ERP II - die nächste Generation klopft an

12.05.2007
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

ERP II: Webkonforme Basisarchitekturen

Die IT-Leiter reichen diese Forderungen direkt an die ERP-Anbieter weiter. "Wir haben eine einheitliche, integrierte Lösung gesucht, die eine hohe Standardfunktionalität mitbringt, flexibel ist und darüber hinaus Möglichkeiten für eigene Entwicklungen bietet und trotzdem die Update-Fähigkeit behält", berichtet IT-Leiter Sayer.

"Die IT muss das Geschäft besser verstehen", fordert IDC-Analyst Rüdiger Spies. Das betreffe insbesondere die ERP-Anwendungen, die als Brückenglied zwischen IT- und Business-Seite dienten.
"Die IT muss das Geschäft besser verstehen", fordert IDC-Analyst Rüdiger Spies. Das betreffe insbesondere die ERP-Anwendungen, die als Brückenglied zwischen IT- und Business-Seite dienten.

Die Hersteller bemühen sich indes, die gestiegenen Ansprüche ihrer Klientel mit einer neuen ERP-Generation zu erfüllen. Die Lösungen, die branchenintern oft unter dem Schlagwort "ERP II" zusammengefasst werden, zeichnen sich den Anbietern zufolge durch offene, Web-konforme Basisarchitekturen, Plattformunabhängigkeit sowie ein hohes Maß an Flexibilität, Serviceorientierung, Skalierbarkeit und Interoperabilität aus (siehe auch: ERP II - die Zukunft hat erst begonnen).

Spies zufolge sind die Unterschiede zwischen den beiden ERP-Generationen allerdings eher gradueller als prinzipieller Natur. Während die alten Applikationen in aller Regel unternehmensintern ausgerichtet sowie meist monolithisch und geschlossen aufgebaut waren, müssten die neuen Systeme unternehmensübergreifende Prozesse besser in den Griff bekommen.

"Um dies zu gewährleisten, haben etliche Softwareanbieter in den vergangenen Jahren gewaltige Anstrengungen auf sich genommen", berichtet der IDC-Analyst. Viel Geld sei dabei in die Entwicklung eigener Infrastrukturprodukte geflossen. Dabei habe sich das Web-Interface zur Standardschnittstelle zum Nutzer entwickelt, und der ERP-Kern sei weiter herunter auf die Infrastrukturebene gerutscht. Auf Basis dieser Architekur seien die Anbieter nun in der Lage, die Business-Module in immer kleinere Servicekomponenten aufzulösen. Damit verschwinde jedoch auch der Workflow, der in den größeren monolithischen Systemen vorgegeben war und das eigentliche Know-how der ERP-Anbieter ausgemacht hatte.

ERP III wirft Schatten voraus

Nach Einschätzung von IDC-Analyst Rüdiger Spies wird sich der künftige ERP-Wettbewerb hauptsächlich im Bereich der Informationsplattformen abspielen. Während sich die Anbieter in der Vergangenheit in erster Linie um die Dynamisierung der Infrastrukturplattformen und aktuell um die Dynamisierung der Applikationsplattformen kümmerten, gehe es in Zukunft um dynamische Informationsplattformen. "Die Information als Asset für das Unternehmen rückt mehr und mehr in den Blickpunkt."

"Diesen zu erhalten ist für die Hersteller die große Herausforderung", meint Spies. Dazu fänden sich meist Workflow-Engines in der Infrastruktur der einzelnen Anbieter. Damit gelinge es, das Know-how auch auf Basis einer neuen Architektur zu erhalten und die ERP-Komponenten als Services aus der Middleware-Schicht heraus zu steuern.

Zwar lasse sich diese neue Service-orientierte Softwarewelt bislang kaum in der Realität bewundern, bemerkte der Analyst. Allerdings dürfte der Paradigmenwechsel weitreichende Folgen für das gesamte ERP-Ökosystem haben, so seine Prognose. Schließlich müssten die Hersteller ihre Architekturen so offen gestalten, dass sich andere Anbieter mit ihren Komponenten leicht in die Plattformen einklinken könnten. Spies geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass sich der Druck auf die etablierten ERP-Anbieter erhöhen wird. Es werde beispielsweise für Anbieter von Open-Source-Komponenten einfacher, mit entsprechenden Angeboten in die geöffneten Plattformen einzudringen. Diese Hintertür könnte zudem eine Reihe neuer beziehungsweise altbekannter Anbieter auf den Plan rufen, beispielsweise IBM, die sich eigentlich schon vor Jahren vom Applikationsgeschäft verabschiedet hatte. Wenn die Serviceabteilung des Konzerns zum Beispiel eine bestimmte SOA-Applikationskomponente für eine Reihe von Kunden entwickle, sei es ein Leichtes, daraus ein Produkt zu machen und dieses breit im Markt anzubieten.