"Entscheidend ist das Branchenwissen"

13.04.2005
Wie und und wo setzen Unternehmen IT-Berater effektiv ein? Zur Klärung dieser Fragen lud die CW vier CIOs bedeutender Unternehmen zu einem Roundtable-Gespräch.

Für fast jedes Anwenderunternehmen gehören Aufträge an IT-Berater zum Alltag. "Jedes große Unternehmen muss heute mit externen Beratern arbeiten", stellt Karl Pomschar, CIO von Infineon Technologies, kategorisch klar. Unterschiede gebe es lediglich beim Wie und Wo.

So setzt Infineon in den Bereichen Consulting und Design fast ausschließlich auf eigene Leute. In den seltenen Fällen, bei denen auch für das Design Externe beschäftigt werden, kommt das Business- und Prozess-Know-how von Infineon-Mitarbeitern. Die Programmierung vergibt der Konzern dagegen in der Regel an Dienstleister. Hierbei wachen jedoch eigene Spezialisten und IT-Architekten über die Vergabe von Aufträgen und deren Erfüllung. Da Infineon in den vergangenen vier Jahren seine IT-Mannschaft fast um die Hälfte reduziert hat, arbeitet das Unternehmen beim IT-Betrieb zu 30 bis 40 Prozent mit externen Kräften.

Lücken flexibel schließen

Hilfreich seien Berater auch bei strategischen Themen, für die das eigene Wissen nicht ausreiche, die aber ein schnelles Vorwärtskommen verlangten, so Pomschar. Als Beispiel nannte er den Markteintritt in China. Als zweites wesentliches Aktionsfeld sieht der CIO Teilbereiche, in denen er nicht genügend eigene Leute unter Vertrag halten kann, weil dafür das Geschäft von Infineon zu beweglich sei. IT-Berater dienen dabei der Flexibilisierung.

Das flexible Schließen eigener Lücken nennt auch Erich Pfeifer, CIO der Rheinland Versicherungs AG, als wesentlichen Vorteil: "Im Projektgeschäft muss ich atmen können und im Bedarfsfall Leute dazuholen." Für das Alltagsgeschäft hat Pfeifer im Gegensatz zu Pomschar nur ein sehr kleines Beraterbudget eingeplant.

Bei der Coca-Cola Erfrischungsgetränke AG decken externe Berater etwa 10 Prozent des operativen IT-Geschäfts ab. Anders sieht es dagegen bei IT-Projekten aus, wo sich das Unternehmen zusätzliches Know-how von außen zukauft. Bevor sich Coca-Cola-CIO Martin Hölscher nach IT-Beratern umsieht, sucht er innerhalb des Weltunternehmens nach Lösungen: "Wir verfügen über gute kollaborative Prozesse und wissen daher immer, wer innerhalb des Systems Erfahrungen beisteuern kann." Dadurch lasse sich die Zusammenarbeit mit externen Kräften spürbar reduzieren.

Carsten Stockmann, Mitglied des Vorstands und CIO der MLP Bank AG, nutzt IT-Berater wie seine Kollegen, um Kapazitäten anzupassen. Der Finanzdienstleister arbeitet in hohem Maße mit Outsourcing-Partnern zusammen und atmet so nicht nur im Beratungsbereich, sondern auch bei der IT-Infrastruktur. Auch Stockmann setzt zudem auf Spezialisten, die aufgrund ihrer Fokussierung über Wissen verfügen, das sein Unternehmen nicht selbst entwickeln könnte.

Spezial-Know-how allein reicht den CIOs allerdings nicht, wenn sie Berater engagieren. "Entscheidend ist, dass sie hinreichendes Wissen über das Geschäft und die Branche mitbringen", nennt Hölscher eines der wichtigsten Auswahlkriterien. Nur wenn die internen Ziele in Zusammenarbeit mit den betroffenen Fachabteilungen genau definiert worden seien, könnten die externen Zuarbeiter sinnvoll ausgewählt und gut gebrieft werden. Daneben spielt für den Coca-Cola-CIO auch Vertrauen eine wichtige Rolle. Er setzt deshalb auf langfristige strategische Partnerschaften mit Unternehmen, die ihre Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt haben.

Darauf legt auch Infineon großen Wert. Für komplexe Großpojekte, die sich in zahlreiche Teilvorhaben untergliedern, ist der Konzern auf Kontinuität angewiesen. "Da brauchen wir Leute, die wir gut kennen und die ihrerseits unser Unternehmen gut kennen", erläutert Pomschar. Der Chiphersteller fordert bei seinen Dienstleistern daher nicht eine bloße Zahl von Consultants an, sondern benennt seine Wunschkandidaten namentlich.

Der Erfolg des Beratereinsatzes hängt neben den Fähigkeiten der Externen stark von der Qualität des Projekt-Managements ab. "Das muss man selbst beherrschen, da kann man keine Berater daransetzen", konstatiert Hölscher. Zwar könnten und sollten Externe an der Projektleitung beteiligt werden, diese Aufgaben komplett zu delegieren sei jedoch nicht empfehlenswert.

Unter genauer Beobachtung

Insgesamt haben die CIOs mit ihren IT-Partnern gute Erfahrungen gemacht. Falls sie mit den erbrachten Leistungen nicht zufrieden sind, zögern sie allerdings nicht, sich von schwarzen Schafen zu trennen. "Es gab schon Fälle, wo wir Berater aus dem Rennen genommen haben, weil sie die eingangs gegebenen Know-how-Versprechen nicht halten konnten", resümiert Pfeifer. Bei der Rheinland Versicherung muss zudem jeder IT-Abteilungsleiter, der Externe beauftragt, in der nächsten Budgetrunde genau begründen, warum er diese weiterhin beschäftigen möchte. Zur Bewertung von Beratern rät Pfeifer, auch auf die eigenen Mitarbeiter zu hören: "Als wir zur Jahrtausendwende wegen der Datumsumstellung und der Euroeinführung von 2002 einen hohen Berateranteil hatten, haben unsere Leute schon besonders darauf geschaut, dass die externen Kollegen mit den im Vergleich zu ihren Gehältern höheren Tagessätzen auch Leistung bringen." Die eigenen Mitarbeiter informierten die Abteilungsleiter, wenn sie den Eindruck hätten, dass Kosten und Nutzen in keinem guten Verhältnis ständen.

Infineon legt im operativen Bereich an externe Mitarbeiter dieselben Bewertungsmaßstäbe an, die für das eigene Personal gelten. Bei IT-Vorhaben wird der jeweilige Projektleiter an der Effizienz gemessen. Diese setzt sich aus den drei Kenngrößen Projektumfang, Zeitaufwand und Kosten zusammen. Der Projektleiter hat es in der Hand, Mitarbeiter auszutauschen, die den Erwartungen nicht entsprechen. CIO Pomschar gibt allerdings zu bedenken, dass jeder Wechsel schmerzt und dem Projekt schadet. Von Bonus-Malus-Systemen zur Motivierung von Externen hält er wenig. Pomschar favorisiert eine direkte Steuerung: "Wenn ein Projekt schief gelaufen ist, ist es zu spät, über einen Malus zu sprechen." Stattdessen gelte es, bei Bedarf schnell zu reagieren.

MLP-Vorstand Stockmann hält von Bonus-Malus-Modellen ebenfalls wenig. "Damit kann man höchstens versuchen, die grundsätzlich falsche Vertragsbasis etwas zu optimieren." An der Abrechnung nach Tagessätzen stört Stockmann, dass sie den Dienstleister auch noch belohnt, wenn er lange braucht. Der CIO favorisiert daher Festpreismodelle, bei denen es Berater selbst in der Hand haben, ihre Marge zu steigern. Dieses Modell lasse sich auch auf die Strategieberatung, beispielsweise bei Projekten zur Prozessoptimierung, anwenden, wenn zuvor zusammen mit dem Dienstleister ein Business-Case errechnet werde: "Werden die Ziele übertroffen, kann man den Partner an den zusätzlichen Einsparungen beteiligen, bleibt er darunter, muss er einen Abschlag hinnehmen."

Obwohl Berater zunehmend dazu bereit seien, sich auf eine erfolgsabhängige Bezahlung einzulassen, steht Hölscher Werkverträgen mit fest definierten Ergebnissen. Außerdem benötigten viele Projekte eine gewisse Flexibilität, der Rahmenverträge besser entsprächen: "Es ist ein Irrglaube, juristisch genau festzulegen, was am Ende dabei herauskommen muss." Man müsse den Rahmen so präzise wie möglich definieren, messbare Zwischenergebnisse festlegen und erfolgsabhängige Komponenten einbauen. Vor allem sei es wichtig, partnerschaftlich ein Verfahren für das Änderungs-Management abzustimmen.

Stockmann ist in puncto Werkverträge optimistischer: "Wenn wir es nicht schaffen, die Ziele genau zu definieren, wie das für Festpreismodelle notwendig ist, dann sind wir selber schuld und haben als IT-Manager unsere Hausaufgaben nicht gemacht." Anderseits räumt er ein, dass dieser Ansatz im Laborumfeld nicht funktioniere. Im Bereich der klassischen Forschung und Entwicklung könne man nur mit Tagessätzen arbeiten.

Infineon setzt laut Pomschar für weniger Projekte Festkosten an als früher. Die hohe Komplexität erschwere die genaue Definition von Funktionen. Außerdem nähmen Berater Mehrkosten nicht ohne weiteres hin. "Wenn man einen Partner so hintrimmt, dass er unter dem Strich zu kurz kommt, holt der sich das über das Change-Management bestimmt zurück", warnt Pomschar. Festpreise vereinbart der Chiphersteller daher nur bei einfacheren Projekten. In den anderen Fällen gehe es nicht darum, wie lange ein Berater brauche, sondern darum, wie er sich effizient einsetzen lasse, und dabei sei einmal mehr das Projekt-Management gefordert. Unbedingt müssten auch die Kosten für die internen Mitarbeiter in die Projektkosten eingerechnet werden.

Nach anfänglichem Zögern waren die CIOs bereit, auch über die Höhe der aktuellen Tagessätze zu sprechen. "Wir bezahlen externen Experten in der Regel zwischen 600 und 1100 Euro", gibt Pfeifer zu Protokoll. Im Einzelfall sei er bereit, für echte Koriphäen auch mehr aufzuwenden. Diese würden aber nur punktuell und kurz eingesetzt. Grundsätzlich zeigt sich Pfeifer bei den Verhandlungen etwas lockerer, wenn er weiß, dass er einen erfahrenen und ihm bekannten Berater bekommt.

Bei MLP liegt das Preisniveau mit 500 bis 1000 Euro pro Tag niedriger. Stockmann kann bei der Beraterauswahl zudem keine Offshoring-Kapazitäten nutzen, da der Finanzdienstleister den Regulierungsbestimmungen des deutschen Marktes unterworfen ist, was ein entsprechendes Fachwissen voraussetzt.

Infineon setzt dagegen die Preisbandbreite etwas niedriger an. Dabei kann der Konzern über seine globalen Aktivitäten vom weltweiten Preisgefälle profitieren. "Wir machen viele Projekte mit einem Offshore-Anteil und kaufen IT-Dienstleistungen auch in Portugal, der Slovakei, Singapur oder China ein", so der CIO. Die Nutzung solcher Preisvorteile verlangt Pomschar auch von hiesigen IT-Dienstleistern. Inzwischen kooperierten aber alle großen Partner mit Auftragnehmern außerhalb Deutschlands und gäben die günstigeren Preise zumindest teilweise weiter.

In puncto Beraterneutralität geben sich die befragten CIOs keinen Illusionen hin. "Wo soll die denn herkommen?", fragt sich Infineons IT-Chef. Die meisten Berater seien nur auf einige Produkte spezialisiert. Die engagiere man eben, wenn man innerhalb dieser Produktwelt arbeite. "Ich brauche Leute mit konkreten Umsetzungserfahrungen - die Neutralität ist dabei zweitrangig", pflichtet MLP-Vorstand Stockmann bei. Pfeifer stößt in dasselbe Horn: "Mir ist ein Berater lieber, der einräumt, grün, blau oder rot zu sein, anstatt Neutralität vorzugeben, die er nicht hat."