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Google-Chairman

Eric Schmidt befürchtet Zerteilung des Internet

29.04.2013
Ex-Google-Chef Eric Schmidt sorgt sich um die Zukunft des Internet.

Jedes Land werde versuchen, das Internet zu regulieren, schreibt Schmidt in seinem Buch "The New Digital Age" (dt. "Das neue digitale Zeitalter"). Ein Folge könne ein Auseinanderbrechen des Netzes in regional getrennte und staatlich kontrollierte Netzwerke. "Vielleicht wird die wichtigste Frage in zehn Jahren nicht mehr sein, ob eine Gesellschaft das Internet nutzt, sondern welche Version davon."

Es drohe eine "Balkanisierung" mit einzelnen Netzen, in denen jeweils bestimmte Inhalte nicht zugelassen seien, mahnt Schmidt (57). Staaten würden ihre Kontrolle über die Internet-Infrastruktur ausnutzen, um Inhalte zu filtern. Das finde bereits statt, von der aggressiven Blockade einer Vielzahl an Themen in China zur sozial akzeptierten Sperrung von Neonazi-Inhalten oder Kinderpornografie.

Staaten mit ähnlichen Zielen würden sich zusammenschließen "um mehr virtuelles Territorium zu kontrollieren", ähnlich wie bei Militärallianzen, prognostiziert Schmidt. "Was als weltweites Netz begann, wird immer mehr aussehen wie die reale Welt voller innerer Konflikte und auseinanderstrebender Interessen." Als "ultimative Eskalation" sieht er Versuche von Ländern wie dem Iran, sich ganz vom weltweiten Netz abzukoppeln und ein eigenes Internet zu schaffen.

Schmidt war bis April 2011 Chef von Google und führt seitdem den Verwaltungsrat des Internetriesen. Er reiste in den vergangenen Monaten etwa nach Nordkorea, um für eine Anbindung des abgeschotteten Landes an das weltweite Datennetz zu werben. Das Buch schrieb er gemeinsam mit Jared Cohen, einem ehemaligen Mitarbeiter des US-Außenministeriums, der jetzt bei Google arbeitet.

Neben militärischen Verbindungen könnte so etwas wie eine "neue Hanse" entstehen, in Anlehnung an die Handelsgemeinschaft deutscher Städte im Mittelalter, meinen die Autoren. Westliche Staaten würden versuchen, Ideale wie Demokratie und Transparenz zu verteidigen und die Verbreitung restriktiver Überwachungssoftware zu verhindern.

Das dient nicht zuletzt wirtschaftlichen Interessen. "Wenn Länder zusammenarbeiten, um virtuelle Polizeistaaten aufzubauen, wird es immer schwerer für westliche Firmen werden, dort Geschäfte zu machen." Unternehmen aus nicht-demokratischen Ländern würden diese Lücke füllen. Das Eintreten des Google-Spitzenmannes für ein offenes, nicht staatlich unkontrolliertes Internet ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen.

Auch Konflikte spiegeln sich in der digitalen Welt wider. "Man kann sagen, dass wir schon in einem Zeitalter staatlich geführten Cyberkriegs leben, auch wenn das den meisten von uns nicht bewusst ist." Virtuelle Angriffe würden zunehmen, erklärt Schmidt: "Sowohl Terroristen wie auch Staaten werden sich Taktiken des Cyberkriegs bedienen". Er geht davon aus, dass Staaten eher digitale Spionage betreiben, während Terrorgruppen es auf die Zerstörung von Infrastruktur anlegen würden.

Dabei stünden angegriffene Staaten vor dem Problem, dass die Urheber der Attacken schwer zu identifizieren seien. Sie verwischten ihre digitalen Spuren oder legten falsche Fährten. Daher sei eine Verteidigung oder ein Gegenschlag schwer möglich. "Das macht dies zu einem Krieg, der im Dunkeln geführt wird." So gab es nach Angriffen auf mehrere US-Medien Hinweise, dass China hinter den Attacken stecke - doch das Land bestreitet dies stets.

Schmidt und Cohen loben auch die segensreichen Auswirkungen der Digitalisierung. Dadurch bekämen die Menschen mehr Macht und Möglichkeiten. In ihrer Utopie wird ein Massai-Hirte in der Serengeti über sein Handy mit Hilfe von Spracherkennungssoftware und gesammelten Informationen von anderen herausfinden können, wo sich Raubtiere verbergen. In der westlichen Welt werden Menschen schon in wenigen Jahrzehnten in komplett digital verknüpften Haushalten leben.

Dort errechnet das Auto die Fahrzeit ins Büro und schickt rechtzeitig eine Erinnerung an die Internetverbundene Uhr. Für Schmidt und Cohen ist das ein Segen: "Alle profitieren von digitalen Verbindungen." Wer noch nicht online ist, wird es bald sein, und wer es schon ist, dessen Leben wird noch stärker digitalisiert. (dpa/tc)