The Waves of Change

Entwicklungstendenzen Hardware/Software

28.03.1978

Für die "Future Systems" von IBM dürfte es eine große Anzahl von "Selectable Units" (SU) geben. Für die Benutzer, die das neue Hardwarepotential nutzen wollen, wird sich damit die Software erst einmal verteuern. Ein Ergebnis der neuen Preisgestaltung dürfte jedoch sein, daß die hohen Software-Entwicklungskosten nicht auf die Hardware abgewälzt werden können, sondern bereits in den Softwarepreisen integriert sind.

Die neue Rechnergeneration mit ihrer Hochleistungs-Hardware hat hervorragende Marktchancen. Auf Benutzerseite wird sich die Hauptkostenbelastung immer mehr auf Mikrocode und Software verlagern. Die SU-Methode ermöglicht IBM eine weitere Differenzierung bei der Preisgestaltung ihrer Betriebssysteme.

Vielleicht noch eine letzte Feststellung, gleichsam als Ausblick in die Zukunft: Schon heute gibt es genügend Anzeichen dafür, daß die SUs im Grunde nichts anderes sind als das Vorspiel zu einer völlig getrennten Preisgestaltung von Hardware und Software.

Bei allem ist die Idee eines "entbündelten" Betriebssystems garnicht einmal so neu. Control Data hat dieses Konzept schon vor über fünf Jahren realisiert.

Anläßlich der Einführung der neuen Criterion-Systemreihe hat auch NCR eine "Entbündelung" seiner Betriebssysteme angekündigt.

Die Software-Entwicklungskosten machen heute einen ständig steigenden Anteil am Systemgesamtpreis aus: In dieser Situation wäre es einfach unfair, die hohen Softwarekosten einfach pauschal auf den einzelnen Anwender abzuwälzen, ohne nach dem jeweiligen Softwarevolumen zu differenzieren, das der Kunde auf seinem System einsetzt. In Zukunft wird der Anwender daher nur noch die Kostensteigerungen mitzutragen haben, die bei seinen speziellen Softwarekomponenten angefallen sind.

Das Master Control Programm der Serie 80 von Burroughs ist ebenfalls entbündelt. Ein weiterer Beweis dafür, daß der SU-Trend gar nicht neu ist.

Eine Frage bleibt noch offen. Warum "entbündelt" IBM ihre größeren Betriebssysteme gerade jetzt? Japanischen Berichten zufolge sind bei Fujitsu Aufträge über mehr als 40 M 190 bzw. rund ein Dutzend M 180 II-Systeme eingegangen. Die Amdahl Corp. meldete mehr als dreißig 470V/6-Bestellungen, darunter allein drei von AT&T.

Daneben bringen Halbleiterhersteller in Zusammenarbeit mit anderen Computerherstellern oder Leasingfirmen immer mehr IBM-steckerkompatible Mainframes auf den Markt, die auf IBM entwickelte Betriebssoftware angewiesen sind.

Wenn nun IBM gegen diese "steckerkompatible" Konkurrenz auch weiterhin im profitablen Mainframe-Geschäft führend bleiben will, dann mit verstärktem Nachdruck auf einer separaten Preisgestaltung. Für den Benutzer bedeutet das: Die Hardwarepreise für CPU-Leistung, Speicherkomponenten und E/A-Kanäle werden in den nächsten Jahren stark sinken. Bei der Betriebssoftware hingegen durfte die Entwicklung genau umgekehrt verlaufen: Hier ist mit substantiellen Preissteigerungen zu rechnen, in dem Maße wie die Mainframer - unter Wettbewerbsdruck von Seiten japanischer Hersteller und der Halbleiterindustrie - im Zuge des "value added pricing" ihre Hard- und Firmware zu verbilligen suchen.

Es ist durchaus vorstellbar, daß Hersteller von IBM-steckerkompatiblen Systemen wie Amdahl, Itel, Fujitsu, Hitachi und CDC in Zukunft hohe Monatsmieten für IBM-SUs bezahlen müssen, auf die sie mit ihren Produkten angewiesen sind. Dabei ist natürlich vorausgesetzt, daß diese Hersteller in Hardware, Mikroware und Software mit IBM Schritt halten können.

Vor allem die Position der Amdahl Corp. könnte prekär werden. Die Systeme dieses Herstellers sind auf den Einsatz von IBM-Software ausgelegt. Geht man nun von einer zunehmenden Differenzierung der IBM-Software aus, so besteht hier durchaus die Gefahr, daß die Wartung von verschiedenen Versionen einer Vielzahl von Softwaremoduln in unterschiedlichen Environments das Software-Support-Budget bei Amdahl aus allen Nähten platzt.

Auf der anderen Seite kann aus dem SU-Konzept der IBM einmal eine umfangreiche "Multimodul"-Bibliothek werden. Damit lassen sich dann Software und Mikrocode weiter optimieren und viel genauer auf die Bedürfnisse des Benutzers abstimmen. Neue IBM-Systeme könnten dann auf die Erfordernisse bestimmter Anwendertypen (Banken, Versicherungen, Einzelhandel etc.) oder auf spezielle Applikationsbereiche (Buchführung, Lagerhaltung etc.) geradezu maßgeschneidert werden.

Darüber hinaus dürfte die SU-Strategie den steckerkompatiblen Mainframern das "Abhängen" oder die Umstellung von IBM-Systemen weiter erschweren. Die IBM-Anwendersysteme werden sich künftig noch weiter differenzieren, jedes System wird eine individuelle Hardware/SU-Konfiguration aufweisen. Es wird also in Zukunft ziemlich schwierig sein, ein solches SU-Konzept zu knacken.

Mit dem Mikrocode besitzt IBM übrigens eine ideale Möglichkeit, ihr Unbundling genau zu dosieren. Auf diese Weise lassen sich dann die hohen Softwareentwicklungskosten wieder hereinhollen.

In der neuen Ära der Systeme 80 liegen auch standardisierte Firmwaremoduln durchaus im Bereich des Möglichen. Damit hätte die IBM ein Höchstmaß an Flexibilität und Kontrolle über Hardware, Softwareeinsatz und Anwenderleistung erreicht. Der zuvor angesprochenen funktionalen Preisphilosophie stünde dann nichts mehr im Wege.