Offenbar von Mitbewerbern angeschwärzt

Ermittlungen gegen Microsoft ausgedehnt

19.04.1991

REDMOND (IDG) - Die Akte Microsoft wächst: Wie das Unternehmen vor wenigen Tagen bekanntgab, hat die amerikanische Federal Trade Commission (FTC) ihre Nachforschungen über die Geschäftspraktiken des Softwaregiganten ausgeweitet. Anlaß dafür sollen Beschwerden von Mitbewerbern und Software-Entwicklern gewesen sein.

Die Kommission will Vorwürfen von Drittanbietern nachgehen, denen zufolge Microsoft versuche, im PC-Bereich den Markt für Betriebssysteme, Betriebsumgebungen, Software und Peripherie zu monopolisieren. Im Mittelpunkt steht die Frage: Hat Microsoft seine exponierte Marktstellung als Lieferant von MS-DOS in unfairer Weise dazu benutzt, bei anderen Produkten eine ähnliche Dominanz zu erreichen?

Im Zusammenhang mit unlauteren Geschäftspraktiken wird das Erfolgsprodukt Windows 3.0 genannt. Unternehmen, die Anwendungen unter Windows entwickeln wollen, kommen nach Aussagen von Software-Entwicklern deutlich leichter an Detailinformationen aus dem Hause Microsoft als andere Interessenten.

Die US-Behörde hat Microsoft daher in einem Brief mitgeteilt, daß die monopolverdächtige Zusammenarbeit von Microsoft und IBM in Sachen OS/2 und Windows - der Grund, weshalb die Kommission 1989 erste Nachforschungen anstellte - längst nicht mehr alleiniger Gegenstand der Untersuchung sei. Vielmehr würden jetzt Ermittlungen in einem breiten Rahmen durchgeführt.

Die Ausweitung der Nachforschungen bedeutet konkret, daß entgegen früheren Absichten nun auch Dokumente eingesehen werden sollen, die vor dem zunächst festgesetzten Stichtag, dem 1. Januar 1988, datieren. Microsoft wurde angewiesen, keine Dokumente zu vernichten.

Sollten unfaire Geschäftspraktiken nachgewiesen werden, so kann die Federal Trade Commission so weit gehen, einen Unterlassungsbefehl auszusprechen. Die Praxis sieht allerdings meistens anders aus: Stellt die Behörde fest, daß eine Gesetzesübertretung vorliegt, so werden normalerweise Verhandlungen über einen Konsens eingeleitet.

Überraschte und enttäuschte Reaktionen gab es im Hause Microsoft angesichts der fortgesetzten und verschärften Ermittlungen. Sprecher Marty Taucher klagte gegenüber der amerikanischen CW-Schwesterpublikation "Computerworld": "Wir werden bis zum Herbst damit beschäftigt sein, alle geforderten Dokumente herbeizuschaffen."