Erste Eindrücke von Acrobat 3.0

Erweitertes PDF in Acrobat mausert sich zum universellen Datenformat

01.11.1996

Gegenüber dem Internet-Standard Hypertext Markup Language (HTML) hatte Adobes hauseigene Dokumentenspezifikation PDF bislang kaum eine Chance. Zwar findet man im Web durchaus eine Reihe von PDF-Dokumenten, allerdings weisen diese im Gegensatz zur HTML-Konkurrenz den entscheidenden Nachteil auf, daß sie sich nicht seitenweise über einen Browser aufrufen lassen. PDF-Dokumente müssen bislang zunächst komplett in den Rechner geladen werden, erst dann besteht die Möglichkeit, sie mit Hilfe der Acrobat-Tools "Reader" oder "Exchange" zu lesen beziehungsweise auszuwerten.

Um PDF für ein besseres Handling im Web vorzubereiten, änderte Adobe im Rahmen des "Amber"-Projekts das Datenformat, das jetzt in Version 1.2 vorliegt. Zu Beginn einer Acrobat-3.0-Datei steht nun ein "XREF"-File, in dem gespeichert wird, welche Datei-Informationen für die einzelnen Seiten benötigt werden.

Anzeige mit Originalschriften

Auf diese Weise läßt sich jede Seite eines PDF-1.2-Dokuments auch einzeln aufrufen. Dabei erfolgt die Browser-Darstellung inkrementell: Zuerst wird der Text gezeigt, anschließend folgen die Originalschriften, dann die Grafiken und schließlich die Bilder. Voraussetzung ist allerdings, daß beim Dokumentenempfänger eine aktuelle Netscape-Version und der Acrobat Reader 3.0 vorliegen.

Unterstützt wird auch Microsofts Internet-Explorer und Anwendungen auf Basis des Net- scape-API. Alte PDF-Dokumente müssen dafür in Exchange 3.0 optimiert werden es ist dabei auch möglich, ein PDF-File in einer HTML-Seite zu integrieren.

Acrobat 3.0 wartet außerdem mit verbesserten Kompressionsverfahren auf, der Reader bleibt auch im Update kostenlos. Die Adobe-Tools bieten damit eine erheblich bessere Möglichkeit, gestaltete Dokumente im Internet zu verwenden, als es der diesbezüglich schwache HTML-Standard erlaubt.

Den Bereich des Electronic Commerce bedient der Hersteller mit erweiterten Formularfunktionen. Beliebige PDF-Dokumente lassen sich über Exchange in elektronische Formulare für den Handel im Internet verwandeln und mit Ausfüllfeldern, Ankreuzflächen, Radiobuttons sowie Adreßfeldern ausstatten.

Eine dritte Neuerung betrifft das Editieren von Acrobat-Dokumenten einschließlich Postscript-Dateien in Exchange: Ein "Touchup-Text"-Tool gestattet es, zeilenweise Texte zu ändern, andere Schriften, Größen und Ausrichtungen zu wählen. Auch die Position einer Zeile auf der Seite kann verändert werden. Die berühmten Last-minute-Änderungen sind damit möglich geworden, etwa wenn es darum geht, falsche Telefonnummern oder Adressen auch nach der Umwandlung in Postscript noch zu korrigieren. Einzige Einschränkung: Aufgrund der Postscript-Limitationen läßt sich der Umbruch nach wie vor nicht verändern.

Das vierte Update-Feature betrifft die Prepress-Branche. Obwohl es sich bei PDF um das gegenüber Postscript unproblematischere Format handelt, stieß man in der Druckvorstufe bisher bei Acrobat auf deutliche Grenzen: Die zum Druck benötigten Bild- und Farbinformationen gingen zumindest teilweise bei der Umwandlung von Postscript in PDF verloren, weder Rasterungsinformationen noch Separationen gemäß der CMYK-Palette (Cyan, Magenta, Yellow, Black), geschweige denn Kommentare über das Open Prepress Interface (OPI) und Farb-Management-Auszeichnungen waren mit Acrobat bisher möglich.

Der "Distiller" in Version 3.0 läßt all das zu. Seine erweiterten Einstellungen bieten eine Auswahl bezüglich der Ausgabeauflösung, ob Rot-Grün-Blau (RGB) in CMYK transformiert werden soll, ob man OPI-Informationen durchreichen oder Farbanpassungen erhalten will. Die im Vergleich zu Postscript bislang vermißten High-end-Farbfähigkeiten sind damit in Acrobat integriert worden.

Eher am Rande wirkt sich dagegen heute eine Acrobat-Verbesserung für das ursprüngliche Anwendungsfeld der Bürokommunikation und Archivierung aus. Das von Adobe vor eineinhalb Jahren mit "Capture" vorgestellte Zusatzprodukt, das eingescannte Bitmaps von Dokumenten via Optical Character Recognition (OCR) in PDF-Dateien verwandelt, wurde überarbeitet und muß als Exchange-Komponente mit Acrobat 3.0 nicht mehr zusätzlich bezahlt werden. Die integrierte OCR-Maschine kann nun außer Englisch elf weitere Sprachen verarbeiten - Deutsch inklusive. Damit bietet sich für viele Office-Anwender eine Möglichkeit, auch Altdokumente in elektronischer Form zu archivieren.

Acrobat-Produkte

Mit Version 3.0 von Acrobat inklusive des erweiterten PDF-Formats 1.2 hat Adobe die Eignung der Produktfamilie für den Einsatz im WWW erheblich verbessert. Neuerungen bieten die Tools auch für die Archivierung und im Bereich des von der Prepress-Branche benötigten Farb-Managements.

Das Paket umfaßt die Produkte Reader (kostenfrei), PDF Writer, Distiller, Exchange (inklusive Capture) und Catalogue. Eine deutsche Version wird voraussichtlich im November oder Dezember zur Verfügung stehen. Die Kosten für Distiller und Exchange dürften um 800 Mark liegen (16- beziehungsweise 32-Bit-Ausführungen für Mac und PC). Für das Indizierungsinstrument Catalogue müssen zusätzlich rund 600 Mark bezahlt werden.

*Michael Mittelhaus ist freier Fachjournalist in Ochtrup.