Entwicklung stagniert im Prototypenstadium

Erfolg des Itanium hängt von der Software ab

26.07.2002
MÜNCHEN (CW) - Nach Einschätzung von Chipexperten wird der Erfolg von Intels neuen Itanium-2-Prozessoren auf sich warten lassen. Gerade in Zeiten rückläufiger IT-Investitionen würden Programmierer und Anwender davor zurückschrecken, Applikationen auf die Intel-Architektur zu portieren oder neu zu entwickeln.

Es braucht Zeit, die neuen Instruktionen für Intels Explicitly Parallel Instruction Computing (Epic) zu lernen, erklärt Len Tsai, Technikchef bei NEC, anlässlich einer Podiumsdiskussion unter hochkarätigen Chipexperten im US-amerikanischen San Jose. Es könne bis zu 15 Jahre dauern, ehe die Programmierer dahingehend umerzogen seien. Außerdem bringe ein Wechsel zu Intels Itanium-Architektur hohe Kosten mit sich, warnt Tsai.

Dieser Einschätzung widerspricht Jerry Huck, Chief Architect bei Hewlett-Packard. Sein Unternehmen war an der Entwicklung des Chips maßgeblich beteiligt. Software auf die Itanium-Plattform zu portieren sei längst nicht so kompliziert, wie dies viele Firmen glaubten. HP, Intel und Microsoft investierten Millionen, um sicherzustellen, dass Applikationen zusammen mit dem Itanium funktionierten. Außerdem dauere es nicht lang, sich an den Instruktionssatz zu gewöhnen. Bei HP hätten die Entwickler dies schnell gelernt. "Vielleicht ist Tsai zu alt dafür", stichelt der HP-Manager in Richtung des Kritikers. Allerdings bleibt Huck nichts anderes übrig, als dem Itanium die Stange zu halten. Die HP-Verantwortlichen setzen die Zukunft ihrer gesamten Server-Plattformen auf die neue Intel-CPU.

Die Ausgangssituation für die Anfang Juli dieses Jahres vorgestellte jüngste Itanium-Generation bleibt dennoch schwierig. Die schon für die erste Version angekündigte Millionenunterstützung durch Intel für die Softwareindustrie hat bislang kaum Wirkung gezeigt. So fehlt nach wie vor ein erprobtes 64-Bit-fähiges Betriebssystem. Zwar bieten verschiedene Hersteller wie Microsoft mit Windows Advanced Server und Windows XP 64 Bit, Hewlett-Packard mit HP-UX sowie Caldera und Red Hat mit ihren Linux-Distributionen Betriebssysteme für die Itanium-Plattform an. Die Anwender bringen diesen Systemen jedoch bislang wenig Vertrauen entgegen. Diese Zurückhaltung sei berechtigt, meint Sarang Ghatpande, Analyst bei D.H. Brown Associates, im Grunde handle es sich bei diesen Systemen noch um Prototypen.

Auf der Anwendungsseite sieht es nicht besser aus. Zwar arbeiten beispielsweise IBM und Oracle an der Portierung ihrer Datenbanken "DB2" und "9i" auf die 64-Bit-Intel-Plattform. Von den entsprechenden Applikationen gibt es jedoch bislang nur vorläufige Versionen, die noch nicht hinreichend getestet wurden.

Die Nutzer würden kaum auf den Itanium-Zug aufspringen, wenn die Softwareentwicklung nicht schnell in die Gänge komme, prognostiziert Charles King, Analyst der Sageza Group aus Mountain View in Kalifornien. Ansonsten werde sich die Architektur weiter auf das Segment des Technical Computing beschränken müssen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten überlegten sich die Kunden einen Plattformwechsel zweimal.

Auch Intel-Vertreter räumen mittlerweile ein, dass man die Itanium-Entwicklung langfristig sehen müsse. Die Anwender wechselten die Technik nicht über Nacht, erklärt Barbara Grimes, Sprecherin des kalifornischen Chipherstellers. Man gebe der neuen Prozessortechnik eine Durchsetzungszeit von rund 20 Jahren. (ba)