Erste Eindruecke von Visual Foxpro 3.0 Neuer Fuchs: OO-Technik bietet Entwicklern mehr Flexibilitaet

21.04.1995

Von Michael Matzer*

Microsofts "Visual Foxpro" soll in der neuen Version 3.0 nicht nur auf Windows 3.11 und auf dem Macintosh, sondern als 32-Bit- Applikation auch auf NT 3.5 und Windows 95 laufen. Das Update der Xbase-kompatiblen Entwicklerdatenbank wurde mit zahlreichen Assistenten bestueckt und ist somit bedienungsfreundlicher und durch die integrierte Objektorientierung flexibler in den Gestaltungsmoeglichkeiten als die Vorgaengerversion geworden.

Der ueberarbeitete Fuchs wurde in seiner Benutzeroberflaeche mit Kontextmenues und konfigurierbaren Symbolleisten an MS-Office und Windows 95 angelehnt. Visual Foxpro verfuegt mit dem

"Project Manager" ueber einen sogenannten Datenbank-Container aehnlich dem Navigator von Dbase fuer Windows. Als zentrales Element fuer die Entwicklungsarbeit kann sich dieses Projektfenster aber auch wie eine Symbolleiste verhalten. Hier lassen sich die Datenbankobjekte separat auflisten und hierarchisch zu Gruppen ordnen. Im Verzeichnisbaum des Project Manager kann sich der Anwender auch noch Felder anzeigen lassen. Ein Doppelklick auf das entsprechende Symbol oeffnet das Objekt, so dass man direkten Zugang hat.

Foxpro kommt aehnlich wie Microsofts Office-Datenbank "Access 2.0" mit rund 20 Assistenten. Die "Wizards" unterstuetzen das Anlegen von Tabellen, Abfragen, Formularen und Berichten. Fuer komplexere Aufgaben steht der Pivot-Tabellen-Assistent zur Verfuegung. Digitale Helfer gibt es auch fuer die Umstellung einer lokalen Datenbank auf eine Client-Server-Architektur oder zur Analyse und Dokumentation einer fremden Anwendung.

Erstmals hat Foxpro ein vollstaendiges Data-Dictionary vorzuweisen, so dass sich eine Datenbank als Objekt behandeln laesst. Fuer Database-File-(DBF-)Dateien bedeutet dies nun auch referentielle Integritaet, die relationale Verknuepfung von Tabellen sowie Triggers. Zudem wurden neue Gueltigkeitsregeln auf Feldebene implementiert.

Alle Entwurfsansichten praesentieren sich in ueberarbeiteter Form. Die relationale Query by Example (QBE) wird vom Anwender aehnlich wie in Access bedient, das heisst, die Felder sind per Drag and drop in die Abfragemaske zu ziehen. Der Formulardesigner hat sein Vorbild ebenfalls in Access. Neu sind unter den insgesamt

17 Steuerelementen Timer-Ereignisse, OLE Custom Controls,

benutzerdefinierte Klassen sowie Registerkarten. Foxpro-Formulare koennen auf vier mausorientierte Ereignisse reagieren, um ein Programm auszuloesen: "Beim Klikken", "Beim Ziehen", "Beim Ablegen" und "Beim Focus-Erhalt".

Der Anwender kann Formatvorlagen fuer Formularelemente definieren. Die fertig entworfene Eingabemaske laesst sich sofort starten. Man muss also nicht mehr auf das Beenden einer mitunter langwierigen Genscreen-Prozedur warten. Zwischen Entwurfs- und Ansichtsmodus kann der Benutzer wechseln.

Viele Anwender von Foxpro 2.x haben Tabellenobjekte in Formularen und Berichten vermisst. Im neuen Formulardesigner (nicht aber im Report-Generator) koennen sie in der Werkzeugleiste neben sogenannten Comboboxen und Optionsfeldern auch auf Tabellenobjekte zurueckgreifen. Fuer solche Verknuepfungen stehen zwei Assistenten bereit, je einer fuer Formulare und einer fuer Berichte. Diese Trennung ist notwendig, denn anders als in Access lassen sich die Verknuepfungen nicht grafisch mit der Maus erstellen.

Der Benutzer definiert seine Custom Controls mit Hilfe des neuen Eigenschaftendialogs in den Entwurfsansichten, wobei automatisch im altbekannten Befehlsfenster die Erzeugung von Xbase-Code erfolgt. Custom Controls lassen sich als Klasse sichern, etwa fuer eine Gruppe von Formularen.

Abfrageergebnisse kann der Anwender direkt in ein Excel- Arbeitsblatt umleiten und dies als ein OLE-2.0-Objekt innerhalb von Foxpro verwenden. Auch Videoclips (im AVI-Format) und andere Multimedia-Objekte lassen sich in dem Datenbankobjekt etwa eines Formulars integrieren. Mit dieser Moeglichkeit zum Einbau von Multimedia-Anwendungen hat Foxpro einen Vorsprung gegenueber "Dbase fuer Windows", da die Borland-Datenbank in erster Linie fuer Standbilder ausgelegt ist und ausserdem nur als OLE-Client fungiert.

Foxpro 3.0 unterstuetzt im Gegensatz zu Access 2.0 die Client- Server-Technologie direkt, indem es beispielsweise den Zugang zu einem SQL Server ohne Zusaetze bereitstellt, so auch durch ODBC- Treiber. Mit einem SQL Server koennte Foxpro also in der Regel schneller zusammenarbeiten als die Datenbank-Engine von Access. In der neuen Version kann der Anwender veranlassen, dass nur ausgewaehlte Client-Server-Daten an eine Tabelle angehaengt werden. Dadurch werden Netzwerk und Arbeitsstationen gleichermassen entlastet. Auf dem Server werden keine Dateien gesperrt, so dass auch andere Nutzer gleichzeitig darauf zugreifen koennen. Das Programm erzeugt auf Wunsch automatisch ein SQL-Statement.

Laut Microsoft ist das Foxpro-Upgrade daten- und programmkompatibel zu den Vorgaengerversionen und aelteren Dbase- Programmen (ab Version 2.x). Traditionelle Xbase-Anwender muessen jedoch umdenken, da die Entwicklungssprache wie bereits in Dbase 5.0 stark mit objektorientierten Elementen durchsetzt ist. Dem OOP-Entwickler stehen nun auch Klassen, Methoden und Ereignisse zur Verfuegung.

Die Systemvoraussetzungen fuer Foxpro liegen bei rund 70 MB Festplattenkapazitaet und mindestens 8 MB Hauptspeicher. Mit der Verfuegbarkeit eines Windows-3.1-Release ist nicht vor Mai zu rechnen.

* Michael Matzer ist freier Fachjournalist in Herrsching bei Muenchen.