BKA-Chef

Ermittler hinken Internet-Tätern technisch hinterher

18.12.2008
Deutsche Ermittler können Straftäter im Internet nach Überzeugung des Bundeskriminalamts (BKA) derzeit nicht ausreichend bekämpfen.

"Wir stoßen mit den klassischen Bekämpfungsinstrumentarien immer stärker an Grenzen. Das digitale Zeitalter setzt diese Grenzen, mit denen die Sicherheitsbehörden nicht Schritt halten können", sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke bei einem Forum zum Thema Internet-Kriminalität am Donnerstag in Darmstadt. Ziercke bezeichnete das umstrittene Recht auf Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchungen als Voraussetzung für eine wirksame Verfolgung der rasant steigenden Zahl von Straftaten im Internet.

Insbesondere im Kampf gegen den Terrorismus benötigten die Ermittler weitergehende Rechte. "Wir können im Internet nur ermitteln, wenn wir die IP-Adressen, die Vorratsdaten von den Providern haben", sagte Ziercke. Er verlangte Vorratsfristen, die der Praxis angemessen seien: "Terroristen planen ihre Anschläge nun mal ein halbes oder ganzes Jahr im Voraus und tauschen ihre Informationen aus."

In herausragenden Fällen forderte Ziercke für seine Behörde das Recht, schon vor einer Straftat Beweismaterial zu sammeln. Deshalb sei das am Mittwoch vom Vermittlungsausschuss gebilligte BKA-Gesetz für die Arbeit der Ermittler dringend erforderlich. Mit dem Gesetz erhält das BKA erstmals das Recht, zur Abwehr von Terrorismus vorbeugend zu ermitteln, Wohnungen zu überwachen und Telefone abzuhören.

Generell kritisierte Ziercke die aktuelle Ungleichheit der Entwicklung von Recht und Technik. Diesem Wettlauf müsse sich der Gesetzgeber stellen. "Das Recht hinkt deutlich hinterher. Die Technik macht Jahr für Jahr enorme Sprünge." Die Zahl der Straftaten im Internet sei von 54.000 im Jahr 2004 auf 180.000 im vergangenen Jahr gestiegen. Das stelle die Ermittler in Sachen Qualifizierung und technischer Ausstattung vor eine große Herausforderung. Betroffen seien zahlreiche Bereiche von Computersabotage über das Phishing von Daten etwa zum Online-Banking, über Wirtschafts- und Finanzspionage bis hin zu Kinderpornografie, Rechtsextremismus und Terrorismus.

So spiele das weltweite Netz bei der Verbreitung von Kinderpornografie mit immer jüngeren Opfern eine zentrale Rolle, sagte Ziercke. Einzelne Seiten hätten mehr als 100.000 Zugriffe in Deutschland, die Zahl der Fälle sei von 2004 bis 2007 um 55 Prozent gestiegen. Ziercke unterstützte den Vorstoß von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), kinderpornografische Internetseiten gesetzlich sperren zu lassen. "Wir haben hier ein massives Problem, vor dem man nicht die Augen verschließen sollte. Wenn wir das nicht stoppen können, was ist dann in einem Rechtsstaat alles noch möglich." (dpa/tc)