontrast durch die Schwarzweiss- Darstellung verbessert wird, ist sie dem Menschen auch vertrauter. Drei Verfahren wurden entwickelt, dieses Problem zu loesen.

Die sogenannte Guest-Host-Technik (Gast-Wirt-Technikverwendet Farbstoffe, die in den fluessigen Kristall eingebettet werden. Weil die ausgewaehlten Pigmente ebenfalls staebchenartige Molekuele sind, ordnen sie sich parallel zu den Staebchen der nematischen Phase und werden bei jeder Umorientierung mitbewegt. Durch diese Orientierungsordnung ist der Farbstoff - genauso wie der fluessige Kristall - anisotrop. Weissem Licht aus unterschiedlicher Richtung zum Farbstoffmolekuel werden daher jeweils andere Wellenlaengen entzogen.

Das verbleibende Licht ist dann farbig: Fehlt urspruenglich weissem Licht der Rot-Anteil, dann erscheint es tuerkis, fehlt ihm der Blau-Anteil, dann ist es gelb. Problematisch war es nun nur noch, einen Farbstoff - oder eine Mischung - zu finden, der im getwisteten Zustand kein Licht absorbiert (weiss), im anderen - dem elektrischen Feld angepassten - Zustand aber alle Wellenlaengen schluckt (schwarz).

Zwar wurden solche Substanzen gefunden, das Ergebnis konnte aber nicht ganz zufriedenstellen. Durch die Beimengung verliert das Display erheblich an Helligkeit. Weiterhin variiert der schwarze Farbton sehr stark mit dem Betrachtungswinkel.

Martin Schadt stellte 1987 das sogenannte OMI-Verfahren vor. OMI bedeutet Optical Mode Interference: Durch genaues Justieren sowohl des fluessigen Kristalls als auch der Dicke der Zelle kann eine Schwarzweiss-Wiedergabe angenaehert werden.

Den groessten Erfolg im Bemuehen um die Schwarzweiss-Darstellung errang die Double-Supertwist-Technik, die massgeblich von Sharp entwickelt wurde. Das Aufbauprinzip einer DSTN-Zelle ist in der Abbildung 9 zu erkennen. Es liegen nun zwei STN-Schichten vor. In der aktiven Zelle - das ist diejenige, an die ein elektrisches Feld gelegt werden kann - ist der fluessige Kristall um 240 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Die passive Zelle enthaelt ebenfalls nematisches Material, das hier aber um 240 Grad mit dem Uhrzeigersinn gedreht vorliegt. Beide Zellen stehen so zueinander, dass die Orientierung der Staebchen an der Eingangsseite senkrecht zu der an der Ausgangsseite ist. Die Polarisationsfolien sind ebenfalls um 90 Grad gegeneinander versetzt.

In der Abbildung 10 ist nun die Arbeitsweise eines DSTN-LCDs erklaert: Weisses Licht faellt auf den hinteren Polarisator (im Bild unten) und wird dort linear polarisiert.

Dann gelangt es in die aktive STN-Zelle, die - ohne Feld - nun zirkular polarisiertes Licht daraus erzeugt. Dieses Licht ist - wie bei der herkoemmlichen STN-Zelle - durch Dichroismus veraendert. Der Weg durch die anschliessende passive Zelle (die das gleiche Fluessigkristall-Material enthaelt wie die erste, aktive Zelle, aber in entgegengesetzter Richtung verdreht) fuehrt zur Kompensation der Farbaufspaltung (fuer den Fachmann: Die Phasendifferenz wird gleich Null). Als Ergebnis liegt linear polarisiertes Licht vor, das die gleiche Schwingungsebene aufweist wie zuvor nach dem Passieren der hinteren Polarisationsfolie. Weil aber der vordere Polarisator um 90 Grad verdreht ist, laesst er kein Licht durch: Der Bildschirm ist an dieser Stelle schwarz.

Liegt an der aktiven Zelle ein elektrisches Feld an, dann geht das linear polarisierte Licht aus dem hinteren Polarisator dort glatt hindurch, ohne veraendert zu werden. Erst in der passiven Zelle erfolgt nun zirkulare Polarisation. Weil aber zirkular polarisiertes Licht von Polarisatoren nicht zurueckgehalten wird, ist der Bildschirm an dieser Stelle hell. Durch genaues Justieren sowohl des verwendeten Materials als auch der Zellabmessungen wird das durchgelassene Licht weiss.

Sharp hat auf diese Weise Schwarzweiss-Displays realisiert mit einem Kontrastverhaeltnis von fuenfzehn zu eins und einer Aufloesung von 640 x 400 bis

720 x 400 Bildpunkten.

Der komplexe Aufbau einer DSTN-Fluessigkristall-Zelle bedingt einen relativ hohen Herstellungsaufwand. Sharp hat deshalb ein neues Verfahren entwickelt, das zu flacheren Displays mit geringerem Gewicht fuehrt. Diese neue Loesung traegt den Namen Triple Supertwisted Nematic LCD (TSTN).

Hier findet sich nur eine STN-LC-Zelle. Die Farbstoerungen der normalen Supertwisted-Nematic-Technik werden durch zwei spezielle Folien ausgeglichen, die vor und hinter der Zelle - zwischen Polarisator und Glas - angebracht sind. Diese Folien sind verantwortlich fuer einen weiteren Namen dieser Technik: Film Supertwisted (FST). Der erheblich verbesserte Kontrast (bis achtzehn zu eins), das geringere Gewicht, die flachere und weniger aufwendige Bauweise haben TSTN-LC-Displays zum Durchbruch verholfen. Im Sharp-Notebook-Computer PC-6220 wurde solch ein Display als VGA-Bildschirm erstmals realisiert. Heute werden Schwarzweiss-Displays von Sharp nahezu ausschliesslich in dieser Technik hergestellt.

Eine Frage, die alle Flachbildschirm-Techniken betrifft, ist noch offen: Wie erzeugt man das elektrische Feld genau an den Stellen des Bildschirms, an denen Punkte erscheinen sollen?

Natuerlich koennte man jeden Bildpunkt einzeln ansprechen, was bei den ersten Ausfuehrungen der sogenannten Siebensegment-Anzeigen auch geschah. Dort finden sich aber nur wenige Punkte (Segmente) pro Display im Vergleich zu einem Bildschirm, der dem VGA-Standard gehorcht und 640 x 480, also 307 200 Bildpunkte erfordert.

Die Loesung bietet die sogenannte Matrixansteuerung der Bildpunkte: Jeder Punkt liegt an der Kreuzung einer Spalte und einer Zeile, die in Form durchsichtiger Leiterbahnen in die Glaeser der Fluessigkristall-Zelle

eingebettet sind. Im genannten Beispiel waeren das dann 480 Zeilen in der einen Glasplatte und 640 Spalten in der anderen. Legt man nun an solch ein Zeilen- oder Spaltenpaar eine Spannung an, dann entsteht genau am Kreuzungspunkt das elektrische Feld. Jetzt ist es moeglich, alle 307 200 Bildpunkte mittels 640 plus 480, also nur noch 1120 Leitungen anzusprechen, was den technischen Aufwand erheblich vermindert. Man spricht bei dieser Art der Bildpunktansteuerung von einer passiven Matrix.

Mit der Passivmatrix-Technologie ist eine Anzahl von Problemen verbunden, die ihrer Anwendung noch relativ enge Grenzen setzen. Beispielsweise entsteht genaugenommen nicht nur an den Kreuzungspunkten ein elektrisches Feld, sondern auch entlang der aktiven Zeile und Spalte. Zwar ist dieses ungewollte Feld schwaecher als das am Kreuzungspunkt, und die Staebchenumorientierung im fluessigen Kristall erfolgt ziemlich abrupt erst bei einem Schwellwert der Feldstaerke; moechte man aber viele Graustufen auf dem Bildschirm zeigen, dann kann man das nur durch einen langsameren Uebergang in der Staebchenreaktion erreichen. Anstelle des scharfen Schwellwertes benoetigt man dann einen breiteren Bereich unterschiedlich starker Reaktion des LC- Materials auf geringe Aenderungen der Feldstaerken. Dann aber kann sich unter Umstaenden auch schon das schwache Feld entlang einer Zeile oder Spalte als Graustufe ausdruecken, was zu vermindertem Kontrast des Displays fuehrt - man spricht dann von Cross-Talk.

Es hat den Anschein, als muesste man sich entscheiden und entweder Displays mit geringer Aufloesung, dafuer aber vielen Graustufen bauen oder aber solche mit hoher Aufloesung, dafuer aber wenigen Graustufen. Versucht man beides in einem einzigen Passiv-Matrix- Display zu realisieren, muss man mit vermindertem Kontrast bezahlen. Das Kontrastverhaeltnis modernster TSTN-Displays liegt etwa zwischen zehn und 15, das heisst, ein voll eingeschalteter Bildpunkt ist zehn- bis 15mal so hell wie ein ganz abgeschalteter.

Die Loesung des Problems ist die aktive Matrix (hier sind Kontrastverhaeltnisse von 70 bis 100 ueblich!). An jedem Kreuzungspunkt befindet sich ein winziger Transistor (bei der MIM- Technik ist es eine Diode), der per Duennfilmtechnik auf das Glas aufgebracht wird. Daher ruehrt die Bezeichnung Thin Film Transistor (TFT). Ein Bildpunkt kann nun mit wesentlich geringerer Spannung angesteuert werden, der Transistor erzeugt genau dort ein variables elektrisches Feld.

Zur Regelung der Helligkeit von Pixeln kann man in der AMLCD- Technik (Aktivmatrix-LCD) prinzipiell zwei Wege beschreiten. Der eine operiert mit der Staerke des angelegten elektrischen Feldes. Eine hohe Feldstaerke fuehrt bei entsprechender Orientierung des Polarisators zum dunklen Pixel. Je geringer die Feldstaerke wird, desto heller scheint das Licht durch den Fluessigkristall. Addiert man die Lichtintensitaeten der drei Farbkomponenten, so lassen sich auf diese Weise sehr viele verschiedene Farbtoene (bis zu 256 000 bei manchen Monitoren) kombinieren. Die Anforderungen an den Toleranzbereich der Transistoren aber sind auf diese Weise sehr hoch: Alle muessen nahezu gleiche Kennlinien aufweisen.

Der andere Weg stellt geringere Anforderungen: Die Transistoren brauchen hier nur ein- oder ausgeschaltet zu werden. Durch schnelles Pulsen erzeugt man eine Folge von Lichtblitzen, die das menschliche Auge nur als Helligkeits-Mittelwert wahrnimmt. Je mehr Impulse pro Zeit gegeben werden, desto heller erscheint das Pixel. Auch hier addieren sich schliesslich die unterschiedlich hellen Farbkomponenten zur Farbe des Bildpunktes. Nachteilig an dieser Betriebsart ist zum einen, dass ein groesserer Aufwand an Steuerung des Displays betrieben werden muss und zum anderen, dass durch den schnellen Pulsbetrieb - trotz der geringen Stroeme in den Leiterbahnen - wieder Induktionen auftreten, die den Kontrast mindern.

1987 brachte Sharp den ersten Aktiv-matrix-Bildschirm auf dem Markt. Es handelt sich um ein Drei-Zoll-TFT-LC-Display, das, fuer den Audio-Video-Bereich konzipiert, Farbfernsehen en miniature erlaubt. Jeder Bildpunkt setzt sich dabei aus drei Transistoren zusammen, die - gegeneinander in Dreiecksform versetzt - mit Farbfiltern in Rot, Gruen und Blau je nach Helligkeit der einzelnen Farbanteile alle Farben des Spektrums darstellen koennen. Die Dreiecksform gab dieser Transistoranordnung den Namen: Man spricht von der Delta- Konfiguration.

Als Computerbildschirme lassen sich AMLCDs in dieser Konfiguration nur eingeschraenkt verwenden. Je groesser ein Display bei gleichbleibender Aufloesung ist, desto deutlicher treten - besonders bei senkrechten Linien - die Zickzack-Muster der Dreiecksanordnung zutage. Ein zehn- oder Vierzehn-Zoll-TFT-LCD (letzteres wurde uebrigens auf der Electronica 1988 in Muenchen von Sharp gezeigt), das im VGA-Standard arbeitet, muss deshalb eine andere Transistoranordnung haben, um diese Stoerung auszuschalten. Hier verwendet Sharp die "Vertical-Stripe"-Konfiguration, bei der die Transistoren exakt in Spalten und Zeilen angeordnet vorliegen.

*Heimo Ponnath ist Autor der Broschuere "Aus Utopie wurde Realitaet: Der flache Bildschirm", die die Firma Sharp herausgegeben hat. Wir drucken Auszuege aus dieser Broschuere mit freundlicher Genehmigung der Firma Sharp.