Customer-Relationship-Management-Software

ERP-Anbieter bauen Angebot für Vertrieb, Service und Marketing aus

27.10.2000
Es klingt paradox: Auf der Systems 2000 dominieren im Bereich Customer-Relationship-Management (CRM) die Hersteller von Anwendungen zum Enterprise Resource Planning (ERP). Der Grund: Nur wenige Spezialanbieter finden den Weg in die bayuwarische Hauptstadt. Von Daniela Hoffmann*

Noch letztes Jahr prognostizierten Analysten der Meta Group, dass die großen ERP-Hersteller den CRM-Anbietern ihren Markt streitig machen würden: Rund 45 Prozent ihres Marktanteils sollten diese Spezialanbieter bis 2001 dadurch verlieren. Die Realität sieht allerdings anders aus: Trotz eigener Entwicklungsbemühungen kooperiert die Mehrzahl der führenden ERP-Häuser zusätzlich mit den großen CRM-Herstellern oder hat sich durch Übernahmen Know-how dazugekauft. Es sei nicht abzusehen gewesen, dass sich Vollsortimenter wie SAP so schwer tun würden, einsatzfähige CRM-Pakete zu liefern, meint Susanne Schwede, Consultant bei der Meta Group Deutschland. "Offensichtlich waren Eigenentwicklungen für das Kundenbeziehungs-Management angesichts des Mangels an Manpower und des akuten Marktdrucks durch die Spezialanbieter zu langwierig."

Kooperationen und Zukäufe sind TrendDie Zeiten, in denen ein Hersteller alle Funktionen von Unternehmenssoftware selbst abdecken konnte, gehören der Vergangenheit an - selbst wenn er SAP heißt: "Das mit der Zusammenarbeit müssen wir in der Softwareindustrie aber erst noch lernen", erklärte Peter Zencke, Mitglied des SAP-Vorstands, auf dem CRM-Kongress der Walldorfer im September. "In Zukunft wird es ähnlich wie in der Automobilbranche sein: Der Produzent stellt nicht jedes Teil selbst her." Gerade das Internet trage dazu bei, dass Anwender künftig Lösungen unterschiedlicher Hersteller kombinieren würden.

Als prominenteste CRM-Kooperation gilt die im Sommer bekannt gegebene Verbindung zwischen SAP und Clarify. Man wolle die Zusammenarbeit mit dem Spezialisten nicht nur, um eine vorübergehende Lücke zu füllen, betonte Zencke. Die Call-Center-Lösung des US-amerikanischen Herstellers ist mittlerweile in das "CRM Workplace" von SAP eingebunden. Auch aus den Clarify-Anwendungen heraus besteht die Möglichkeit, in beliebige SAP-Business-Objects zu gelangen.

Vom Kooperationstrend profitiert vor allem CRM-Marktführer Siebel. Eine ganze Reihe von Unternehmen hat sich für die Zusammenarbeit mit dem Spezialanbieter aus San Mateo entschieden, darunter IBM und J. D. Edwards. Die Entwicklung einer "Midmarket Edition" hat darüber hinaus zu Kooperationen mit den eher mittelständisch orientierten ERP-Herstellern Navision und Great Plains geführt. Erst seit Mitte des Jahres ist die Light-Version von Siebel zu haben, die auf einzelne, auch für kleinere Unternehmen relevante Module seiner Konzernlösung beschränkt ist. Zusätzlich bieten J. D. Edwards und Navision alternativ eigene CRM-Lösungen an.

Während außer Oracle und Peoplesoft in diesem Jahr fast alle größeren ERP-Anbieter auf der Systems anzutreffen sind, halten sich CRM-Spezialanbieter wie Clarify, Siebel, Onyx oder die S3 AG zurück. Immerhin ist Siebel auf der Sonderschau "Mobile Solutions" in Halle A6 mit einem Demopunkt vertreten. Erst Ende September hatte das Unternehmen eine WAP-Allianz mit Nokia angekündigt.

Oracle setzt mittlerweile ausschließlich auf Hausmessen: "Veranstaltungen wie die Systems und die CeBIT passen im Zeitalter des E-Business nicht mehr zur Strategie von Oracle", sagt Chari Lazaridis Pressesprecherin von Oracle Deutschland in München. "Die Kunden verlieren angesichts der vielen Herstellerangebote die Orientierung." Oracle ist einer der wenigen ERP-Hersteller mit eigener CRM-Lösung. Die Version "11i" steht seit Mai zur Verfügung und soll in Zusammenarbeit mit Cisco weiter ausgebaut werden.

Die SAP AG zeigt in Halle A1, Stand 323, CRM-Komponenten für ihre Internet-Plattform "Mysap.com", die auf der Basis eines gemeinsamen Datenmodells Front- und Backoffice verbinden sollen. "Shared Intelligent Agents" helfen laut Hersteller in allen Unternehmensbereichen bei Entscheidungen, zum Beispiel bei der Produktkonfiguration und Preisfindung. Der "Mysap.com Workplace" dient dazu Portale für Mitarbeiter, Verbraucher und Geschäftspartner bereitzustellen, während der "Marketplace" für E-Commerce-Szenarien bestimmt ist. Die Workplaces umfassen Vertrieb, Marketing sowie Service und bieten Rollen für verschiedene Mitarbeiterfunktionen. Am 7. November findet im Forum "SAP & Partner" ein "Fokustag" mit Vorträgen zum Thema CRM statt.

CRM ist auch etwas für den MittelstandDie Hüfinger Bäurer AG ist mit ihrer hundertprozentigen CRM-Tochter TPS Labs in Halle A1, Stand 337/436, zu finden. Die Anwender sollen dort die Früchte der Übernahme in Form der Applikation "b2 CRM" ernten können, die laut Hersteller für den transparenten Umgang mit sämtlichen Daten einer Kundenbeziehung sorgt. Beispielsweise lassen sich, so Bäuerer, Rollen und Kontakten von Projektbeteiligten sowie die kundenbezogenen Aktivitäten abteilungsübergreifend nachvollziehen.

Daneben stehen die Neuerungen im Release 6.0 von "TPS Oceans 2000" in München im Vordergrund. Die Java-basierte CRM-Software soll jetzt neben MS Outlook auch Lotus Notes 4.x und 5.x unterstützen. Das neue Modul "Customer E-Connect" bezieht die Website-Interaktionen der Kunden in die Unternehmensabläufe ein. Internet-Angebote lassen sich um Funktionen von Oceans 2000 für Vertrieb, Marketing und Call-Center erweitern. Darüber hinaus soll auch die Möglichkeit bestehen, Außenstellen, Partner und Distributoren über das Internet einzubinden.

Aus Fargo, North Dakota, reist Great Plains an und stellt in Halle A1, Stand 340, erstmals die deutsche Version von "Great Plains Siebel Front Office" vor - eine Adaption der Siebel Midmarket Edition für die eigene Unternehmenssoftware "E-Enterprise". Das Paket verfügt unter anderem über ein sogenanntes Pipeline-Management, das den Anwender anhand von Vergleichsanalysen und Methoden wie dem Target-Account-Selling bei der Auswahl von Kontakten unterstützt. Die Software enthält eine Problemlösungskomponente, die den Mitarbeitern mit einer globalen Suche und einer Wissensdatenbank bei der Bearbeitung von Servicefällen helfen soll. Das Modul "E-Channel" dient dazu, Partner in eine virtuelle Verkaufsorganisation einzubinden. In Deutschland hat Great Plains zwei zertifizierte CRM-Partner gefunden.

Zweigleisig fährt J. D. Edwards in Halle A2, Stand 364. Die Softwerker aus Denver, Colorado, bieten Anwendern wahlweise eine selbstentwickelte Lösung namens "Customer Service Management System" (CSMS) oder die integrierte CRM-Anwendung von Siebel. CSMS besteht aus Komponenten zur Verwaltung von Serviceaufträgen, Verträgen und der Installationsbasis sowie zum Call-Center-Management. In der auf der Systems vorgestellten Version "One World Xe" der Komplettlösung will der Hersteller auf der Basis von XML und Java die Internet-basierte, vernetzte Zusammenarbeit vom Lieferanten bis zum Kunden (Collaborative Commerce) verbessern. Die Bedienung der Software erfolgt über ein an die Nutzerbedürfnisse anpassbares Portal. In der neuen Version hat J. D. Edwards die Anwendungsintegration um die Komponente "E-Consumer Goods" von Siebel erweitert.

Auch Navision Software in Halle A2, Stand 263/564, zeigt zwei CRM-Lösungen: Kleineren Betrieben bietet der dänische Hersteller für das Kundenbeziehungs-Management die erweiterten "Navision-Financials"-Module "Service" und "Marketing". Zu den Neuerungen gehören hier laut Hersteller ein Interaktionsprotokoll, das Kampagnen-Management und die Integration mit Microsoft "Word" und "Outlook". Daneben wurde im Rahmen einer Vertriebspartnerschaft mit Siebel dessen Midmarket Edition mit Navision Financials zusammengeführt. Weltweit vertreiben rund 1000 "Navision-Solution-Center" die Anwendungen für Sales Force Automation, Support, Call-Center und Opportunity-Management. Über das neu entwickelte WAP-Toolkit sollen sich zusätzlich kundenspezifische Daten aus der Unternehmenssoftware mobil per Handy oder PDA nutzen lassen.

Die AS/400-Spezialistin Soft M AG aus München präsentiert in Halle B4 auf dem IBM-Partnerstand 159/258 das CRM-Paket "Soft M Power Sale". Dieses nutzt die vorhandenen Kundendaten für eine Adress- und Ansprechpartner-Verwaltung sowie für das Kontakt-, Termin- und Kampagnen-Management. Für Analysen gibt es ein Informations- und Reportingsystem. Die auf Windows-Umgebungen einsetzbaren Frontend-Programme kommunizieren über XML mit den Server-Modulen auf der AS/400. Für den Außendienst steht eine Lösung zur Sales Force Automation zur Verfügung. Der mobile Zugriff ist derzeit jedoch nur über Notebooks möglich.

Ebenfalls AS/400-tauglich ist eine Koproduktion des ERP-Herstellers Command AG und der Kabel Team4 GmbH. Das auf Lotus-Notes basierende CRM-System gehört zum auf der Systems vorgestellten ERP-System "Frida 5.2". Es soll den Mitarbeitern in Marketing, Vertrieb und Service den Zugriff auf deren Informationsbasis erlauben. Für jeden Kunden wird eine elektronische Akte angelegt, welche die Kundenkontakthistorie enthält. Mit Hilfe vorkonfigurierter Excel-Auswertungen lässt sich laut Hersteller das Forecasting und Controlling verbessern. Die Notes-Dokumente und die Frida-Datenbank werden automatisch repliziert. Mitarbeiter haben laut Command mit der Benutzeroberfläche "Active Frida" auch per Browser Zugriff auf die Anwendungen. Ein B-to-B-Portal dient zum Erfassen von Aufträgen oder zur Abfrage von Bestandsinformationen über das Web.

Zu den wenigen CRM-Spezialanbietern, die nach München kommen, gehört die Karlsruher CAS Software AG. In Halle A2, Stand 434, ist ihr Kundeninformationssystems "Genesis World 2.1" zu sehen, das um CTI-Features (Computer Telephony Integration) ergänzt wurde. Durch die Anruferkennung wird die Kontakthistorie des Anrufers automatisch geöffnet. Die für mittelständische Unternehmen mit bis zu 500 Usern entwickelte Software soll jetzt auch Microsoft Outlook einbinden, so dass Anwender aus Genesis World heraus mit Outlook-Funktionen wie Kalender und Mails arbeiten können. Die neue Version verspricht Zugriff und Datenreplikation über mobile Endgeräte, darunter Palmtops, Psion, Windows-CE- und Internet-Clients.

Die Schweizer Team Brendel AG stellt auf dem Toshiba-Stand in Halle B4, Stand 131/230, zahlreiche Neuheiten rund um die CRM-Software "Wincard CRM" in den Mittelpunkt der Systems-Präsentation. So wurde mit Wincard Scan eine Lösung für die Erfassung von Visitenkarten mit speziellem Scanner samt Software entwickelt. Die Daten werden binnen Sekunden in Wincard CRM erfasst und stehen unmittelbar danach in Microsoft Outlook oder auf mobilen Endgeräten zur Verfügung. Mit Wincard Web liegt jetzt zudem die Web-basierende Ausführung der CRM-Software vor. Gezeigt wird auch die gemeinsam mit der Moon AG sowie Toshiba entwickelte WAP-Lösung Wincard WAP.

Der amerikanische Hersteller Applix, Halle A2, Stand 438, stellt die Version 8 seiner CRM-Software "I Enterprise" auf Java-Basis vor. Die neue Fassung soll das Arbeiten auf beliebigen Clients im Internet, Intra- und Extranet ermöglichen. Dabei stehen laut Hersteller die gleichen Funktionalitäten wie auf dem NT-Client zur Verfügung. Als ein neues Feature nennt Applix die Analyse-Komponente "I Customerinsight", die zur Auswertung der in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service gesammelten Kundendaten dient. "Applix I TM1.web" ist dazu bestimmt, OLAP-Analysen mit Java-fähigen Browsern im Internet vorzunehmen.

In Halle A5, Stand 115/216, zeigt der österreichische Anbieter Update.com die E-CRM-Software "Marketing.Manager" um eine Spracherkennungskomponente erweitert. Durch die Verknüpfung von Telefon und CRM sollen zum Beispiel Außendienstmitarbeiter ihre Aufträge einfach in das System sprechen können. Da sich ursprünglich mit viel Tipparbeit verbundene Aufgaben künftig ohne Tastatur erledigen ließen, würden wartungsintensive Notebooks zugunsten von Handys obsolet, meint der Hersteller. Demnach nimmt ein Dialogsystem Anfragen oder Aufträge in menschlicher Stimme entgegen und verarbeitet sie über eine Wissensdatenbank.*Daniela Hoffmann arbeitet als freie Fachjournalistin in Berlin.

Die AnbieterSAP AG, Walldorf,(Halle A1, Stand 323)

Bäurer AG, Hüfingen,(Halle A1, Stand 337/436)

Great Plains, Fargo, (Halle A1, Stand 340)

J. D. Edwards, Denver, (Halle A2, Stand 364)

Navision Software, Hamburg,(Halle A2, Stand 263/564)

Soft M AG, München,(Halle B4 auf dem IBM-Partnerstand 159/258)

CAS Software AG, Karlsruhe,(Halle A2, Stand 434)

Team Brendel AG, Weil am Rhein(Toshiba-Stand in Halle B4, Stand 131/230)

Applix, München,(Halle A2, Stand 438)

Update.com,Wiesbaden, (Halle A5, Stand 115/216)

Abb: Das Begriffswirrwarr im CRM-Markt kommt bei Anwendern nicht gut an. Quelle: CRM-Studie Universität Eichstätt