Vereinigung Deutscher Softwarehersteller wettert gegen RAL-Prüfverfahren:

Entwickler pfeifen auf Software-Gütezeichen

05.09.1986

MÜNCHEN - Das RAL-Gütezeichen Software gerät zunehmend in Mißkredit: Nachdem bereits im Januar diesen Jahres der Zentralverband des Deutschen Handwerks ernste Bedenken gegen das "Qualitätssiegel" äußerte (siehe auch CW Nr. 2/86, Seite 10), kritisiert nun auch die Vereinigung Deutscher Softwarehersteller e.V. (VDS) das Prüfverfahren.

"Wir werden dagegen angehen, solange der Atem reicht", formuliert VDS-Geschäftsführer Roland Bickmann die Kampfansage seines Verbandes an die Initiatoren des Qualitätsstempels. "Das Gütezeichen Software ist nichts anderes als der geschickte Versuch der verschiedenen prüfenden Firmen, einen neuen Markt aufzutun." Mit enormem Marketingaufwand, so Bickmann weiter, werde der Schein erzeugt, als ob nur noch "gütegesiegelte Software" auch eine gute Software sei. "Damit wird den kleinen Anbietern das Wasser abgegraben "

Unter Beschuß des Mannheimer Verbandes, der die Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen der Programmierzunft vertritt, stehen dabei insbesondere die autorisierten Prüfstellen der Gütegemeinschaft Software e.V, Frankfurt. Dazu zählen unter anderem die Gesellschaft zur Prüfung von Software mbH (GPS), Ulm, die Bertelsmann Datenverarbeitung, Gütersloh, und die Technischen Überwachungsvereine (TÜV).

Seit der Anerkennung der Prüfbestimmungen für Software (DlN V 66 285) und dem Eintrag des Emblems in die Gütezeichenliste durch das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. (RAL) im Oktober 1985 wurden bislang 15 Programme mit der umstrittenen Qualitätsplakette versehen. Die Anwendungssoftware wird nach DIN V 66 282 aufgrund der Produktbeschreibung des Herstellers geprüft; diese wiederum muß den Anforderungen von DIN V 66 285 entsprechen. Nach erfolgreicher Prüfung dürfen die Programme mit dem DIN-geprüft-Zeichen in Verbindung mit dem RAL-Gütezeichen gekennzeichnet werden.

Dieses Verfahren ist jedoch dem VDS ein Dorn im Auge: Die Prüfkriterien seien zu lasch, die Kosten zu hoch, bemängeln die Verbandsmitglieder. Bei anfallenden Prüfgebühren zwischen 10 000 und 60 000 Mark könnten sich nur große Softwarehersteller das Gütesiegel für ihre Produkte leisten. Dieser Gruppe biete das derzeit praktizierte Verfahren eine willkommene Gelegenheit, den Markt abzuschotten. Bickmann: "Da sie bei den deutschen Anwendern gut beraten sind, dafür eine pseudo-öffentlich-rechtliche Form zu wählen, ist das Gütesiegel für die großen Anbieter ein ausgezeichnetes Instrument zum Produktmarketing."

Als unsachlich und unlogisch bezeichnet dagegen der Vorstandsvorsitzende der Gütegemeinschaft Software e.V. und Geschäftsführer der Gesellschaft zur Prüfung von Software mbH (GPS), Werner Schmid, die erhobenen Vorwürfe aus den Verbandsreihen: "Der Vorteil durch das Gütezeichen ist eindeutig auf der Seite der kleinen Softwarehersteller. Damit haben sie für ihre Produkte ein Argument gegen die großen Namen in der Hand." Prüfkosten von 60 000 Mark seien ihm bisher noch nicht bekannt geworden. Nach einer Statistik der GPS über 30 geprüfte Produkte beliefen sich die Kosten auf durchschnittlich 750 Mark pro gefundenen Fehler. Insgesamt, so Schmid, könne ein Unternehmen mit anfallenden Prüfgebühren von unter einem Prozent der Produktentwicklungskosten rechnen.

Bei den Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit der Softwareprüfung sammeln konnten, hält sich die Begeisterung für die "Qualitätsidee" offenbar in Grenzen. "Ich halte ??? Ganze für Blödsinn, kommentiert bespielsweise Horst Hömke, Geschäftsführer der PS-EDV-Service, Roßbach, das Szenario der Güteprüfung. Etwa 20 000 und 30 000 Mark hatte der TÜV als Kostenvoranschlag für den Check eines IBM-PC-Programms präsentiert. "Solche Summen kann ich bei Verkaufspreisen zwischen 1600 und 2600 Mark nicht auf den Käufer umlegen." Enttäuschung auch bei der Allerdata GmbH aus Verden, die für drei in Zusammenarbeit mit Siemens entwickelte Programme das Gütesiegel beantragt hatte. "Die Ausbeute der ersten Prüfung war so lächerlich", erinnert sich Geschäftsführer Peter Maisz, "daß wir an einer Weiterverfolgung einfach die Lust verloren haben." Zudem sehe er bis heute keine Marktrelevanz für ein Gütesiegel.

So sind denn auch viele Unternehmen anscheinend weniger durch eigene Initiative als vielmehr auf Drängen großer Hersteller in den Prüfprozeß eingestiegen. "Das Prüfsiegel hat bislang keine allgemeine Anerkennung gefunden", konstatiert etwa Hagen Cyrus, Geschäftsführer der GfU Cyrus + Rölke mbH, Köln. "Wir haben unser Programm Hausverwaltung nur auf besonderen Wunsch von Siemens prüfen lassen, die vorhatten, nur geprüfte Software zu vermarkten." Die Prüfung selber habe allerdings gravierende Fehler, die erst später entdeckt wurden, nicht offenlegen können.