Zugriff auf Unternehmensdaten über "My Firma"

Enterprise-Portale setzen Intranet-Gedanken fort

09.07.1999
MÜNCHEN (fn) - So wie Internet-Portale den Einstieg ins Web erleichtern, sollen Enterprise Information Portals (EIPs) dem Benutzer helfen, einfacher an Unternehmensinformationen zu kommen. Einige Hersteller von Business-Software entwerfen EIP-Lösungen, um sich das Heft nicht von Portalspezialisten aus der Hand nehmen zu lassen.

Millionen Surfer starten über Web-Portale wie Yahoo, Excite und Netcenter ihre Streifzüge ins Internet. Solche Websites sind beliebt, da sie dem Besucher über Verzeichnisse, Link-Listen und Suchmaschinen die Navigation im Internet erleichtern. Zudem wirken Dienste, etwa E-Mail, Chat und Online-Kalender, wie ein Magnet. Offenbar wollen nun auch Unternehmen von dieser Anziehungskraft profitieren und errichten Portale nach einem ähnlichen Strickmuster - allerdings für die eigenen Mitarbeiter.

Über hauseigene Portale, genauer Enterprise Information Portals (EIPs), sollen Angestellte auf Unternehmensdaten sowie externe Informationen zugreifen oder Geschäftsprozesse anstoßen können, beispielsweise das Bestellen von Waren bei einem Lieferanten über das Internet. Vor allem sollen die Websites helfen, das auf viele Datenquellen verteilte Wissen besser im Unternehmen zu verteilen. Nach Angaben der kalifornischen Softwareschmiede Plumtree Software zählen Firmen, die schnell wachsen, und solche, deren Mitarbeiter über verschiedene Niederlassungen verteilt sind, zu den typischen Anwendern von Firmenportalen.

EIPs entstehen nicht isoliert von der IT-Umgebung des Unternehmens, sondern zapfen Mainframes, Enterprise-Resource-Planning-Systeme sowie Client-Server-Applikationen an. Für den Nutzer stellt sich das Portal wie eine Website aus dem Internet dar, wobei die Inhalte aus den hauseigenen Rechnersystemen stammen. Darüber hinaus füllt Content aus dem Internet, etwa Börsenticker, Brancheninformationen sowie Wirtschafts-News, die Web-Seiten.

Mitarbeiter sollen so schneller an die für ihren Job erforderlichen Informationen gelangen: Während Yahoo & Co. dem Surfer bei der Navigation im chaotischen World Wide Web unter die Arme greifen, helfen EIPs den Anwendern, sich im Datendschungel des Firmennetzes besser zurechtzufinden.

Spätestens hier drängt sich allerdings die Frage auf, warum nun Enterprise Information Portals die Brücke zwischen Web-Technik und IT-Umgebung schlagen sollen, wo dies doch bisher Intranets vorbehalten war. Offenbar haben die Marketing-Strategen erkannt, wie werbewirksam der Begriff "Portal" ist, seitdem Internet-Sites wie Lycos, Excite und Yahoo in aller Munde sind. Darüber hinaus stehen EIPs nicht im Widerspruch zu Intranets, meint Geoffrey Bock, Berater bei der Patricia Seybold Group in Boston. Vielmehr würden die Firmenportale auf dem Intranet-Konzept aufbauen. Das Portal als erweitertes Front-end für das Intranet.

Die Rechnung der Marketing-Fachleute scheint aufzugehen: Nach Angaben des Finanz-Management- und Beratungsunternehmens Merrill Lynch steht den EIPs ein wahrer Boom bevor. Bald werden die Investitionen in Firmen-Portale die Ausgaben für Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systeme übersteigen, prognostiziert Merrill Lynch: Bereits im Jahr 2002 soll das Marktvolumen weltweit auf über 14 Milliarden Dollar steigen. Die Anbieter von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware reagierten prompt und stellten in den vergangenen Monaten Konzepte vor.

Mit "Peoplesoft Business Network" will beispielsweise Peoplesoft eine Integrationsplattform zum Aufbau unternehmensinterner Portale ins Rennen schicken. Firmen können damit Lösungen einrichten, die sowohl externen Content als auch firmeninterne Daten enthalten. Diese Informationen entstammen unter anderem der ERP-Anwendung von Peoplesoft. Das Business Network soll zudem auch Mainframes, Datenbanken sowie Anwendungen anderer Hersteller einbinden können. Allerdings gibt der Anbieter unumwunden zu, daß sich sein ERP-System am besten integrieren läßt.

Die intuitiv zu bedienende Benutzerschnittstelle des Browsers soll zudem die Funktionen der ERP-Systeme einer größeren Anzahl von Anwendern näherbringen, als dies bisher der Fall ist. Heute nutzen laut Peoplesoft nur fünf bis zehn Prozent der Mitarbeiter im Unternehmen die Business-Software, da nur sie in der Benutzung der speziellen Client-Programme unterwiesen wurden. Anders bei EIPs: Hier rechnet Peoplesoft damit, daß rund 90 Prozent der Angestellten im firmeneigenen Netz surfen werden.

Allerdings haben nicht alle User Zugriff auf die gleichen Daten. Benutzerprofile legen fest, wer welche Informationen und Funktionen verwenden darf. Verkaufsstatistiken beispielsweise kann nur der Vertriebsmitarbeiter abrufen. Ferner dürfte nur ein dazu ermächtigter Angestellter Waren über ein elektronisches Bestellsystem bei Lieferanten ordern. Besonders letzteres scheint den ERP-Herstellern am Herzen zu liegen: Alle Anbieter kooperieren mit Anbietern von Software, die Beschaffungen über das Internet erlaubt. Peoplesoft holte sich hierzu Commerce One ins Boot.

Bisher kann Peoplesoft jedoch noch keine fertigen Produkte vorweisen - mit PSBN wird zur Zeit lediglich an drei Universitäten in den USA experimentiert. Wesentlich weiter ist auch der Konkurrent J.D. Edwards nicht. Dessen "Active Era Portal" basiert auf der Komponentenarchitektur Active Era, einem Bestandteil der Business-Anwendung "Oneworld". Der Benutzer erhält mit "My Activ Era" ebenfalls eine auf seine Rolle im Unternehmen zugeschnittene Arbeitsumgebung im Firmen-Web. Auch sonst ähneln sich die Konzepte beider Anbieter. Wie Peoplesoft versucht auch J.D. Edwards, mit seiner Portalstrategie den Self-Service-Gedanken umzusetzen. So werden Portalanwender über My Active Era Büromaterial und andere Waren elektronisch ordern oder Reisen buchen können. Die dafür erforderliche Technik sicherte sich der Anbieter durch die Zusammenarbeit mit dem auf Internet-Einkaufssysteme spezialisierten Hersteller Ariba.

Doch nicht nur ERP-Anbieter legen sich Portalstrategien zurecht. Viele kleinere Softwarefirmen und Internet-Companies verfügen bereits über EIP-Produkte. So stellte Netscape Ende vergangenen Jahres "Custom Netcenter" vor, ein Komplettpaket aus einer Entwicklungsumgebung, Dienstleistungen sowie lizenzierten Internet-Inhalten, wie beispielsweise News. Unternehmen können sich damit Portale im eige- nen Firmennetz bauen oder die Hosting-Dienste der Sun-Netscape-Allianz in Anspruch nehmen. Nach den Plänen der Allianz sollen Kunden für die Integration von bestehenden IT-Systemen die Applikations-Server sowohl von Sun als auch von Netscape heranziehen.

Netscapes Schritt in Richtung Enterprise Portals rüttelte offenbar Yahoo wach. Der Marktführer bei Internet-Portalen vereinbarte kurzerhand eine Kooperation mit dem amerikanischen Softwarespezialisten Tibco. Mit dem Ende Mai vorgestellten Konzept "Corporate My Yahoo" halten beide Firmen nun eine Antwort auf Netscapes Custom Netcenter parat. Ob dem bisher praktisch ausschließlich auf ein privates Massenpublikum ausgerichtete Portalbetreiber auch der Einstieg ins Enterprise-Geschäft gelingt, bleibt allerdings abzuwarten.

Über mehr Erfahrungen mit Business-Kunden verfügt der kanadische Wissens-Management-Anbieter Open Text. Sein Produkt "My Livelink" zielt speziell auf Wissensportale ab. Per Browser greifen die Benutzer sowohl auf interne als auch auf externe Informationsquellen zu. Dies ging mit der Software "Livelink" schon immer, neu ist dagegen der Portalansatz. Wie die anderen Mitstreiter im EIP-Business gestattet es auch dieser Anbieter, Inhalte an die benutzerspezifischen Bedürfnisse anzupassen. Darüber hinaus plant Open Text, My Livelink auf die Bedürfnisse einzelner Branchen wie Telekommunikation, Finanzdienstleister sowie die Fertigungsindustrie abzustimmen. Auch einige Anbieter von Business-Intelligence-Lösungen dehnten ihr Produktangebot auf Enterprise Information Portals aus, beispielsweise Microstrategy oder Business Objects.

So verlockend der neue Ansatz der hauseigenen Portale auch klingen mag, den Firmen stellen sich altbekannte Hürden in den Weg, allen voran die Integration bestehender IT-Systeme und die dabei entstehenden Kosten. So schätzt Forrester Research den Aufwand für ein EIP-Projekt auf durchschnittlich 1,5 Millionen Dollar - der größte Teil davon entfalle auf die Aggregation von Informationen aus verschiedenen Quellen.

Der Exot: Mysap

SAP geht einen etwas anderen Weg als die Konkurrenten im ERP-Umfeld. Mit "Mysap.com", das im Herbst seine Pforten öffnet, wollen die Walldorfer einen elektronischen Marktplatz im Web schaffen. Anbieter und Käufer sollen über diese Community zueinanderfinden. Firmen können über das SAP-Portal beispielsweise Waren bei ihren Lieferanten ordern und dabei ihr Bestellwesen verbessern. Hier kommt SAPs "Business to Business Procurement" (BBP) zum Tragen. Mysap-Anwender werden außerdem in der Lage sein, Geschäftsreisen online zu buchen - SAP schloß hierzu eine Kooperation mit Internet Travel Network (www.itn. net). Außerdem können Benutzer via Mysap.com auch von unterwegs oder von zu Hause auf ihre ERP-Umgebung zugreifen.

Das Konzept unterscheidet sich aber auch noch in einem anderen Punkt von den Vorhaben der Konkurrenz: SAP hofft, Anwenderunternehmen als Outsourcing-Kunden gewinnen zu können. In diesem Fall wäre das Portal die Pforte zur SAP-Software R/3, die im Rechenzentrum der Walldorfer oder bei einem Service-Unternehmen liefe. Auf diese Weise partizipiert das Softwarehaus am ebenfalls boomenden Application-Hosting. Nicht zuletzt deshalb besiegelte der Software-Anbieter eine Allianz mit dem IT-Dienstleister EDS.

EIP-Anwender

Neben den klassischen Softwarefirmen, die zusätzlich zum Stammgeschäft nun auch in den Markt für Enterprise Information Portals einsteigen, gingen Hersteller an den Start, die sich ausschließlich auf EIPs konzentrieren. Im Gegensatz zu den mächtigen ERP-Playern, die erst spät reagierten, können sie bereits Kunden vorweisen. Zu ihnen zählt beispielsweise das kalifornische Unternehmen Viador Inc. (www.viador.com), mit dessen "E-Portal-Suite" große Firmen interne Websites hochziehen. Mit diesem Programmpaket errichtet der Finanzkonzern Citigroup, zu dem auch Citibank gehört, ein Portal für den internen Gebrauch. Demnächst sollen weltweit 500 Finanzanalysten über eine zentrale Website auf Business-Daten zugreifen können.

Digidesign, ein Hersteller von Audio-Workstations, besitzt bereits ein Enterprise Information Portal. Digidesign realisierte sein EIP mit Hilfe des Context-Management-Systems "Iluminar" vom US-Anbieter Verano (www. verano.com). Zuvor waren die Daten auf Excel-Spreadsheets, SAP-Systemen sowie einigen Datenbanken verteilt. "Unsere Anwender erhalten die richtigen Informationen schneller, da unser Portal auf User-Profilen basiert", sagt Bill Schwartz, Operations Project Manager bei Digidesign in Palo Alto.

In Deutschland wurden offenbar noch keine Projekte gestartet, einige Firmen machen sich jedoch zumindest Gedanken über den Einsatz von Firmenportalen. So überlegt die Deutsche Bank, ob EIPs in ihre Intranet-Strategie "DB-Intranet 2000" passen.

Portal-Muffel

Entgegen dem Trend in der ERP-Branche zeigte Oracle bisher keine Portalambitionen. Die Begründung für diese Haltung fällt etwas dünn aus. Während die Mitbewerber durch zusätzliche Tools ihre Software dem Web-Business öffnen müßten, seien Oracles Produkte bereits Internet-fähig, so die Argumentation des Marketings.

Auch Baan stellte bisher kein Portalkonzept vor, das den Namen verdient. Bei der jüngst angekündigten "E-Enterprise"-Architektur handelt es sich eher um eine Sammlung von Web-Applikationen, die eng mit "Baan IV" sowie "Baan ERP" verknüpft sind.