Freiberufler

Erste Hilfe bei unfairen Agenturverträgen

24.07.2013
Von 
Rechtsanwältin für IT-Verträge in Siegen.
Viele Agenturen präsentieren IT-Freelancern sehr einseitige Standardverträge. Worauf Freiberufler achten sollten und was sie unternehmen können.
Bei Verträgen mit Agenturen sollten Freiberufler auf drei Punkte besonders achten.
Bei Verträgen mit Agenturen sollten Freiberufler auf drei Punkte besonders achten.
Foto: Artem Shcherbakov, Fotolia.com

Das Projekt ist erfolgreich akquiriert, der Kunde hat sich für Sie als Freiberufler entschieden und der vereinbarte Stundensatz ist auch in Ordnung. Es bleibt nur eine Kleinigkeit: der Vertrag mit der Vermittlungsagentur. "Wir schicken Ihnen unseren Standardvertrag", heißt es freundlich von Ihrem Vermittler. Am Tag darauf finden Sie einen Rahmen- und einen Projektvertrag als PDF von 20 Seiten in Ihrem Postfach. Ausdrucken, unterschreiben
und zurück?

Moment, nicht ganz so schnell! In den üblichen Agenturverträgen lauern für Sie ernstzunehmende wirtschaftliche Risiken. Hier die drei wichtigsten Punkte, auf die Sie achten sollten:

1. Einseitige Kündigungsregelung

Gerne geben sich Agenturen ein sofortiges Sonderkündigungsrecht, falls Sie den Auftrag verlieren oder der Kunde plötzlich keine Lust mehr auf das Projekt hat. Also basierend auf Faktoren, die außerhalb Ihres Einflusses liegen. Die Konsequenz? Sie stehen von einem Tag auf den anderen ohne Projekt da und können mit der Akquise neu beginnen. Ein Verdienstausfall von mindestens einem Monat ist sicher.

Was ist also zu tun? Am besten vereinbaren Sie für beide Seiten eine ordentliche Kündigungsfrist von z. B. einem Monat zum Monatsende. Dies entspricht auch den gesetzlichen Fristen, die das BGB für Dienstverträge vorsieht. Denn vielleicht wollen ja auch Sie das Projekt einmal vorzeitig beenden.

2. Kundenschutzvereinbarung

Ein Dauerbrenner sind Kundenschutzvereinbarungen. Natürlich haben die Agenturen ein verständliches Interesse daran, die mühsam akquirierten Kunden nicht nach der ersten Projektlaufzeit an Sie zu verlieren. Hellhörig sollten Sie aber werden, wenn Ihnen beispielsweise ein Großkunde mit verschiedensten Geschäftsbereichen und Niederlassungen komplett verboten werden soll oder die vertraglich vorgesehene Vertragsstrafe den bei einem Verstoß gegen den Kundenschutz entstehenden
Schaden um ein Mehrfaches überschreitet.

Der monatlich denkbare Schaden entspricht der monatlichen Marge der Agentur auf Ihr Honorar. Eine Kundenschutzklausel sollten Sie gar nicht akzeptieren, wenn Sie den Kunden selbst akquiriert haben und die Agentur erst später als Abrechnungsstelle eingeschaltet wird.

Was können Sie bei einer überzogenen Kundenschutzklausel tun? Entweder Sie stutzen die Klausel auf ein für Sie erträgliches Maß zurecht, indem Sie beispielsweise die Dauer kürzen und inhaltlich den genauen Schutzbereich eingrenzen: z. B. Standort, Abteilung, nur das Folgeprojekt etc. Oder Sie lassen die Klausel mit einem Hinweis auf eine notwendige Karenzzahlung (siehe unten) ganz streichen. Denn solche Zahlungen sind für Agenturen wirtschaftlich nicht vertretbar.

Falls Sie es nicht schaffen, die Klausel ganz zu streichen oder auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren, lassen Sie sie lieber im ursprünglichen Wortlaut stehen. Dann sind die Chancen am größten, dass die Klausel nachträglich als unwirksam angesehen wird. Dabei gilt: Je überzogener die Klausel ist, desto eher sind Sie dadurch benachteiligt und die Klausel damit rechtlich unbeachtlich.

3. Unbegrenzte Haftung

Auch als Dienstleister müssen Sie für Ihre Fehler einstehen. Das BGB sieht grundsätzlich eine nach oben offene Haftung vor. Natürlich müssen sowohl der Fehler als auch der dadurch entstandene Schaden und Ihre Verantwortung dafür (d. h. Verschulden: Vorsatz oder Fahrlässigkeit) nachgewiesen werden. Gelingt das, haften Sie mit Ihrem gesamten Vermögen, falls Sie nicht als haftungsbegrenzte Gesellschaft, wie z. B. als GmbH, organisiert sind.

Bei Großprojekten wie im Anlagebau oder der Kfz-Industrie etc. kann ein solcher Fehler, wenn er
große Schäden verursacht, existenzvernichtend werden. Gegenüber den eigenen Arbeitnehmern ist der mögliche Schadenersatz eines Unternehmens dagegen deutlich begrenzt. Auch aus diesem Grund werden schadensträchtige Projekte gerne mit Freelancern besetzt.

Wie können Sie sich schützen? Sie sollten eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten und die vertragliche Haftung auf die Haftungshöchstsumme begrenzen. Oder zumindest auf die im Rahmen des Projekts an Sie bezahlten Nettohonorare. Außerdem können Sie die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausschließen.

Achtung: Die Haftung für Vorsatz darf nicht beschränkt werden. Als Argument für die Haftungsbegrenzung können Sie einerseits erklären, dass weder dem Kunden noch der Agentur die Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz im Schadensfall hilft und andererseits, dass der Kunde auch dann nur einen begrenzten Schadenersatz erhalten würde, wenn er das Projekt mit eigenen Arbeitnehmern ausführe.

Wenn Sie nur diese drei Punkte bei Ihrem nächsten Vertrag in Ihrem Sinne verhandeln, haben Sie Ihr wirtschaftliches Risiko entscheidend begrenzt und werden mit einer deutlich größeren Autonomie und unternehmerischen Entscheidungsfreiheit belohnt.

Karenzzahlung

Wenn Sie als „wirtschaftlich abhängig“ gelten, muss Ihnen als Ausgleich für das Kundenschutzverbot eine Zahlung in Höhe von mindestens 50 Prozent Ihres monatlichen Projekthonorars angeboten werden. Wirtschaftlich abhängig sind Sie nach neuerer Rechtsprechung, wenn Sie in Vollzeit und ohne eigene Arbeitnehmer für mindestens
sechs Monate im Projekt arbeiten, in den Betrieb des Kunden eingebunden sind und Schwierigkeiten haben, wegen des Kundenschutzes Ihre Arbeitskraft wirtschaftlich vernünftig
zu verwerten. Achtung, hier kommt es auf die Bedingungen Ihrer konkreten Situation an! (kf)

*Die Autorin Julia Gertz ist Rechtsanwältin für IT-Verträge in Siegen.

Dieser Artikel stammt aus dem IT-Freelancer Magazin.