Erlaubt ist, was den Anwendern gefaellt

23.12.1994

Dieter Eckbauer

Die Diskussion um die Pentium-Panne in der Tages- und Wirtschaftspresse zeigt, dass der Computer kein ausschliessliches Insiderthema mehr ist. In dieser Form wurden Technik- und Branchenprobleme noch nicht ausgebreitet, wobei Interesse der Oeffentlichkeit unterstellt werden kann - Anteilnahme und Schadenfreude halten sich in etwa die Waage. Das wird nur diejenigen stoeren, die sich im Besitz der absoluten Wahrheit waehnen - und so laesst sich der Intel-Affaere, bei aller an Peinlichkeit grenzenden Delikatesse, durchaus auch eine positive Seite abgewinnen. Die IT-Industrie steht unter Beobachtung, das kann ihr nur guttun. Der Markt verzeiht keine Fehler mehr.

Zur Jahreswende 1994/95 ist damit eine zahlenmaessig starke Gruppe von Computerinteressierten sowie beruflichen DV-Entscheidern skizziert, ein Anwenderpublikum, von dem Noten fuer die IT-Anbieter nach Koennen und Leistung vergeben werden - schlechte Zeiten fuer Schaumschlaeger und Wichtigtuer. Wer dabei an die vielen uneingeloesten Versprechen der Vergangenheit denkt, wird unweigerlich auf die Multimedia-Marketiers stossen. Diese muessen sich die Jacke nicht anziehen. Zugegeben, mit dem Begriff "Multimedia", der in der CW bereits 1975 auftauchte, wurden immer wieder wahre Possenspiele getrieben, meist in Verbindung mit der Floskel vom Zusammenwachsen von Computertechnik, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik.

Doch Vorsicht, Zynismus koennte sich als Fehlsch(l)uss erweisen. Was beispielsweise ein PC-Hersteller wie Apple seine Anwenderdarsteller in der Fernsehwerbung mit dem Multimedia-Mac tun laesst, ist Anschauungsunterricht pur: keine zwanghafte Suche nach Problemen, die der Computer loesen kann, die es ohne ihn freilich gar nicht geben wuerde, kein vorgekautes Konzept, dem man die Komplexitaet anmerkt, sondern ein Rezept zum Nachmachen.

"Multimedia" heisst dabei lediglich, dass der Computer mehr kann als rechnen. Natuerlich spielt er seine besonderen Moeglichkeiten zuerst in Bereichen aus, in denen potentiellen Benutzern der spielerische Einstieg leichtfaellt: Wissensvermittlung und Kommunikation, nicht zuletzt Unterhaltung. DV-Profis, die am Ball bleiben wollen, sollten sich das zunutze machen. Jedenfalls ist Naseruempfen unangebracht, Sorge um die eigene Seriositaet unnoetig.

Erlaubt ist, was den Anwendern gefaellt. Das laesst sich gleichsam als 94er Fazit und Auftaktmotto fuer 1995 sagen. Multimedia zielt in diese Richtung. Dagegen nehmen sich die Bemuehungen einiger Softwarefirmen, mit dem "Data-Warehouse" (ein echter Buzzword-of- the-year-Kandidat) die SAA-Ueberreste wieder zum Leben zu erwecken, geradezu gequaelt aus. Waere etwas dran, die Anbieter muessten es laengst gemerkt haben. Grossen Nutzen bringt die Idee den Desktop- Anwendern offensichtlich nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Data-Warehouse-Plaene scheitern. Davor sollten die Anbieter keinen Horror haben. Die Anwender scheren sich eh nicht drum.