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Ericsson - ein neuer Player im Datenbankmarkt?

27.11.2000
Der schwedische TK-Ausrüster Ericsson hat eine Datenbank entwickelt, die er unter dem Motto "fast and simple" zunächst im Telco-Segment vermarkten will. Die Roadmap reicht aber schon weiter...

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der - anders als Konkurrent Nokia - stärker auf das Infrastruktursegment des Mobilfunkmarktes spezialisierte schwedische Anbieter Ericsson steigt im kommenden Jahr mit einer Eigenentwicklung in den Datenbankmarkt ein.

Gegen Ende des ersten Quartals 2001 wollen die Schweden ihr Produkt präsentieren, das - so glauben sie jedenfalls - für die etablierten Platzhirsche wie Oracle und IBM auf dem Carrier- und xSP-Markt (Internet und Application Service Provider) eine ernste Herausforderung darstellt.

Einem Bericht von "Computergram" zufolge hat sich Ericssons "Network Database" oder kurz "NDB" in Benchmark-Tests als zwischen drei und 15 mal schneller erwiesen als die Konkurrenzprodukte. Die aktuelle Version sei in der Lage, eine Million Transaktionen pro Sekunde zu verarbeiten, so der Hersteller. Die Roadmap sehe bereits 100 Millionen Transaktionen vor. Entwickelt hat NDB der Ericsson-Bereich Business Innovation, der "über den Tellerrand hinweg blicken" und dem Konzern neue Märkte erschließen soll. "Unser Geschäft ist die Zukunft", erklärt Ton Keppel, General Manager für das neue Datenbankprojekt.

Chief Technology Officer (CTO) Mikael Ronstrom erläutert, NDB sei von vornherein für die Belange des Telco-Sektors maßgeschneidert worden. Dort komme es vor allem auf möglichst viele gleichzeitige, aber simple Abfragen und zahlreiche Datei-Updates an. "Diese Ansprüche sind für herkömmliche relationale Datenbanksysteme ungewöhnlich. Sie sind eher auf komplexe Abfragen und vor allem Lesezugriffe zugeschnitten sind", erklärt der Ericsson-Techniker.

Die Geschwindigkeit von NDB resultiere aus dem Design der Architektur, in das sowohl aktuelle IT-Trends als auch die eigenen Erfahrungen bei der Systementwicklung eingeflossen seien. Die Skalierbarkeit ergebe sich aus der großen Parallelisierung anstelle der sonst vorherrschenden Zentralisierung. Die Version 1.0 soll denn auch Ende März 2001 vor allem unter dem Motto "schnell und einfach" vermarktet werden, so Ronstrom.

Parallele Datenbanken sind übrigens alles andere als eine Neuigkeit: Compaqs Tandem-Division hat sich in Vergangenheit ebenso daran versucht wie die "Teradata"-Abteilung von NCR. Und auch der norwegische Datenbankspezialist Clustra Systems hat ein Produkt entwickelt, dass wie Ericssons NDB für eine Vielzahl gleichzeitiger, aber einfacher Abfragen konzipiert wurde.

Die Schweden wollen aber einen Schritt weiter gehen. Sie denken beispielsweise über zusätzliche Funktionen nach, die NDB für Internet-Companies attraktiv machen sollen. Dabei gehe es um "größere Datensätze und die Möglichkeit von Abfragen, während gleichzeitig die Echtzeit-Transaktion abläuft". Außerdem sind Multimedia-Erweiterungen geplant, mit denen man laut Ronstrom "Anwendungen realisieren könnte, bei denen man nie an eine Datenbank denken würde".

"Heute", erläutert der CTO, "packt man die Datenbank ins Backoffice und setzt Application- und Webserver davor, die vor allem reichlich Caching erledigen. Bei den Geschwindigkeiten, von denen wir reden, könnte man die Daten direkt aus der Datenbank holen." Auch im E-Commerce kann sich Ronstrom Anwendungen vorstellen. So ließe sich die Integrität eines virtuellen Einkaufskorbes sogar dann gewährleisten, wenn mitten in der Transaktion die Netzverbindung unterbrochen würde. Ebenfalls auf der Roadmap steht die Unterstützung von SQL (Structured Query Language). Hier sei aber "noch einiges zu tun".

Dem Optimismus und Vertrauen in die eigene Technik stehen bei Ericsson aber auch noch einige Unklarheiten gegenüber. So ist bislang noch nicht entschieden, ob der Hersteller NDB selbst oder über ein Joint Venture mit Beteiligung Dritter (so geschehen mit früheren Business-Innovation-Entwicklungen, beispielsweise von Connect Things AB) vermarkten wird. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt - Ericssons Vertriebsmannschaft kontaktiert offenbar bereits potenzielle Kunden in den USA bezüglich des Einsatzes von NDB - allerdings nur für neue Projekte und nicht als Ersatz für bestehende Installationen.

Der Erfolg der Datenbank wird außerdem entscheidend davon abhängen, ob der Hersteller genügend Entwickler motivieren kann, auf seine Plattform umzusteigen. Per Jakobson, NDB-Projektleiter bei Business Innovation, räumte in diesem Zusammenhang ein, dass noch kein einziger ISV (Independent Software Vendor) an Bord sei. "Der treibende Faktor in diesem Bereich ist der Endkunde", hofft der Ericsson-Mann.