Trends und Entwicklungen im Supermikro-Bereich

Erfolg der 32-Biter muß aus der Anwendung kommen

03.07.1987

Von Horst-Joachim Hoffmann*

MÜNCHEN- Mit - selbst für die DV-Branche ungewöhnlicher - Euphorie redet sich die Szene in einen rosarot gefärbten 32-Bit-Rausch hinein: Angelpunkt der Umsatzvisionen sind die neuen, alten 32er Mikrochips, allen voran der Intel 80386. Besinnen sich die Macher nicht aber auf eher praktische Qualitäten, so prophezeien kritische Stimmen schon jetzt einen mehr faden Triumphzug der Power-Mikros.

Entzündet hat sich die Fachdiskussion denn auch nicht so sehr an den Mikroprozessoren der zweiten Generation, sondern mehr am PS/2-Announcement der IBM. 32-Bit-Mikros sind mittlerweile seit gut acht Jahren bekannt, litten aber in ihren Anwendungen unter Begrenzungen, die hauptsächlich durch die Busstrukturen und Leistungslimits der Betriebssysteme für eine gebremste Performance sorgten. So wird der Intel 386 momentan mit dem 16 Bit breiten IBM-AT-Bus gefahren und leidet trotz seiner enormen Speicherkapazitäten von 4 GB physisch und 64 Terabyte virtuell unter dein Einsatz des Standard-PC-Betriebssystems MS/ DOS, das die Programmgröße auf 640 KB RAM begrenzt.

MS-DOS bremst Supermikros auf Intel-Basis

Mit neuem Bus und neuem Betriebsystem - OS/2 - geht IBM nun diese Klagen an. Mit dem April-Announcement soll die 640-K-Schranke fallen. 16 MB RAM stehen dann ebenso zur Verfügung wie die Möglichkeit, verschiedene Operationen konkurrierend fahren zu können. Neben der IBM arbeitet Microsoft an einem Betriebssystem MS-OS/2, das auch Clones zur Verfügung stehen wird, allerdings ebenso wie IBMs OS/2 erst Anfang nächsten Jahres in vollem Umfang. US-amerikanische Beobachter gehen deshalb schon jetzt davon aus, daß das erste voll funktionsfähige 386-Betriebssystem deshalb eventuell gar nicht von den zwei Großen stammen könnte: The Software Link aus Atlanta hat nach Berichten des US-Fachblattes Datamation das Modular Operating System MOS/386 marktreif. Ohne das 640-KB-Limit soll das Betriebssystem bei Einführung eines 32-Bit-Busses nach Unternehmensangaben von jetzt 16 Bit aus leicht umzuschreiben sein. Auch Convergent kommt mit seinem 386-Betriebssystem CTOS/VM auf den Markt. Softguard Systems aus Santa Clara präsentiert das VM/386, ein Betriebssystem, das dem VM/370 nachempfunden ist.

Mit großer Spannung allerdings erwarten die Beobachter die Entwicklung im Unix-Bereich. Vor wenigen Wochen kündigten Microsoft und AT&T Zusammenarbeit im Bereich einer 386-Version des Unix System V an. Dieses Release 5.3 ist nach Angaben von Intel-Produktmanager Dr. Jens Bodenkamp aus München inzwischen von AT&T für den Mikroprozessor voll validiert. "Wir arbeiten konkret an einer Version Xenix 5.3", bestätigt Microsoft-Geschäftsführer Christian Wedell aus München. Das Ziel sei es, mit einem "Microsoft-Unix" herauszukommen, das dann auch gleichzeitig das AT&T-Unix für 286/386-Prozessoren sei. "So wie es aussieht", meint Wedell, "kann man mit der Fertigstellung Ende '87, Anfang '88 rechnen."

Als Konvergenzpunkt sieht auch der Intel-Insider Bodenkamp die Unix-Version V.3. Die volle Validierung und Implementierung auf dem Intel-Prozessoer wird nach seiner Meinung "sicherlich ein voller Erfolg". Mehrere Unternehmen böten hier schon Ports an, wie Microport oder Interactive unter AT&T-Lizenzierung. Dabei steht vor allem der Wunsch nach tatsächlicher Portierungsmöglichkeit für Software hinter den Hoffnungen, die auf Unix V. 3 liegen. Die Vergangenheit ist nach Worten Bodenkamps vor allem dadurch gekennzeichnet daß es auf Grund der Attraktivität des Unix-Betriebssystems viele Portierungen auf verschiedenste Prozessoren, Minis und auch Mainframes gegeben habe. Die Portierbarkeit von Anwendungssoftware allerdings war mit hohen Kosten und enormem Arbeitsaufwand verbunden. Der jetzige Schritt von AT&T - die erstmalige Lizenzierung der Produktbezeichnung Unix - sei ein wichtiger Schritt, mit dem Auseinanderdriften in diesem Bereich Schluß zu machen.

Unix-Lizenzierung wichtig für SW-Portierungen

Die Attraktivität des 386 liegt nach Bodenkamps Worten nun nicht mehr nur darin, daß man die 32-Bit-Software alleine fahren kann. "Es bieten bereits einige Unternehmen in den Vereinigten Staaten Programme an, die den 80386 in seiner Hardwareeigenschaft, eine virtuelle Maschine sein zu können, voll ausnutzen", so der Intel-Manager zum überseeischen Status quo.

In dem Prozessor sei ein Bit installiert, das den Prozessor befähigt, zwischen 16 Bit und 32 Bit zu variieren. Einige wenige Unternehmen in den USA bieten solche Kombinationshilfen an, so daß 16-Bit-Programme aus der DOS-Welt unter Unix auf nur einem Prozessor abgearbeitet werden können. Die Locus Corporation aus Santa Monica beispielsweise vertreibt mit Merge/386 ein solches Programm; ein ähnliches Produkt hat Interactive aus Phoenix mit VP/ IX auf dem Markt.

IBM indes setzt nach Meinung von Beobachtern vorerst voll weiter auf die DOS-Schiene mit starker Ausrichtung auf OS ab Beginn nächsten Jahres. Auf die Frage nach den Unix-Ambitionen des Großherstellers, verweist die Stuttgarter Presseabteilung auf den derzeitigen Stand: Für das Modell 80 ist das AIX, das derzeit auf dem RISC-Rechner 6150 eingesetzt wird, angekündigt.

Insbesondere die Aktivitätenschiene AT&T - Microsoft - IBM mit den aktuellen Entwicklungsverbindungen läßt allerdings einige Experten vermuten, daß IBM die Unix-Karte noch lange nicht ausgereizt hat. Die OS-Perspektive indes erweist sich vorerst sicherlich als beruhigend für die vielen DOS-Anwender. Wenn auch nicht zu 100 Prozent, so soll doch das System /2 sich zu bisherigen DOS-Programmen als "erstaunlich kompatibel" (Bodenkamp) erweisen.

Auch Microsoft gibt beruhigende Auskunft: "Es gibt keinen Grund, MS-DOS nicht kontinuierlich weiterzuentwickeln", stellt Wedell heraus, zumal nach seiner Einschätzung die Mehrzahl der verkauften Systeme in den nächsten zwei Jahren sicherlich auf diesem Betriebssystem laufen werden. Auch am MS-DOS selber seien noch verschiedene Erweiterungen denkbar, die dem Anwender auf Grund des DOS-Maschinenparks zugute kommen können.

Auch von MS-DOS wird es noch weitere Versionen geben

Aber auch unter Aspekten der OS-Entwicklung ist der Fortbestand des MS-DOS zu sehen. So liegt es beispielsweise im Netzbereich nahe, MS-DOS-Maschinen mit OS-Systemen zusammenzukoppeln, so daß eine Parallelität der Entwicklungen sinnvoll erscheint. Ohne Zweifel sind neben den erwähnten Betriebssystemen weitere Produkte in Arbeit, die aber durch die Power der 32-Bit-Mikroprozessoren den Entscheidungsprozeß eines Anwenders nicht vordergründig tangieren werden, meinen Beobachter.

Gleichermaßen lohnt ein Blick auf die Prozessor-Manufakturen, die sich in diesem Segment den Kuchen aufteilen wollen. Neben Intel und Motorola zählen die Analytiker noch NatSemi zu den nennenswerten Produzenten der Power-Systeme. Bereits 1979 schuf Motorola mit der Präsentation der 68000er-Familie die Grundlage für die heute im Gespräch befindliche neue Generation.

Motorola: Pionier bei 32-Bit-Prozessoren

Der MC68000 wurde als 32-Bit-CPU mit einem 16-Bit-Bus konzipiert. 1982 folgte der 68008 mit einem 8-Bit-Bus; als wichtigen Schritt zu den heutigen Entwicklungen präsentierten die Prozessorbauer aus Arizona dann 1983 mit dem 68010 das erstemal einen Mikro mit 16-Bit-Bus und der Möglichkeit des virtuellen Speicherns. Der heute überwiegend im Einsatz befindliche 68020 wurde im darauffolgenden Jahr vorgestellt. Er bietet einen internen und externen 32-Bit-Bus und ist in vier Versionen mit Taktfrequenzen zwischen 12,5 und 25 Megahertz am Markt. Seine. Leistung liegt bei 5 MIPS (Million Instructions per Second).

Vom Design her sind diese Prozessoren wegen der guten Speicherkapazitäten und der vielfältigen Möglichkeiten der Bitmanipulation besonders im technischen Workstationbereich zu finden. Motorola hat sich hauptsächlich dem Betriebssystem Unix verschrieben und bot nach Analytikermeinung die erste umfassende Unix-Plattform an. Das Nachfolgemodell des 68020 mit der Bezeichnung 68030 ist, was die Massenproduktion angeht, in greifbare Nähe gerückt. Sie wird im vierten Quartal anlaufen. Von der Performance her wird die Leistung des MC68020 verdoppelt werden.

NatSemi: Geheimtip im OEM-Bereich

Der Dritte in der Gilde der nennenswerten Prozessor-Manufakteure ist NatSemi aus Santa Clara. Die National Semiconductor Corporation hat seit 1982 einen 32-Bit-Chip im Markt, der ursprünglich als NS16032 bezeichnet wurde. Die Verwechslungsgefahr mit einem 16-Biter führte zur Umbenennung in 32016. Diesem System folgte der 32032 mit einem 32-Bit-Bus und 24-Bit-Adressierung.

*Horst-Joachim Hoffman ist freier DV-Fachjournalist in München.