Dekra untersucht Arbeitsmarkt für SAP-Spezialisten

Erfahrenen Mitarbeitern stehen alle Türen offen

20.02.1998

Auffällig war, so die Dekra-Forscher, daß Mitarbeiter mit Programmierkenntnissen in Abap/4 für die Entwicklung von SAP-Produkten weit häufiger im Internet gesucht wurden als in den Zeitungen. Ansonsten ähnelten sich die Stellenanzeigen in den beiden Medien sehr. Demnach haben Softwarehäuser und Unternehmensberatungen den größten Bedarf an SAP-Fachkräften. Gab die Dienstleistungsbranche insgesamt 69 Prozent der Anzeigen in Auftrag, folgte in weitem Abstand die Industrie mit knapp 23 Prozent. Handel, Banken, Versicherungen und öffentlicher Dienst kamen auf knapp fünf Prozent.

Bezogen auf die SAP-Funktionsbereiche kommt die Dekra-Studie zu folgendem Ergebnis: Berater, die Firmen bei der Einführung eines SAP-Systems oder bei der Umstellung beziehungsweise Erweiterung der älteren Standardsoftware R/2 auf R/3 unterstützen können, wurden in knapp 37 Prozent der Annoncen gesucht. Mit etwa 29 Prozent folgten die Entwickler, die unternehmensspezifische Anpassungen des Systems vornehmen beziehungsweise branchenspezifische Lösungen bauen.

Bei den gesuchten Anwendern (21,5 Prozent) handelt es sich in der Regel um Fachpersonal aus den Bereichen Buchhaltung, Materialwirtschaft, Controlling oder Vertrieb, die schon im SAP-Umfeld gearbeitet haben. Administratoren, auf die knapp acht Prozent der Anzeigen entfielen, sind DV-technische Spezialisten, die in den Firmen den Betrieb des Client-Server-Systems garantieren sollen.

Interessant sind die Fachkenntnisse, die von SAP-Beratern, -Entwicklern oder Anwendern erwartet werden. Wer Erfahrungen in Logistik und Rechungswesen mitbringt, hat die größten Chancen. Gern gesehen sind auch Kenntnisse in der Programmiersprache Abap/4. "Bemerkenswert ist die Dominanz der Logistikmodule", stellen die Dekra-Forscher fest, wobei sie zu Logistik die Bereiche Materialwirtschaft, Vertrieb, Produktionsplanung, Qualitäts-Management und Instandhaltung zählen.

Kommen 37,7 Prozent der Anzeigen aus dieser Sparte, entfallen auf das Rechnungswesen mit den Aspekten Finanzen, Controlling und Anlagenwirtschaft 26,8 Prozent. Der Bereich Personalwirtschaft folgt weit abgeschlagen mit 6,6 Prozent, holt aber ständig auf, so die Dekra-Beobachtung.

Ausdrücklich suchten 70 Prozent aller Inserenten SAP-Personal mit längerer Berufserfahrung. "Aufgrund der momentanen Nachfragesituation kann diesem Wunsch mit Sicherheit nur zum Teil entsprochen werden", bemerkt dazu die Dekra-Untersuchung. Sie weist darauf hin, daß immer mehr Unternehmen bereit sind, "gut ausgebildete SAP-Fachleute auch ohne langjährige Berufserfahrung einzustellen und sie durch erfahrene Kollegen einzuarbeiten".

Laut Dekra-Auswertung wurden fast ausschließlich feste Stellen angeboten und kaum Freiberufler gesucht. Die Unternehmen haben offenbar großes Interesse, einmal gefundene SAP-Könner fest an sich zu binden.

Was die Suche nach geeigneten Mitarbeitern angeht, so sind die SAP-Spezialisten die "Sorgenkinder der Personalchefs". Das war bereits das Fazit einer Annoncen-Auswertung von 1995. Inzwischen gibt es zwar mehr Fachleute mit einschlägigen Kenntnissen, aber die Nachfrage nimmt weiter zu. Dies hängt unter anderem mit dem Jahr 2000 und dem Euro zusammen - beides sind Anlässe für viele Unternehmen, sich jetzt eine einheitliche Standardsoftware für alle Abteilungen zuzulegen oder den Umstieg auf SAP R/3 sofort zu vollziehen.

So ist es auch nicht verwunderlich, daß allein die SAP AG noch in diesem Jahr weltweit etwa 5000 neue Mitarbeiter einstellen will. Zwischen 1800 und 2000 dieser Jobs sollen in den deutschen Niederlassungen des Softwarekonzerns entstehen, bestätigt der Walldorfer Personalverantwortliche Hartmut Hillebrand. Der Konzern will sich mit speziellen Angeboten neue Abnehmerbranchen erschließen wie den öffentlichen Dienst, den Handel, die Finanzdienstleister und die jungen Telekommunikationsanbieter.

Besonders gefragt sind Entwickler, Berater und Servicespezialisten. "Ideal sind Leute mit Berufserfahrung, aber die sind dünn gesät", weiß der Personalverantwortliche. Deshalb bekommen auch Hochschulabsolventen eine Chance. Sie werden intern geschult und arbeiten danach mit einem erfahrenen Mentor. Als "erfolgreiche Firma mit gutem Betriebsklima", so Hillebrand, will sich das Unternehmen bei der Personalsuche gegen andere Nachfrager durchsetzen.

Firmeninterne SAP-Ausbildung und Betreuung durch einen Mentor - das können und wollen sich kleine Software-Anbieter nicht leisten. Ohne nachgewiesene mehrjährige Berufserfahrung als R/3-Berater stellen sie niemanden ein. Das entsprechende Lern- und Übungsfeld sollen die Großen der Branche bereitstellen, heißt es.

Zu diesen zählt das zum Daimler-Benz-Konzern gehörende Debis Systemhaus. "Wer auf dem hartumkämpften Personalmarkt erfahrene SAP-Mitarbeiter sucht, muß das im Internet tun und auch Headhunter beschäftigen", berichtet Anjela Dädler, die SAP-Spezialistin in der Hamburger Personalabteilung der Firma. Debis schult SAP-Einsteiger und stellt ihnen Paten zur Seite. "In der Praxis ist das gar nicht so einfach", weiß Dädler, "etwa dann, wenn der Pate an einem Projekt in einer anderen Stadt als sein Schützling arbeitet."

Kein Wunder also, daß Schlüsselqualifikationen wie Eigeninitiative, Selbständigkeit und starkes Engagement bei Debis eine große Rolle spielen. Die Firma versucht, gute SAP-Experten mit dem Angebot eines sicheren, abwechslungsreichen und entwicklungsfähigen Jobs zu halten. "Mit den exorbitant hohen Gehältern, wie sie Ableger von US-Konzernen hier zahlen, können wir nicht mithalten", unterstreicht Dädler.

Ebenfalls um den Nachwuchs bemüht sich die Berliner SAP-Akademie. Sie bietet Partnerfirmen ein umfangreiches modulares Kurssystem an sowie eine kompakte, mehrwöchige Grundausbildung für SAP-Berater. Nur im Ausnahmefall können Selbstzahler, die nicht von ihrem Arbeitgeber entsandt werden, daran teilnehmen. Dafür bieten bundesweit andere Weiterbildungsinstitute - wie die Dekra-Akademie - die Schulung zum zertifizierten SAP-Berater an. Zielgruppe dieser vom Arbeitsamt geförderten Maßnahme sind arbeitslose Arbeitnehmer mit informationstechnischen oder betriebswirtschaftlichen Kenntnissen.

Nachdem Anfang des Jahres die Bestimmungen des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) verschärft wurden, erhalten nur noch solche Kurse und Bewerber einen Zuschlag, bei denen "die Erfolgsaussichten einer Eingliederung" hoch sind, wie es im Amtsdeutsch so schön heißt. Kein Problem im SAP-Umfeld - noch kein Problem. Denn Branchenbeobachter schätzen, daß der SAP-Markt in drei bis fünf Jahren weitgehend gesättigt ist.

*Helga Ballauf ist freie Journalistin in München.