Erstickt das Internet im Müll?

26.05.2003
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Während sich innerhalb der Branche eine geschlossene Front gegen Spam formiert, reagieren die Anwender bislang sehr unterschiedlich. Noch sei nichts an ihn herangetragen worden, berichtet Werner Hamerich, IT-Abteilungsleiter beim Heinrich-Bauer-Verlag in Hamburg. Deshalb sehe er vorerst auch keinen Handlungsbedarf. Bei anderen Firmen steht das Problem zurzeit unter Beobachtung. "Spam ist aber nur am Rande ein Thema", berichtet Heinrich Brinkmann, CIO bei der Kraft Jakobs Suchard Erzeugnisse GmbH & Co KG. Man habe bislang firmenintern Policies vereinbart, wie die Mitarbeiter das Tool E-Mail handhaben sollten. Technische Initiativen ständen derzeit nicht zur Diskussion. Martin Alt, DV-Leiter der Stadt Völklingen, erwartet, dass der Spam-Befall schlimmer wird. Da jedoch sein Bereich bisher von größeren Attacken verschont geblieben sei, werde die Thematik momentan eher zweitrangig behandelt.

In den Planungen für die künftige IT-Infrastruktur spielt Spam allerdings schon eine Rolle. So soll ein entsprechender Filter in das Pflichtenheft für die Modernisierung der Groupware-Lösung aufgenommen werden. Für Lutz Eichler, Abteilungsleiter Informations-Management bei der R+V Allgemeine Versicherung AG, stellt Spam dagegen ein zunehmendes Problem dar. Vor allem Mails mit gefälschter Absender-ID sorgen zum Teil für Verwirrung. Wenn die Mitarbeiter Nachrichten bekommen, als deren Absender die Personalabteilung genannt wird und in deren Betreffzeile "Achtung Kündigung" steht, gibt das erst einmal Unruhe, berichtet Eichler. Zwar würden mittlerweile verschiedene technische Möglichkeiten angeboten, aber es sei nach wie vor sehr schwer, den Mail-Verkehr effektiv zu filtern.

Ludwig Holzer, DV-Leiter der Walhalla Kalk GmbH & Co. KG, hofft, mit Hilfe von Filtern das Spam-Aufkommen auf ein erträgliches Maß zurückzuschrauben. Für seine rund 50 Anwender entwickle sich das Ganze zunehmend zu einem lästigen Übel. Es koste die Mitarbeiter viel Zeit, ihren Mail-Verkehr zu sortieren. In einem Fall, als ein Angestellter laufend Mails mit pornografischen Inhalten bekommen habe, musste die Mail-Adresse geändert werden, berichtet Holzer. Da die Mails von verschiedenen Providern mit unterschiedlichen IP-Adressen ausgingen, sei es nicht gelungen, die Sache in den Griff zu bekommen. Von der juristischen Seite beurteilt Holzer das Thema Spam als rechtliche Grauzone. "Was wollen Sie dagegen unternehmen?" fragt er. "Melden Sie das mal der Polizei. Ob da was rauskommt, ist fraglich."

Diese Einschätzung teilt Rechtsanwalt Tobias Strömer in Düsseldorf. Wenn man den Absender nicht weiß, hilft die beste Rechtslage nichts. Das gelte auch, wenn man den Absender zwar kennt, dieser aber irgendwo im Ausland sitzt. "Ein Spammer in Hawaii lacht über die einstweilige Verfügung eines deutschen Landgerichts." Andererseits habe man als Betroffener gute Chancen, in Deutschland gegen bekannte Massen-Mailer vorzugehen. Der überwiegende Teil der deutschen Rechtsprechung tendiere zu der Auffassung, dass unerwünscht zugesandte Werbe-Mails unzulässig seien. Dabei spiele es keine Rolle, ob man gegen den Absender oder den in der Mail Beworbenen vorgehe. So könne man eine Unterlassungserklärung einfordern beziehungsweise im Wiederholungsfall eine Vertragsstrafe einklagen. Es wäre laut Strömer jedoch wünschenswert, die Gesetze zum unlauteren Wettbewerb (UWG), auf die sich die deutschen Richter in diesen Fällen beziehen, präziser zu formulieren. Ein Referentenentwurf, der momentan in Arbeit ist, soll dies in Zukunft gewährleisten.

Spam-Opfer greift zur Pistole

Streitigkeiten rund um Spam, die sich offenbar nicht gerichtlich regeln ließen, gingen in der Vergangenheit dagegen teilweise tragisch aus. So droht einer Buchhalterin in den USA eine mehrjährige Haftstrafe, weil sie über zwei Millionen Dollar Firmengelder veruntreute, in der Hoffnung auf eine mehr als doppelt so hohe Rendite aus Nigeria. Mit einem Mord endete ein Fall in Tschechien. Dort erschoss ein 72-jähriger Tscheche im Februar 2003 den nigerianischen Konsul Lekara Wayid. Der Täter hatte sich auf eine typische Spam-Mail einen Millionengewinn versprochen. Nach dem üblichen Vorschuss verschwanden die Hintermänner jedoch spurlos. Die verzweifelten und letztendlich erfolglosen Versuche, über das nigerianische Konsulat sein Geld wiederzubekommen, trieben den Tschechen zuletzt zur Gewalttat.