Kolumne

ERP als Datengrab

25.07.2006

Wenn Anwender etwas an ihrer ERP-Software auszusetzen haben, dann sind es die Formular- und Auswertungsfunktionen. Dies ist eine Aussage der "ERP-Zufriedenheitsstudie 2006" (siehe Seite 8). Den Nutzern sind die Methoden zum Anpassen von Rechnungen und Lieferscheinen sowie von Datenauswertungen und Berichten zu umständlich. Und dabei betonen die ERP-Hersteller gern, ihre Lösungen führten zu Transparenz in Prozessen und Unternehmensinformationen. Offenbar können hier einige Softwarehäuser nicht liefern, was sie zusagen. Da drängt sich die Metapher vom "ERP als Datengrab" auf.

Betriebswirtschaftliche Standardsoftware muss Transaktionen verarbeiten und Geschäftsdaten konsistent aufbewahren. Doch das sind Basisdisziplinen, die der Kunde voraussetzen kann. Solche Eigenschaften bringen ihn nicht weiter: Was nutzt Zahlenmaterial über Kosten und Einahmen, wenn es nur über Umwege gelingt, diese in eine für den Anwender erfassbare Form zu bringen? Nicht mehr nur einige wenige Spezialisten, sondern Sachbearbeiter und Führungskräfte benötigen Informationen über die Unternehmenssituation. Dies wird umso wichtiger, je mehr sich die Geschäftstätigkeit der Firmen auf mehrere Standorte im In- und Ausland ausweitet. Eine Sammlung von vorgefertigten Standardberichten reicht nicht. Da wundert es nicht, wenn ERP-Nutzer aus der Not eine Tugend machen und wegen unzureichender Bordmittel Excel als Hilfsmittel verwenden - die Microsoft-Software ist laut Studie das meistgenutzte Zusatzwerkzeug. Tabellenkalkulation ist nett, doch wenn Datenauswertungen nur über zusätzliche Datenanalyseprodukte zu realisieren sind, sollten die ERP-Lieferanten dies dem Kunden auch klipp und klar sagen.

Auch die neben mangelnden Auswertungen kritisierten Formularfunktionen passen so gar nicht in das von den Anbietern gezeichnete Bild vom ERP-System als Alltagswerkzeug. Stößt der Softwarenutzer bereits auf Schwierigkeiten, wenn er ein Rechnungs- oder Lieferscheinformular verändern möchte, fragt man sich, ob ERP-Programme doch nur für Experten gedacht sind.

Die Hersteller hingegen wollen den Nutzerkreis von ERP-Lösungen im Unternehmen auszuweiten. Für möglichst viele Mitarbeiter sollen die Firmen ERP-Lizenzen anschaffen, auch für solche, die bis dato nur am Rande mit solcher Software zu tun hatten. Doch wie sollen sie mit ERP-Systemen zurande kommen, wenn die Ergonomie von Formular- und Berichtswesen schon den bescheidenen Bedürfnissen der klassischen Nutzer nicht gerecht werden kann?