Erster Blick in die Oracle-Werkzeugkiste CDE-Tools sind umfangreich, ressourcenintensiv und teuer

10.03.1995

Mit "Cooperative Development Environment 2.0" (CDE2) liefert die Oracle Corp. eine Entwicklungsumgebung aus, die in puncto Bedienerfreundlichkeit, Funktionalitaet und Unterstuetzung grafischer Oberflaechen wesentliche Verbesserungen im Vergleich zur Vorgaengerversion aufweist. Doch ist der Griff in den Werkzeugkasten nicht billig, findet Michael Matzer*. Zudem erfordert der Tools-Einsatz jede Menge Speicher.

Das 1993 eingefuehrte CDE-Konzept, Software-Tools fuer jede Projektphase anzubieten, fand sofort Anklang bei den Entwicklern. Auch die Version 2.0 gliedert sich so in drei Gruppen:

"CDE2 CASE", "CDE2 Tools" und "CDE2 Data Access".

Mit den CASE-Tools entwickeln Technologie- und Business-Experten verteilte Datenbanken und erhalten Unterstuetzung fuer Replikationen sowie Zugriff auf heterogene Datenquellen. Neben VAX- und Alpha- Open-VMS-Plattformen unterstuetzt CDE seit kurzem auch den Oracle- Zukauf "Rdb".

Der Windows-Support wird grossgeschrieben. Die Microsoft-Technik Object Linking and Embedding (OLE) 2.0 etwa findet sich in allen 4GL-Werkzeugen: im Maskengenerator "Oracle Forms 4.5" (frueher "SQL*Forms"), im Report-Tool "Oracle Reports 2.5" und in "Graphics 2.5", das zur Erstellung von Diagrammen und Grafiken dient.

Daneben lassen sich Windows-Widgets und Visual Basic Custom Controls (VBXs) in eine Forms-Anwendung einbauen. Das 64-KB-Limit von Windows, das zum Beispiel fuer die Zwischenablage gilt, soll dabei keine Huerde darstellen. Dem Anwender ist ausserdem Zugang zu den Microsoft-Bibliotheken Dynamic Link Libraries (DLLs) sowie zur Mehrfenstertechnik (Multiple Document Interface = MDI) gewaehrt. Wie Oracle ankuendigt, sollen etwa 30 Tage nach der Auslieferung der Windows-Tools auch die GUI-Oberflaechen von Macintosh und Motif sowie zeichenorientierte Plattformen unterstuetzt werden koennen.

Data Access umfasst die Endbenutzerwerkzeuge fuer den Zugriff auf die Datenbestaende: "Oracle Browser" und "Data Query" sowie die Schnittstellen "Oracle Glue" und "Oracle Objects". Bei dem Browser und dem Query-Tool handelt es sich um Abfragewerkzeuge fuer Anwender ohne SQL-Kenntnisse. Sie koennen ausserdem einen Entwickler durch Ad-hoc-Reports unterstuetzen.

Ab Jahresmitte 1995 will Oracle folgende Modellierungswerkzeuge anbieten: "Process Modeller 1.0" fuer die Gestaltung betrieblicher Ablaeufe und Prozesse, "Systems Modeller 1.0" zur Modellierung des logischen Modells und "Systems Designer 1.0" fuer das Design des technischen Modells.

Zu den wesentlichen Vorteilen der zweiten CDE-Generation gehoeren ODBC-Schnittstellen in allen Modulen (ODBC = Open Database Connectivity). Als vorteilhaft fuer Mehrbenutzerumgebungen erweist sich zudem das "Application Partitioning". Mit Hilfe dieser Technik koennen Entwickler die Anwendungen nach Gutduenken auf die Clients und Server verteilen. Beispielsweise lassen sich so speicher- und rechenintensive Funktionen bereits beim Entwickeln auf den Server laden. Die Einteilung kann der Programmierer per Drag and drop oder mit Point and click durchfuehren.

Zudem sind die Tools vollstaendig objektorientiert. Dies ermoeglicht die einfachere Handhabung von Eigenschaften, Methoden und Klassen von Objekten, aber auch leichtere Wartung der Applikationen wie auch deren Wiederverwend- und Erweiterbarkeit.

Jedes CDE2-Tool ist darueber hinaus mit einem "Object Navigator" ausgestattet, der in aehnlicher Form wie in "Dbase for Windows" einen schnellen, hierarchisch geordneten Ueberblick ueber die Objekte erlaubt. Die Editoren fuer Layout, Menues, Eigenschaften und Code in Forms Reports und Graphics beispielsweise werden ueber den Navigator verwaltet.

Die Designwekzeuge enthalten jeweils eine Tools-Anzeige, aus der Objekte entnommen und in ein Bildschirmformular integriert werden koennen. Die Anwendung ist mit VBX-Controls wie auch OLE-2.0- Objekten zu versehen. So kann zum Beispiel in Graphics ein Diagramm aus "Excel 5.0" uebernommen und laufend aktualisiert werden. Ist die Oracle-eigene Datenbankabfragesprache PL/SQL in den Tools wie in der Datenbank installiert, kann der Entwickler Stored Procedures und Trigger fuer Ereignisse integrieren. Dadurch ist eine schnellere Anwendungsentwicklung moeglich. Trigger lassen sich uebrigens erst seit der Version 4.5 von Forms vererben.

Durch einen grafisch orientierten Debugger wird die Fehlerbeseitigung in PL/SQL-Modulen viel einfacher - zuvor mussten die Entwickler auf Drittanbieterprodukte ausweichen. Nun lassen sich in den Code sogenannte Breakpoints und Debug-Trigger einbauen, also Start- und Stop-Punkte fuer den Debugger. Damit entspricht die Debugging-Funktion endlich dem Stand der Technik.

Der Einsatz der komplexen CDE-Tools bedarf allerdings entsprechend hoher Ressourcen. Forms alleine benoetigt in der Runtime-Version mindestens 8 MB RAM und 35 MB auf der Festplatte, in der Designer- Ausfuehrung sind es bereits 16 MB RAM und 45 MB auf Festplatte. Werden alle drei Tools, Forms, Reports und Designer, installiert, benoetigt das System mindestens 120 MB Speicherplatz auf der Festplatte. Solche Datenmengen werden nur noch auf CD-ROM geliefert, so dass ein Laufwerk vorhanden sein sollte.

Auch die kleinste Demonstra-tion der CDE-Tools erfordert ein Verbindungsmodul zu einer Datenbank. Dafuer sind nochmals 8 bis 12 MB ohne PL/SQL beziehungsweise 16 MB RAM inklusive PL/SQL notwendig. Das ist mit Sicherheit recht anspruchsvoll.

Zu kritisieren bleibt auch die Integration der Tools, sie laesst noch Wuensche offen. So muss ein Entwickler, der eine Bedienoberflaeche im Forms-Designer entwerfen will, das Tool verlassen, um die entsprechenden Datenattribute, Schriften und Farben zu bekommen. Diese befinden sich in Oracle CASE, wo sie im Dictionary untergebracht sind. Lediglich das Graphics-Tool verfuegt ueber eine Schriften- und Farbenpalette (siehe Abbildung).

Die Preise fuer die Runtime-Versionen der drei Tools bewegen sich zwischen 140 und 300 Mark. Eine Entwicklungs- und Runtime-Lizenz kostet ungefaehr jeweils das Zehnfache.