System-Management/Integration von Webshops auf dem Prüfstand

ERP-Anbieter rüsten ihre Lösungen mit Verkaufstresen aus

14.04.2000
Internet-Shops, virtuelle Marktplätze und Portale gewinnen im Geschäftsleben zunehmend an Bedeutung. Fast alle Anbieter von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware für den Mittelstand haben demzufolge offiziell auch Lösungen für den E-Commerce im Sortiment. Armin Strobel* zeigt die Lücke zwischen Anspruch und Realität, denn bei der Integration wird oft mit zweierlei Maß gemessen.

Der Einstieg deutscher Unternehmen in den elektronischen Handel war eines der Hauptthemen der diesjährigen CeBIT. Zwar bestehen berechtigte Zweifel, ob der E-Commerce in allen Wirtschaftszweigen die Bedeutung erlangen wird, die ihm zugemessen wird, doch gewinnen Internet-Shops, virtuelle Marktplätze und Business-to-Business-Portale in ausgewählten Branchen als zusätzliche Plattformen für die Geschäftsabwicklung an Relevanz.

Die Anbieter von Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systemen für mittelständische Unternehmen arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Internet-Fähigkeit ihre Suiten. Entweder sind die Lösungen bereits erhältlich, oder sie sollen im Laufe dieses Jahres auf den Markt kommen. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Produkte allerdings grundlegend in ihren Entwicklungsansätzen, und nur wenige Programme werden dem Anspruch gerecht, B-to-B-Anwendungen in allen Facetten über das Internet zu erlauben.

Integration von Hand - die schnelle LösungFür einen schnellen Einstieg in den elektronischen Handel sind Internet-Lösungen gedacht, die auf dem parallelen Betrieb eines Webshops und der ERP-Software aufbauen. Beide Systeme laufen allerdings vollständig unabhängig voneinander ab, weshalb Produktinformationen bei dieser Variante manuell in der Shop-Lösung gepflegt werden müssen. Über das Internet generierte Auftragsinformationen wie beispielsweise Warenkorbinhalte werden per E-Mail an das Unternehmen gesandt, dort von Hand in das ERP-System übernommen und schließlich als Auftrag freigegeben. Diese Lösungen eignen sich in erster Linie für Anwender, die vor allem im Geschäft mit dem Konsumenten schnell Präsenz zeigen wollen. Sie nutzen jedoch bei weitem nicht die vielfältigen Möglichkeiten des Internet und stellen durch den Medienbruch in der manuellen Pflege und Datenbearbeitung keine E-Business-Lösung im eigentlichen Sinne dar.

Fortschrittlichere Programme automatisieren die manuelle Pflege und integrieren Produktdaten aus dem ERP-System in eine Internet-Shop-Software. Diese Informationen beschränken sich in der Regel auf das Angebot von Waren und Dienstleistungen. Das Verfahren steigert die Aktualität des Warenangebots im Internet und bietet mitunter auch Lösungen für einen automatisierten Zahlungsverkehr. Eher selten findet sich dabei die automatische Auftragsgenerierung im ERPSystem. Eine wirkliche Interaktion zwischen Kunden und Anbietern existiert innerhalb dieser Lösungen nicht, so dass nur Teilbereiche des Online-Handels abgedeckt sind.

Um sämtlichen Anforderungen an B-to-B-Geschäfte gerecht zu werden, entwickeln einige Softwareanbieter derzeit vollständig integrierte E-Business-Lösungen. Diese Programme zielen auf eine tiefe Integration von Standard-Shop-Paketen mit allen Bereichen der Geschäftsabwicklung, die von einem ERP-System unterstützt werden. Dabei bieten die Suiten einen umfassenden E-Business-Ansatz, von dem der E-Commerce nur eine Komponente ist. Als weitere Bausteine gelten E-Services-Anwendungen sowie die Integration virtueller Marktplätze. Hier gilt, dass alle betriebswirtschaftlichen Prozesse aus den Bereichen Logistik, Angebots- und Auftragsabwicklung, Rechnungswesen und Human Resources das Internet als zusätzliche Plattform nutzen.

Shops sind nur eine Komponente des E-BusinessEine zentrale Anforderung für die Integration von Shop-Lösungen ist die einheitliche Stammdatenbasis. Damit sich Daten redundanzfrei im Gesamtsystem halten lassen, müssen Interessenten- und Kundendaten aus dem ERP-System mit dem Webshop verknüpft sein. Dabei kommt es darauf an, sowohl von der ERP-Seite als auch im Shop-System Neuaufnahmen und Änderungen einpflegen zu können. Das Ziel ist, Informationen in einem Unternehmen dort zu erfassen, wo sie erstmals anfallen. Diese Anforderung scheint logisch, jedoch zeigt die Realität, dass in vielen Unternehmen die gleichen Stammdaten in verschiedenen Quellen vorgehalten werden und dementsprechend in unterschiedlichen Erscheinungsformen auftreten.

Ein aktuelles und umfassendes Produkt- und Dienstleistungsangebot im Internet erfordert die Abbildung sämtlicher Sortimentsdaten im Online-Shop. Dabei wird die Sortimentspflege zentral in der ERP-Software geleistet. Darüber hinaus kommt es bei der Integration darauf an, das ERP-System funktional zu erweitern, damit Anwender auf einer einheitlichen Konsole bei der Sortimentsbearbeitung entscheiden können, ob ein Artikel im Online-Angebot eines Unternehmens erscheinen soll. Über vorgefertigte Templates lassen sich Artikel in einer definierten grafischen Form gegebenenfalls mit Bildern und vor allem mit Preisen versehen, bevor sie nach dem nächsten Sortiments-Update im Internet veröffentlicht werden.

Dabei kommt gerade im B-to-B-Bereich der Preisflexibilität eine besondere Bedeutung zu: Neben Standardpreisen beziehungsweise zeitbezogenen Sonderpreisen müssen sich aus dem ERP-System heraus auch kundenspezifische Rabatte im Web individuell anzeigen und bei der Zusammenstellung des Warenkorbs berücksichtigen lassen. Darüber hinaus sollte die aus dem ERP-System bekannte Verfügbarkeit der ausgewählten Artikel automatisch angezeigt und bei der Bestellung verbindlich festgeschrieben werden. Zusätzlich müssen Kunden auf Grundfunktionalitäten aus dem ERP-System - wie beispielsweise einen Konfigurator - ohne Leistungsverlust im Internet zugreifen können. Für einen voll automatisierten Bestellablauf sind Auftragsdaten aus einem Warenkorb selbständig in das ERP-System zu übernehmen und freizugeben. Auftragsbestätigungen und die Abwicklung im Rechnungswesen verarbeitet das ERP-System nach kundenspezifischen Vereinbarungen automatisch.

Nach der Order kann der Käufer über das Auftragstracking jederzeit den Bearbeitungsstatus seines Auftrags online abfragen. Dies umfasst auch die Liefertermine, beispielsweise über die Tracking-Nummer eines Logistikdienstleisters.

Einen wesentlichen Bestandteil der Geschäftsabwicklungen über das Internet im B-to-B-Bereich stellt der Online-Kundendienst dar. Dieses Segment des E-Business ist heute in den seltensten Fällen umfassend umgesetzt, lässt sich aber bei der vollständigen Integration von Shop-Lösungen in eine Standardsoftware verwirklichen. E-Services bezeichnet dabei, dass kundenspezifische Informationen in einem abgesicherten Bereich, etwa auf der Kundendienst-Seite seines Webshops, bereitgestellt werden.

Integrierte Systeme machen den Kunden sichtbarHier zeigen komfortable und umfassend integrierte Systeme dem namentlich bekannten und autorisierten Kunden auf, welche Produkte er mit welchen Systemkomponenten im Einsatz hat. Dazu wird die im ERP-System geführte Produktionsstückliste genutzt, die Auskunft darüber gibt, aus welchen Bauteilen sich ein Produkt zusammensetzt und welche Komponenten gegebenenfalls bei früheren Reparaturen ausgetauscht worden sind. Im Falle eines Serviceanrufs durch den Kunden kann man die gesamte Produkthistorie heranziehen, um Fehlermeldungen zu spezifizieren.

Um jeden Preis vermeiden: MedienbrücheUm die Kommunikation mit dem Kunden komplett online abwickeln zu können, muss die E-Business-Lösung wiederum sämtliche Informationen aus dem ERP-System über den Status der Kundendienstbearbeitung zur Verfügung haben. Der Käufer kann sich jederzeit nach dem Bearbeitungsstatus der eingeschickten Geräte informieren oder bei Bedarf klären, wann ein Außendienstler den gemeldeten Fehler behebt.

Um im B-to-B-Bereich auch Neukundenkontakte zu generieren und Serviceaufträge für Produkte von Drittanbietern zu übernehmen, dient das Shop-System wiederum als Datenquelle für das ERP-System. Kundenprofile und Produktspezifikationen lassen sich dazu aus dem Internet automatisch in die betriebswirtschaftliche Standardsoftware übernehmen und stehen darin für die weitere Bearbeitung zur Verfügung.

Damit ein Unternehmen auf den inzwischen zahlreichen virtuellen Marktplätzen als Anbieter aktiv sein kann, müssen sämtliche Integrationsanforderungen aus den Bereichen E-Commerce und E-Services umgesetzt sein. Zusätzlich dazu ist es erforderlich, neue technische Möglichkeiten des elektronischen Geschäftsdatenaustausches umzusetzen. Als Standard für den elektronischen Datenaustausch, beispielsweise für Bestellvorgänge, hat sich in der jüngsten Vergangenheit die Extensible Markup Language (XML) etabliert. Integrierte Lösungen müssen zur Nutzung des XML-Formats mit einer frei konfigurierbaren und einfach bedienbaren Schnittstelle ausgerüstet sein, die entweder der Shop-Anbieter oder der ERP-Lieferant zur Verfügung stellt. Mit einer solchen Schnittstelle können Online-Bestellungen von virtuellen Marktplätzen ohne Medienbruch in das ERP-System übernommen und dort automatisiert bearbeitet werden.

Da derzeit die überwiegende Anzahl der virtuellen Marktplätze auf SAP-spezifische Belange ausgerichtet ist, kann fer-ner die Unterstützung von Microsofts XML-Framework "Biztalk" sinnvoll sein. Biztalk bietet zusätzliche Funktionen wie definierte Auftragsprozesse, die für die Bearbeitung in R/3 ausgelegt sind. Für den ERP-unabhängigen Austausch von Bestellinformationen können Kunden beliebige XML-Formulare an einen Anbieter versenden.

Ein Hinweis auf die Hinterlegung des Protokolls unter einer bestimmten Nummer auf der Homepage www.biztalk.org ermöglicht es dem Empfänger, die zugesandten Daten in sein eige-nes System zu übernehmen. Geschulte Anwender können mit einer komfortablen XML-Schnittstelle die Informationen in kürzester Zeit in das ERP-System automatisiert übernehmen und damit eine Auftragsbearbeitung generieren.

Allerdings stellt die Interaktion zwischen E-Business-Applikationen und ERP-Systemen hohe Anforderungen an die Sicherheit. Als eine effektive Maßnahme gegen Eindringlinge hat sich in der Praxis die Implementierung einer Firewall erwiesen, welche die ERP-Datenbank im internen Netzwerk absichert. Dabei wird die E-Business-Datenbank zusammen mit dem Web-Server in einem eigenen Netzwerk eingerichtet. Der Datenabgleich zwischen den Datenbank-Servern erfolgt asynchron über dementsprechend konfigurierbare Interface-Server, wobei sich die Frequenz auf Datenbereichsebene parametrisieren lässt. Angreifer müssen so zuerst die Firewall beim Übergang vom externen Netzwerk (Internet) in das Netzwerk des E-Business-Systems überwinden. Sollte dies gelingen, sind die ERP-Daten dann immer noch durch die Firewall zwischen dem öffentlichen und dem internen Netzwerk vor den Eindringlingen geschützt.

Hohe Anforderungen an die SicherheitKleine und mittlere Unternehmen in Deutschland sind überwiegend im B-to-B-Markt aktiv. Wenn sich Unternehmen entscheiden, das Internet als neues Medium für ihre Geschäftsabwicklungen zu nutzen, sind sie auf vollständig integrierte E-Business-Lösungen angewiesen. Die letzte CeBIT hat gezeigt, dass selbst die großen Anbieter von ERP-Systemen mit ihren Lösungen noch nicht alle Anforderungen an eine komplette B-to-B-Geschäftsabwicklung praxisgerecht verwirklicht haben. Erste marktreife Standardlösungen aus diesem Marktsegment sind für das dritte oder vierte Quartal angekündigt. Bis dahin werden voraussichtlich auch Anbieter von ERP-Systemen für den Mittelstand die Ergebnisse ihrer derzeitigen Entwicklungsarbeiten in einer marktgerechten Form präsentieren.

* Armin Strobel ist Entwicklungsleiter der TSI Software AG in Gröbenzell.