ERP wird spezieller – und umfassender

02.06.2006
SAP ist der unangefochtene Marktführer im ERP-Bereich. Er gibt die Richtung vor und baut sein ERP-System mit Netweaver zu einer Integrationsplattform mit zunehmendem Funktionsumfang aus. Ohne SAP geht bei den deutschen Großunternehmen heute nichts mehr. Doch im Mittelstand und in spezialisierten Branchen tobt noch der Kampf der ERP-Wettbewerber um jeden einzelnen Kunden.

Es sind nur drei Buchstaben, doch sie beherrschen den Markt: SAP. Bei den Großunternehmen sind es fast hundert Prozent, bei großen Mittelständlern setzen ebenfalls viele IT-Leiter auf die Walldorfer ERP-Lösungen. Doch genaue Marktzahlen über die Anzahl der Installationen gibt das Unternehmen nicht heraus (siehe Marktübersicht „Knallharter Verdrängungswettbewerb“). Für viele CIOs, die SAP einsetzen, ist es eine Art Hassliebe, wie eine exklusive Umfrage des „Computerwoche“-Schwesterblatts „CIO“ vor einiger Zeit ergab.„Bei dem Gedanken an die Macht von SAP und die Abhängigkeit, in die wir dadurch geraten, ist uns nicht immer wohl“, sagte der Geschäftsführer und CIO eines großen deutschen Logistikkonzerns damals. Vor allem die Lizenz- und damit verbunden die Informationspolitik macht vielen CIOs das Leben schwer.„Als wirklich gut, aber zu teuer“, bezeichnete ein anderer ITChef die Produkte aus Walldorf.

Spezieller und umfassender

Weit verbreitet ist dabei die Ansicht, SAP sei ein Moloch, der den Unternehmen zwar dabei hilft, ihre Geschäftsprozesse abzudecken, der sie aber gleichzeitig auch zu einem hohen Grad beschäftigt. Diese skeptische Haltung machen sich die Wettbewerber zunutze. Vor allem im Mittelstand gibt es zahlreiche Branchenanbieter wie das von Microsoft aufgekaufte Navision und das ebenfalls von dem US-Software-Haus stammende Produkt Dynamics AX (ehemals Axapta.) Die glaubwürdigen Berichte über komplexe und aus dem Ruder gelaufene SAP-Installationen, die vereinzelt Firmen sogar in den Ruin getrieben haben, sind legendär und schrecken immer noch viele Firmeninhaber im Mittelstand ab. Der Misserfolg eines ERP-Projekts kann für ein kleineres Unternehmen schnell existenzbedrohende Konsequenzen bedeuten. Zudem können und wollen sie sich viele teure Beratertage nicht leisten. Kurze Projektlaufzeiten und geringe Gesamtkosten sind deshalb hier am wichtigsten.

In vielen mittelständischen Firmen werkeln derzeit noch Eigenentwicklungen vor sich hin oder arbeiten ehemalige Standardsysteme, die sich durch konsequente Anpassung an die Unternehmenserforderlichkeiten inzwischen weit vom Standard entfernt haben.

Auch wer eine spezielle Branchenlösung sucht, schaut sich gern außerhalb von SAP um. Doch die SAP-Verantwortlichen versuchen mit zahlreichen Kooperationen, Eigenentwicklungen und Firmenaufkäufen möglichst viele der noch bestehenden Nischen schnell zu besetzen. So gibt es etwa spezielle ERP-Lösungen für viele Branchen bis hin zu Ver- und Entsorgern, wie etwa die städtische Müllabfuhr oder auch die Öl verarbeitende Industrie.

Mehr Geld für Firmen-Software

19 Prozent der von den Marktforschern der Experton Group befragten Unternehmen wollen 2006 mehr Geld für ERP-Software ausgeben, während zehn Prozent sinkende Budgets vermelden und bei 68 Prozent Konstanz vorherrscht. Große Wachstumsraten wie in der Vergangenheit erwarten die Marktbeobachter im ERP-Bereich jedoch nicht mehr. IDC schätzt das Marktvolumen auf weltweit rund zwei Milliarden Dollar in diesem Jahr für Lizenzen und Wartung; das ist ein Plus von 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gespeist vor allem aus dem Geschäft mit dem Mittelstand. Konsolidierung, Effizienzsteigerung und Internationalisierung lauten hier die drei Hauptforderungen der mittelständischen Klientel. „Den Kampf um diese Kunden werden die Anbieter gewinnen, die eine standardisierte und leistungsfähige Lösung zu einem kleinen Preis mit dem richtigen Vertriebsmodell vermarkten“, fasst IDC-Experte Frank Naujoks zusammen. Die Akzeptanz der Nischenanbieter mit Branchenkompetenz hänge auch davon ab, inwieweit es ihnen gelingt, offene Schnittstellen zu den Systemen anderer Anbieter zur Verfügung zu stellen, um so die Integration in die Unternehmens-IT zu vereinfachen. SAP hat es mit der Einführung von Netweaver vorgemacht.