Online-Insider-Treff in Essen:

Ergonomie als Stiefkind

02.02.1979

ESSEN (CW) - Bei den Bemühungen, Kommunikation zwischen Geräten und Systemen verschiedener Hersteller und über räumliche Distanzen hinweg zu ermöglichen, sind Fortschritte erzielt worden, sagte Albin L. Ockl, der sich als Unternehmensberater für Datenkommunikation und verantwortlicher Dozent der ONLINE-Seminarreihe bezeichnet, in seiner Eröffnungsansprache zum diesjährigen Essener Fachkongreß ONLINE V.

Er verwies in diesem Zusammenhang auf die unter Federführung des Comité

Consultativ International Téléfonique et Télégraphique (C=) geschaffenen Normen der V - und X-Serien. Ein weiteres Beispiel sei die Arbeitsgruppe TC 97 / SC 16 der International Organization for Standardization (ISO) mit ihrem Ziel einer "Open Systems Interconnection" und ihrem weithin akzeptierten Sieben-Ebenen-Modell für ein Netzwerkkonzept. Damit sind die Schwierigkeiten, denen sich der Anwender in diesem Bereich gegenübersieht jedoch keineswegs ausgeräumt; hier liegt ein lohnendes Betätigungsfeld für Hersteller und nationale Postorganisationen, stellte Ockl fest.

Fortschritte sieht Ockl auch auf dem Gebiet der Datensicherheit in Online-Systemen. Der mehrfache Zugriffsschutz, den moderne DB/DC-Systeme böten, basiere auf der präventiven Überprüfung der Terminal-, Transaktions-, Daten- und Funktionsberechtigung. Ein ganz anderes Beispiel seien die Chiffriergeräte, wie sie in einigen Datennetzen zur Datensicherung eingesetzt würden. Zur Verwendung in Datenpaketvermittlungsnetzen sind sie völlig ungeeignet, bedauerte Ockl mit Seitenblick auf das SWIFT-Netz der deutschen Banken, denn die in den Paketen enthaltenen Steuerinformationen wurden dabei unzulässigerweise mitchiffriert.

Die Forderung nach Benutzerfreundlichkeit hat für Ockl nicht nur menschliche, sondern auch reale ökonomische Aspekte und sollte aus beiden Gründen mehr Beachtung finden. Eine Realisierung

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Benutzerfreundlichkeit nicht nur eine Gestaltungsfrage

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aber stoße auf Hemmnisse: Systembenutzer könne jemand sein, der im Dialog mit Time-Sharing-Systemen Software erstellt, aber auch jemand, der nicht einmal die Bedeutung der Abkürzung "EDV" kenne. Dieses Beispiel mache klar, wie dringend erforderlich eine Beschäftigung mit dieser Thematik sei. Eine wichtige Rolle spiele dabei die Antwortzeit eines Systems, das menschliche Kurzzeit-Gedächtnis und die damit verbundenen negativen Effekte von Verzögerungen und Störungen im System.

Ockl informierte seine Zuhörer auch darüber, daß die das Seminar begleitende Ausstellung in den kommenden Jahren ausgebaut werden solle. Bisher weisen nur wenige EDV-Häuser in Anlehnung an die Seminarthematik auf sich und ihre Produkte hin. In diesem Jahr hatten noch solche Anbieter die Oberhand, die sich mit der Auslage von Hochglanzprospekten begnügten; es waren aber auch schon kleine Messestände, bestückt mit Geräten und Beratungspersonal, zu sehen.

Allein zwei der Fachvorträge des ersten Veranstaltungstages befaßten sich mit der Deutschen Bundespost und ihren Datenkommunikationsdiensten. Der zweite und dritte Seminartag enthielten diesen Problemkreis in teils modifizierter Form. Dabei ist dieses Sachgebiet nicht eben neu. Gerade deshalb aber wurde es in Essen zu einem interessanten Indikator.

Solange die Referate innerhalb der Vortragsreihe B Probleme der Bildschirm-Arbeitsplatz-Ergonomie abhandelten, bevölkerten so um die 10 Prozent der Seminarteilnehmer den Hörsaal. Die anderen ließen sich in der Vortragsreihe A in die Netzwerkkonzepte NCN (Nixdorf) und SNA (IBM) einweihen. Als aber Friedhelm Hillebrand vom Bundespostministerium sich innerhalb der B-Reihe zum Datenpaketvermittlungsvorhaben (DPV) der Post äußerte, war das zur gleichen Zeit innerhalb der B-Reihe erläuterte CNA-Netzwerkkonzept (SEL) nicht mehr so interessant. Die große Mehrheit der Teilnehmer lauschte Hillebrands Ausführungen.

Klares Fazit: Die meisten Seminaristen hörten sich lieber "alles andere" an als Überlegungen zur Arbeitsplatz-Ergonomie. Wie diese Abstinenz zu erklären ist, muß offenbleiben. An arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen besteht - das wurde in Essen deutlich - auf Herstellerseite kein Mangel, wohl aber an entsprechenden Konsequenzen. Vieles spricht dafür, daß hier einer (die Herstellerseite) auf den anderen (die Anwenderseite) wartet. Es gehört nicht viel Hellsehertum dazu, vorherzusagen, daß bei zu langem Warten die Tarifvertragsparteien in dieses Vakuum stoßen werden.