Erste Eindruecke von ABC Graphics Suite fuer Windows 95 Micrografx setzt voll auf eine Integration in Microsoft Office

22.09.1995

Von Michael Matzer*

Mit der Buendelung von Grafikanwendungen in der "ABC Graphics Suite" will Micrografx der kanadischen Konkurrenz von Corel Paroli bieten. Den Texanern geht es vor allem darum, das MS-Office- Spektrum um eine Grafikloesung zu erweitern und auf diesem Weg branchenuebergreifend das Buero zu erobern. Nicht nur die Sammelmappe von Office wird unterstuetzt, genutzt werden auch alle Vorteile der Windows-95-Umgebung.

Die ABC Graphics Suite besteht aus vier Hauptkomponenten: Sie umfassen die Erstellung von Fluss- und Organisationsdiagrammen, Illustrationen und Zeichnungen, die Verwaltung von Grafiken und die Bildbearbeitung. Ergaenzt werden die ehemals als Stand-alone- Versionen bekannten und nun gebuendelten Programme "ABC Flowcharter" (Diagramme), "Designer" (Illustration) und Picture Publisher (Bildbearbeitung) - alle jetzt mit der Versionsnummer 6.0 - durch den "ABC Media Manager 6.0", der Grafiken und Photos verwaltet und zudem rund 30000 Cliparts und Schriften bietet.

Zu den vier Basisprogrammen kommen zwei weitere Module:

"Snap Graphics 2.0" erlaubt die schnelle "Zwischendurch"- Erstellung von anschaulichen Diagrammen und ist nun in den Flowcharter integriert. Zudem hat Micrografx fuer eine 3D- Visualisierung gesorgt. Ueber ein Lizenzabkommen mit Visual Software wird die Komponente "Instant 3D" in die Suite aufgenommen, so dass sich bei Bedarf Texte und Grafikobjekte dreidimensional darstellen lassen.

Besondere Bedeutung fuer den Graphics-Suite-Anwender haben OLE 2.0 und der Office Binder. Da die ABC-Anwendungen sowohl an die Windows-95-Oberflaeche als auch an die Office-Umgebung angepasst und per Symbol in Word und Excel integriert sind, besteht mit OLE 2.0 die Moeglichkeit, Dokumente zwischen den Office- und den Suite- Anwendungen hin- und herzuziehen.

Die OLE-Automation erlaubt nicht nur das In-place-Editing eines Objekts innerhalb eines Fremdprogramms mit den Funktionen des Quellprogramms, sondern auch die Moeglichkeit, Anwendungen wie den Flowcharter fuer die eigenen Anforderungen anzupassen. Das kann zwar bedeuten, dass bestimmte Funktionen etwa aus Sicherheitsgruenden gekappt werden muessen, andererseits erlauben die Schnittstellen, dass sich vom Entwickler beispielsweise VBX- Steuerelemente in ein Suite-Programm einbauen lassen.

Ueber den Office-Binder kann ein Architekt oder Ingenieur, der im Designer eine Autocad-Zeichnung aufbereitet und im Flowcharter ein Projektdiagramm erzeugt hat, alle Dateien einbinden, die fuer die Praesentation eines Angebots notwendig sind. Eine Werbeagentur koennte im Picture Publisher Fotos eines Kunden aufbereiten, diese in Word-Dokumente einfuegen, eine Excel-Tabelle addieren und das alles in den Binder oder eine Powerpoint-Praesentation integrieren.

Die Weiterentwicklungen der Suite-Komponenten beschraenken sich auf wenige Bereiche. Im Picture Publisher lassen sich nun auch AVI- (Video) und JPEG-Dateien oeffnen, die Twain-Schnittstelle fuer Scanner wird unterstuetzt. Wie in allen Modulen ist ein Task Browser integriert, der dem Anwender zeigt, welche Prozeduren ablaufen und wie weit sie jeweils fortgeschritten sind. Der neue Media-Manager stellt ein Bildarchiv mit Suchfunktion dar, das der Benutzer fuer Grafikdateien aller verbreiteten Formate verwenden kann.

Die Konkurrenzsituation fuer die Graphics-Suite laesst derzeit noch einigen Spielraum fuer Spekulationen. Zahlreiche Grafikhersteller, genannt sei hier nur Visio, setzen aehnlich wie Micrografx sehr stark auf die Office 95. Bei Corel dagegen entsteht der Eindruck, dass mit Coreldraw 6.0 eher Distanz zur Microsoft-Umgebung angestrebt wird, um so eventuell das eigene Profil zu staerken.

Das Corel-Produkt unterstuetzt zum Beispiel nicht die Office- Sammelmappe. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass Teile von Draw in Corels eigener, fuer den Spaetherbst geplanten Office-Loesung auftauchen werden. Somit hat Micrografx guenstige Voraussetzungen. Das Einvernehmen mit Microsoft koennte sich als "Winning-Point" erweisen.

Die Suite in Zahlen

Die Systemvoraussetzungen fuer die Graphics-Suite werden folgendermassen angegeben: mindestens 486DX/33-Prozessor, Windows 95 oder eine NT-3.51-Workstation, 8 MB RAM (16 MB empfohlen), CD- ROM-Laufwerk (Doublespeed) und nach Moeglichkeit ein 17-Zoll- Monitor. Die Installation erfordert zwischen 35 und 80 MB, je nachdem, ob alle Grafiken und Schriften gewuenscht werden. Da allein die Office 95 mit rund 50 bis 100 MB zuschlaegt, sollte eine grosse Festplatte vorhanden sein.

Da der Hersteller seine Suite direkt gegen Coreldraw 6.0 und deren Grafikkomponenten positioniert, hat sich Micrografx zu einem aggressiven Marketing entschlossen: Das Update kostet 300 Mark, das Vollprodukt 800 Mark. Die ab November in deutscher Version erhaeltliche Suite wird nur auf CD-ROM ausgeliefert.

* Michael Matzer ist freier Fachjournalist in Herrsching bei Muenchen.