Wie gut ist Standardsoftware wirklich?

Erst mit den Releases kommt die Reife

25.06.1982

MÜNCHEN - Von Zeit zu Zeit kündigen Softwarehäuser neue Versionen ihrer Standardsoftware-Produkte an. Dem Anwender stellt sich hierbei oft die Frage, ob denn seine schon in Betrieb befindliche Software dadurch wertlos wird oder ob er nur einem marktpolitischen Trick aufgesessen ist.

"Releases werden bestimmt nicht zum Selbstzweck erstellt", meint Jürgen Fuchs, Geschäftsstellenleiter Rhein-Main des EDV-Studio Ploenzke. Er ist der Meinung, daß sich der Softwarehersteller den Anforderungen des Marktes stellt, die sich erst mit Einsatz eines Paketes zeigen. Marktpolitische Erwägungen spielen eine gewisse - wenn auch untergeordnete - Rolle, gesteht Herbert Strauß, Geschäftsführer der DSU Unternehmensberatung GmbH & Co. KG aus Weingarten. Den Hauptgrund allerdings sieht Strauß in Veränderungen der Hardware-Umgebung. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist seiner Meinung nach die Verbesserung der Software und die Erweiterung der Pakete auf andere Betriebs- und Datenbanksysteme. Daß sich der Software-hersteller im Dialog mit dem Markt befindet, meint auch Jürgen Fuchs. Für ihn gibt es drei Gründe, ein neues Software-Release auf den Markt zu bringen: die Anwenderanforderung, signifikante Änderungen der Hardwaretechnologie und der Betriebssysteme und neue gesetzliche Regelungen, die in die Standardpakete eingebaut werden müssen.

Änderungen, so Fuchs, würden auch in zunehmendem Maße von Benutzerorganisationen an das Softwarehaus herangetragen. "Mit zunehmender Installation einer Software versucht man, Erfahrungen, die gewonnen werden, einzubauen", meint Rotger H. Greve, Geschäftsführer der Greve, Kappmeyer & Graeber Unternehmensberatung aus Saarbrücken. Fehler und Schwächen, die das System in der ersten Phase aufweise, könne man auf diese Art und Weise ausbügeln, erläutert Greve. Das Release 0.0, so sein Rat, sollte der Anwender auf keinen Fall kaufen.

Die Modularität der heutigen Programme bedinge zudem vielfach eine Änderung an der Basis, sollen neue Moduln eingesetzt werden. Dr. Friedhelm Rieke, Geschäftsführer der IFA AG, Düsseldorf, unterscheidet zwischen Versionen für Systemsoftware und Anwendungssoftware.

Bei der Systemsoftware sieht er marktpolitische Erwägungen genauso wie Anpassungsbestrebungen an ein verändertes Umfeld, daß durch neue Technologien hervorgerufen wird. Anwendungssoftware, so Rieke, lebe aus den Installationen heraus. Neue Erkenntnisse fließen dann in die Weiterentwicklungen ein. Auch er empfiehlt bei ganz neuer Software eine abwartende Haltung.

Eine Verkürzung der Zeiträume zwischen den verschiedenen Versionen eines bestimmten Produktes beobachtet der Düsseldorfer Geschäftsführer. Dies resultiere aus der enorm gestiegenen Anzahl der Installationen und einer schnelleren Rückkoppelung aus dem Markt.

Den Kontakt mit den Kunden erachtet Gerhard Weger, Geschäftsführer der DUR GmbH aus Essen, als wichtig für die Verbesserung der angebotenen Programme. Daß Releases aus marktpolitischen Gründen herausgebracht werden, möchte Weger nicht glauben. "Gerade im Standard-software-Bereich", so meint er, "ist es bei den durch den harten Wettbewerb minimierten Deckungsbeiträgen nicht mehr möglich, allein aus politischen Gründen solche Vorleistungen zu bringen."