Zwischen Jinshui und Guanxi

ERP-Einführung in China

08.03.2013
Von Eberhard Hoffmann

Die ERP-Auswahl

Die Einführung eines globalen ERP-Systems mag für viele Konzerne auf den ersten Blick als beste Lösung erscheinen. Allerdings sollte man die Probleme nicht außer Acht lassen.
Die Einführung eines globalen ERP-Systems mag für viele Konzerne auf den ersten Blick als beste Lösung erscheinen. Allerdings sollte man die Probleme nicht außer Acht lassen.
Foto: Hoffmann/ABiC

Funktionale Anforderungen: Pflichtenhefte sind in China weit weniger üblich als in Deutschland. Der erste Schritt bei der Auswahl des richtigen ERP-Systems ist es, die Kernfunktionen festzulegen, die nötig sind, um den Anforderungen des Unternehmens gerecht zu werden. Ein klares Verständnis dieser Anforderungen muss dabei allerdings vorausgesetzt werden. Als nächsten Schritt sollten Unternehmen potenzielle Anbieter kontaktieren, um sich eine Präsentation der Software geben zu lassen.

Prozesse: Multinational tätige Unternehmen favorisieren oft zentrale Systeme. Sie hoffen, dadurch konzernweit gültige Prozesse etablieren zu können. Für die ERP-Einführung in China ist jedoch sowohl eine zentrale als auch eine dezentrale Strategie möglich. Dezentral bedeutet eine Standalone-Installation. Sie bedingt allerdings nicht unerhebliche Aufwendungen, die das Budget von jungen Unternehmen oft überfordern. Als Interimslösung ist die Implementierung eines separaten lokalen Sys-tems in China möglich, wobei jedoch die Konzernstandards weitestgehend eingehalten werden müssen.

In jedem Fall müssen sowohl die lokalen gesetzlichen Anforderungen berücksichtigt werden als auch die Anpassungen aus notwendigen Prozessabweichungen der chinesischen Firma gegenüber den Konzernabläufen. Oft werden diese notwendigen lokalen Anpassungen nicht beachtet, sondern der chinesischen Tochter wird aus Termin- und Kostendruck das Konzern-Template aufgezwungen. Das resultiert meist aus unzureichenden Kenntnissen der lokalen Gegebenheiten und kann zu Inakzeptanz bei den lokalen Mitarbeitern führen. Die Richtlinie "Das machen wir in der Muttergesellschaft auch so" darf nur angewendet werden, wenn dies zu keinen Brüchen mit den lokal notwendigen Abläufen führt.

Systemlandschaften: Daneben ist auch die Datenkommunikation wichtig. Der Informations- und Datenaustausch zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft muss stabil, zuverlässig und schnell funktionieren. Oft beklagen die lokalen Manager, dass diese Voraussetzungen nicht gegeben sind. In die Planung müssen deshalb die technischen Anforderungen, das Volumen des Datenaustauschs, die Zahl der User und nicht zuletzt Sicherheitsaspekte einfließen.

Consultants: Neben der Evaluierung der technischen Möglichkeiten des ERP-Systems kommt der Auswahl der Berater eine entscheidende Bedeutung zu. Die Qualifikation der Berater in den Bereichen Human Resources, Financial Accounting und Supply Chain ist meist zufriedenstellend, während es in den Bereichen Planung und Produktion nicht selten an grundlegenden Kenntnissen und mehr noch an der Erfahrung mangelt.

Ein qualifizierter Berater sollte mehrjährige einschlägige Erfahrung in China und mehrere erfolgreich eingeführte Projekte nachweisen können. Erfahrung ist der Schlüssel, weil die Berater die Anforderungen des Unternehmens genau erfassen und in der Systemkonfiguration umsetzen müssen. Wegen der hohen Fluktuation sollten die Projektbegleiter für die gesamte Laufzeit zur Verfügung stehen. Unternehmen sollten Abstand von Anbietern nehmen, die für das Projekt Übersetzer einsetzen wollen. In der Praxis führt das oft zu Schwierigkeiten, da die Übersetzer mit der verständlichen Übertragung komplexer Sachverhalte meist überfordert sind.

Live-Präsentation und Referenzen: Die ausgewählten Anbieter müssen die gestellten Anforderungen im ERP-System live präsentieren und erklären können. Eine Folienpräsentation ist inakzeptabel. Der abschließende Schritt in der Auswahl des richtigen Lieferanten zur Einführung des ERP-Systems ist ein gründlicher Referenz-Check. Der Anbieter muss dafür mehrere geeignete Kundenreferenzen nennen können.

Folgende Fragen sollten die Verantwortlichen dabei auf dem Schirm haben:

  • Wie effizient sind die bereitgestellten Lösungen des ERP-Systems für die wichtigsten Controlling-Anforderungen der Firma?

  • Welche materiellen und immateriellen wirtschaftlichen Vorteile lassen sich durch Benutzung des ERP gewinnen?

  • Ist es den Beratern in allen Aspekten gelungen, das Unternehmen während des Projekts geschickt zu führen? Warum beziehungsweise warum nicht?

  • Im Hinblick auf die Unterstützung: Reagiert der Anbieter schnell auf seitens des Unternehmens gemeldete Probleme?

  • Wie zufrieden ist die Firma mit der Professionalität und Problemlösungsfähigkeit des Anbieters?

Eine hohe Zufriedenheit spricht für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Anbieter imstande sein wird, die gleichen Leistungen in künftigen Projekten zu wiederholen. Jedoch sollten sich Unternehmen beim Referenz-Check in China nicht von dem Anbieter täuschen lassen. Im Rahmen der Überprüfung von Referenzen sollte man sich des Beziehungsfaktors "Guanxi" bewusst sein. In einigen Fällen wird ausschließlich von positiven Ergebnissen berichtet, was jedoch mehr auf die enge Beziehung zwischen Anbieter und Kunde schließen lässt. Ein Weg zu objektiven Informationen führt darüber, den Kunden zu bitten, im Detail zu erklären, wie das ERP-System die Unternehmensanforderungen erfüllt hat.