Technologie allein bringt keinen Wettbewerbsvorteil

Erst durch die richtige Planung wird CIM-Einsatz wirtschaftlich

18.05.1990

Computer und Automation machen noch keine wettbewerbsfähige Fabrik. Doch für CIM als Ansatz ist kein Geld da. Die Wirtschaftlichkeit sei ohnehin in Frage gestellt. So lautet überwiegend die Meinung der deutschen Fertigungsindustrie. Dabei wird nach Ansicht von Günter Conrad* das Potential der Reserven in der Fertigung meist übersehen.

Der größte Stolperstein für die Einführung von CIM ist, daß die dafür nötigen Investitionen viel zu hoch angesetzt werden. Denn meist werde an die aktuellen, nicht vereinfachten betrieblichen Abläufe angeknüpft. Auch müßten die für CIM nötigen Investitionen immer noch nach bekannten betriebswirtschaftlichen Strickmustern gerechtfertigt werden. Dieser Ansatz funktioniert erfahrungsgemäß nicht. Der potentielle Nutzen wird als höchst unsicher angesehen und daher von vornherein stark in Frage gestellt.

Durch die Technologie allein lassen sich in den Fabriken keine Wettbewerbsvorteile erzielen. Dazu sind unsere Fabriken zu kompliziert strukturiert und die Produkte zu detailliert gestaltet. Die Industrie hat zu viel an falscher Stelle investiert. Sie hat viel automatisiert, ohne sich

ausreichend Gedanken über eine langfristige Gesamtstrategie sowie vereinfachte Prozesse und Abläufe gemacht zu haben.

Unternehmen rechnen nur in Einzelinvestitionen und wundern sich dann, daß der erhoffte Nutzen nicht herauskommt. Bei der Beurteilung der Kosten muß vielmehr der Wert einer Investition daran gemessen werden, wieviel diese zur Flexibilität, zur Qualität und zu den Produktionskosten beiträgt, anstatt nur auf ein "Return on Investment" zu sehen. Die verschiedenen Investitionen und Aktionen dürfen nicht einzeln bewertet sondern müssen im Gesamtzusammenhang gesehen werden, um Synergie- und Integrationseffekte zu erzielen.

Potentiale in der Fertigung, werden zu wenig genutzt

Während sich immer stärker globale Märkte entwickeln, glauben viele Unternehmen, mit besserer Qualität einen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern zu haben. Doch dies ist nur ein kurzfristiger Ansatz. Manche ausländische Wettbewerber haben diese Lücke bereits geschlossen. Viele Unternehmen ignorieren brachliegendes Potential in der gesamten Fertigung als hocheffiziente Waffe im Wettbewerb.

Die Japaner verwenden großes Engagement darauf, Produktionsprozesse mit geringerer Komplexität anzustreben, bevor sie automatisieren. Im Gegensatz dazu versuchen die Europäer und Amerikaner, ihre komplizierte Ablauforganisation in ein CIM-Konzept zu zwängen. Die Folge: ein übermäßiger Kostenaufwand, dessen Rechtfertigung zwangsläufig im Sperrfeuer des Finanz-Managements hängenbleiben muß.

Damit CIM-Konzepte wirtschaftlich überhaupt möglich werden, muß man sämtliche Abläufe zunächst neu überdenken. Denn die meisten dieser Vorgänge sind historisch gewachsen und wurden bisher von niemandem in Frage gestellt.

Integration und Automation

Nach dem Motto "Alles Komplizierte ist falsch" sollte man als erstes sämtliche Abläufe vereinfachen, damit eine spätere Automation überhaupt kostengünstig möglich wird. Die Vereinfachung beginnt bei der Produktgestaltung, der Verkürzung der Rüstzeiten und Transportwege und der Einführung von JIT-Konzepten (Just-in-Time). Vereinfachen setzt aber auch zwingend den Abbau hierarchischer Schranken im Unternehmen voraus Erst dann macht eine weitere Automation Sinn.

Als letzter Schritt folgt die informationstechnische Integration, deren Kostenaufwand über die zuvor erzielten Einsparungen getragen wird.

Betriebliche Abläufe zunächst zu vereinfachen, erst dann zu automatisieren und schließlich informations- und datentechnisch zu integrieren ist der grundsätzliche Weg zum Erfolg für viele Unternehmen. Nur so lassen sich bei steigendem Kostendruck und geringen Margen die zusätzlichen finanziellen Aufwendungen in den Griff bekommen.

Der Wechsel vom traditionellen Fabrikationskonzept hin zu Just-in-Time mit einer bedarfsorientierten Fertigung bei optimiertem Ablauf setzt enorme Potentiale frei. Obwohl Just-inTime die am wenigsten technisch ausgeprägte Stufe von CIM darstellt, bewirkt diese Veränderung die größten Einsparungen:

- rund die Hälfte weniger Rohmaterial auf Lager,

- etwa 70 Prozent weniger Halbfertigteile,

- wegen schnellerer Durchlaufzeit 30 bis 50 Prozent geringere Fabrikfläche,

- 75 Prozent weniger Umrüstzeiten,

- rund zehn bis 20 Prozent Einsparungen an direkten Arbeitskosten,

- 30 bis 50 Prozent weniger Overhead und

- eine um 70 bis 90 Prozent geringere Ausschußrate

Vereinfachen setzt vor allem den Willen zum Umdenken im

Unternehmen voraus und bedingt eine Organisation mit erheblich weniger Management-Ebenen. Nur so läßt sich eine Kommunikation mit kurzen Entscheidungswegen erzielen. Hier liegt auch der zentrale Ansatzpunkt für den späteren Erfolg von CIM.

Es verwundert nicht, daß der klassische Taylorsche Ansatz der Arbeitsteilung nicht mehr ins Bild moderner Unternehmen paßt. Erhoffte Ergebnisse, wie etwa hohe Marktflexibilität, geringe Bestände oder kurze Durchlaufzeiten, lassen sich in der heutigen Zeit mit relativ niedrigem "direkten Lohnanteil" an den Gesamtproduktionskosten nicht mehr nach diesem klassischen Ansatz verwirklichen. Denn kaum einer der erhofften Effekte ist eingetreten. Statt dessen bewirkt der Taylorismus hohe Kapitalbindung in Einbahnstraßen-Technologien. Kaum nennenswert geringer sind die Bestände und kaum größer die Automation. Für die Hochindustrialisierung ist der Taylorismus zu teuer geworden Er ist der Feind kurzer Durchlaufzeiten und erzeugt unsinnige Kontrollinstanzen und Hierarchien.

*Günter Conrad ist Geschäftsführer der Münchener Niederlassung der Andersen Consulting.