Kritik an E-Government

Es fehlt die Umsetzung von IT-Projekten

17.02.2011
Von Johannes Klostermeier

CIO.de: Deutschland liegt ja immer weit hinten beim E-Government-Ranking. Was sagen Sie dazu?

Bürger- und Unternehmensbedürfnisse besser verstehen

Pitsch: Das liegt daran, dass wir zu wenige elektronische Angebote für den praktischen Alltagsbedarf haben, wo man im E-Government als Bürger oder Unternehmen Dinge abschließend erledigen kann. Da sind andere Länder weiter. Dafür führen wir oft eine typisch deutsche, solide Sicherheitsdebatte, und wir schaffen Infrastrukturen, die ihresgleichen suchen in Europa. Wir diskutieren vieles und probieren zu wenig Neues aus - das verlangsamt die Abläufe. Andererseits treffen wir dann aber oft die richtigen Entscheidungen, um Veränderungen auf einer vernünftigen Basis herbeizuführen.

CIO.de: Fehlt der Verwaltung die Begeisterung, fehlen die internetaffinen Politiker?

Pitsch: Die CIOs aus dem öffentlichen Bereich, die ich kenne, sind sehr kompetent. Sie verstehen nicht nur die Thematik, sondern treiben sie auch mit persönlicher Leidenschaft und Glaubwürdigkeit voran. Aber auf der politischen Ebene müssen wir mehr bewegen. Moderne Verwaltung durch IT ist heute kein politisches, kampagnenfähiges Thema. Damit gewinnt man keine Wahl. Das kann es werden, wenn man in einer verständlichen Sprache erklärt, warum bewährte Abläufe aus der Privatwirtschaft und innovative IT nicht nur Kosten senken, sondern bürgernahe und bessere Verwaltungsleistungen ermöglichen.

Politisch gewinnen kann man nur, wenn man den Bürgern beweisen kann, dass zum Beispiel der neue Ausweis den Bürgern das Leben leichter macht. Wenn die Übersetzung in das Alltagsleben fehlt, ist jede technisch revolutionäre und innovative Infrastrukturmaßnahme zum Scheitern verurteilt. Diesen Mehrwert muss man eben auch in einer politischen Sprache kommunizieren.

CIO.de: Wird die Diskussion in Deutschland also immer falsch geführt?

Pitsch: Der Mehrwert und der Nutzen müssen in den Vordergrund gestellt werden. Der Bürger muss immer im Mittelpunkt dessen stehen, was wir auf Verwaltungsseite tun. Es gilt, die tatsächlichen Bürger- und Unternehmensbedürfnisse zu verstehen und darauf die Dienste und Angebote konsequent auszurichten. Ein Beispiel: Die Behördenrufnummer D115 ist ein wunderbarer Fortschritt - wir dürfen es aber nicht auf der technischen Callcenter-Ebene mit Wissensdatenbanken belassen. Wir müssen es als Instrument sehen, um die Bürgerbedürfnisse zu begreifen. D115 vor allem als Wissensmanagement zu verstehen heißt zu fragen: „Wo tauchen die eigentlichen Probleme der Bürger auf?" und „Welche Leistungen sind völlig irrelevant?" oder die Frage „Braucht der Bürger überhaupt ein virtuelles Amt?" Es wird vieles auf Grund von abstrakter Beratung entworfen, aber vieles ist zu wenig faktenbasiert.