Erste Eindruecke von Corel Ventura Die neue Version 5.0 schliesst zum Stand moderner DTP-Technik auf

17.02.1995

Von Michael Mittelhaus*

Bewegung ist derzeit im DTP-Markt zu verzeichnen. Marktfuehrer Quark Xpress wird auf der Macintosh-Basis vom deutschen Newcomer Viva Press heftig attackiert, und nach der Aldus-Adobe-Fusion wird viel von einem neuen "Pagemaker" erwartet. Das Windows-Terrain moechte die kanadische Corel Corp. mit einem weitgehend ueberarbeiteten "Ventura 5.0" besetzen. Der DTP-Klassiker ist nach Erfolgen zwischen 1988 und 1990 mittlerweile zum Nischenprodukt geschrumpft und wurde im letzten Jahr von Corel zur Vervollstaendigung der Grafiksuite uebernommen.

Die Erwartungen an Corels Neuauflage von Ventura sind hoch gesteckt: Bisherige Staerken des Satz- und Layoutsystems sollten weiterentwickelt, Rueckstaende zur Konkurrenz ausgeglichen und darueber hinaus noch moeglichst viele neue Features integriert werden.

Als Domaene der Software erwies sich bislang der Mengen- und Werksatz, die Herstellung von Tabellen und Formularen sowie speziell das Database Publishing. Als Schwachstellen galten Farbverarbeitung, Bildintegration, Schriftverwaltung und die Flexibilitaet des Layouts.

Die Loesung dieser Probleme ist in der zur Zeit verfuegbaren amerikanischen Version sehr unterschiedlich gelungen. Ausgebaut wurde zum Beispiel eine bekannte Ventura-Spezialitaet: Mit den Zusatzprodukten "Corel Query" und "DB-Editor" koennen Tabellen aus Kalkulationsprogrammen oder Datenbanksaetze komfortabler in Satz und Layout eingefuegt und ueberarbeitet werden.

Im Mengensatz ziehen allerdings deutschsprachige Anwender den bisherigen Dieckmann-Algorithmus der neuen Silbentrennung nach Houghton-Mifflin vor, zumal Probleme bei der Uebernahme von Altmaterial ins Haus stehen. Die Umbruchgeschwindigkeit ist eher schlechter geworden. Der neue Formel-Editor plaziert Formelsymbole per Maus. Das ist fuer den Gelegenheitsanwender praktisch und einfach, der Profi trauert jedoch der bisherigen satztechnischen Loesung ob ihrer Produktivitaet nach.

Ventura hat einen geschickt integrierten Konturensatz erhalten. Alle Objekte koennen in 0,1-Grad-Schritten rotiert werden; fuer Strich- und Rastergrafiken entfaellt die bislang aufwendige Konvertierung in Ventura-eigene Bildformate. Im Bild- wie im Textbereich stehen jetzt alle bekannten Im- und Exportfilter zur Verfuegung - kein Layoutprogramm ist hier flexibler. Texte selbst koennen flotter im neuen Editor-Modus erstellt und ueberarbeitet werden. Durch den Wegfall der umstaendlichen Dickten-Tabellen stehen alle im Windows-System installierten Schriften direkt zur Verfuegung. Neu ist ein Kern-Editor, um Unterschneidungswerte einzugeben und in Tabellen abzuspeichern.

Die "Quick-Format"-Menues bieten Layoutschemata zur Auswahl durch Mausklick an und erleichtern gerade Einsteigern die Arbeit mit dem rahmenorientierten Satzprogramm. Sehr praktisch ist der seit Version 4.2 erweiterte Einsatz der rechten Maustaste. Mit ihr kann kontextabhaengig auf umfangreiche Objektbearbeitungen zugegriffen werden. Die Separation farbiger Bestandteile einer Seite erfolgt mit einem komplett neuen Druckmodul. Es ist identisch mit der Ausgabe aller anderen Corel-Programme, wobei die in Corel Draw 4.0 noch vorhandenen Probleme bei der Farbtrennung fuer den Offsetdruck geloest wurden. Color-Management-Systeme sind deutlich teurer als das Ventura-eigene Farb-Management, professionellen Anspruechen koennen beide noch nicht genuegen.

Bisher unbekannt auf dem Layoutmarkt war die mit Ventura 5.0 angebotene Farbvielfalt fuer alle Objekte. Corel hat diesen Teil der Grafik-Engine von Corel Draw komplett in den Ventura integriert. Fuer das Layout stehen beliebige Farbkombinationen aus der Euro- und Pantoneskala zur Verfuegung, mittlerweile vier verschiedene Verlaufsformen sowie eine hohe Zahl an mehrfarbigen und oft fotorealistischen Fuellmustern. In den Ventura integriert wurde ein verbessertes "Corel Mosaic", mit dem die als Thumbnails angezeigten Dateien per Drag and drop in das Layout gestellt werden. Ventura arbeitet dabei als OLE-2-Client. Bisherige Draw- Anwender koennen sich aufgrund der stark angenaeherten Oberflaechen leichter im Ventura zurechtfinden und ihre in Draw 5.0 abgespeicherten CDR-Dateien direkt einlesen.

Viele der in Ventura 5.0 durchgefuehrten Neuerungen koennen noch nicht ueberzeugen. Konturensatz und Druckausgabe sind zu langsam, andere Funktionen wie etwa Druckvorschau, Sonderzeichen-Rollup und Drag-and-drop-Technik verweigern stellenweise die Arbeit oder fuehren zu Systemabstuerzen. Angesichts der gehaeuften Kritik hat Corel nun offenbar die Notbremse gezogen: Das Erscheinen der deutschen Version wurde von Ende Januar auf Maerz verschoben. Als Zielgruppe zeichnen sich in erster Linie die Anwender der Corel- Produktpalette ab, die, sofern sie in Besitz von Version 5 sind, ihre Grafiksuite kostenlos um das DTP-Programm ergaenzen koennen.

Ventura-Tip

Nach der Ueberarbeitung durch Corel entspricht der Ventura 5.0 dem technischen Stand moderner DTP-Programme. Unuebertroffen ist die neue Farbvielfalt und naturgemaess die enge Zusammenarbeit mit anderen Corel-Produkten. Dennoch: Bisherigen Ventura-Nutzern ist ein Update nur dann zu empfehlen, wenn sie die neuen Features unbedingt benoetigen. Anwender von Quark Xpress oder Pagemaker werden trotz eines guenstigen Umstiegsangebots (400 Mark) nur bei Spezialanwendungen Produktivitaetsvorteile finden.

Die Hardwarevoraussetzungen fuer eine effektive Arbeit mit Ventura 5.0 liegen im Bereich eines Pentium-PCs mit 16 MB RAM und PCI- Grafikkarte. Der Preis fuer die Corel-Grafiksuite soll ungefaehr 1000 Mark betragen, der fuer Ventura alleine 600 Mark.

* Michael Mittelhaus ist freier Fachjournalist in Ochtrup.