Energie sparen kann teuer werden

14.03.2007
Von 
Kriemhilde Klippstätter ist freie Autorin und Coach (SE) in München.
In amerikanischen Rechenzentren steigt der Zwang zum Energiesparen. Deutsche Unternehmen haben sich dem Umweltgedanken schon seit langem verschrieben.

Die Bombe platzte im vergangenen Sommer, als Gartner-Analysten mit der Behauptung an die Öffentlichkeit traten, die meisten Rechenzentren würden in den nächsten drei Jahren hinsichtlich Platz- und Energiebedarf an ihre Grenzen stoßen. Die Analysten begründeten ihre Prophezeiung vor allem mit dem technischen Fortschritt. Neue Server-Techniken wie Multi-Core-CPUs, Blade-Architekturen und Virtualisierung führten dazu, dass sich die Leistungsdichte in den Schaltzentralen drastisch erhöht. Tatsächlich gehen aktuelle Studien davon aus, dass sie sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verzehnfacht hat. So viel Rechenpower benötigt Strom und erzeugt Abwärme, die aus den Rechnerräumen geleitet werden muss, was wiederum Energie für die Kühlaggregate kostet. Einige der betagten Rechenzentren verwenden 70 Prozent und mehr der vorhandenen Stromquellen allein für die Kühlung der Systeme. Kein Wunder also, wenn so manches IT-Zentrum an seine Wachstumsgrenzen stößt.

Hier lesen Sie ...

  • wo die aktuelle Energiespardiskussion ihren Anfang nahm;

  • wie deutsche Unternehmen darauf reagieren;

  • wie man im Rechenzentrum Energie sparen kann.

Jonathan Koomey berechnete den Energieverbrauch der unterschiedlichen Server-Arten in den USA und weltweit. Er verwendete dazu Zahlen von IDC und Herstellerangaben.
Jonathan Koomey berechnete den Energieverbrauch der unterschiedlichen Server-Arten in den USA und weltweit. Er verwendete dazu Zahlen von IDC und Herstellerangaben.
Foto: Koomey

Die von Gartner angestoßene Debatte weitete sich zunächst in den USA zu einer Umweltkampagne aus und wurde von einer Studie gespeist, die den Stromverbrauch von Servern zum Inhalt hat. Jonathan Koomey, Professor am Lawrence Berkeley National Laboratory der Stanford University, hatte den Energiebedarf von Servern in den USA und weltweit berechnet. "Der Stromverbrauch von Servern und anderer Internet-Infrastruktur wuchs sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Faktor aus, weil sich die Nachfrage nach neuen Internet-Diensten wie Video on Demand, Internet-Telefonie und Musik-Downloads stark gesteigert hat", beschreibt der Forscher das Szenario. Deshalb habe sich der Stromverbrauch für Server im Zeitraum zwischen 2000 und 2005 verdoppelt - sowohl in den USA als auch weltweit. Koomey beziffert den Energiebedarf der US-Server auf 0,6 Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Landes. Betrachtet man die komplette Rechnerinfrastruktur inklusive Kühlung, dann verdoppelt sich der Anteil und entspricht der Stromaufnahme aller amerikanischen Farbfernsehgeräte.

Für Umweltaktivisten in den USA zählt die IT längst zu den Klimakillern. Google als Großabnehmer und Betreiber von geschätzten 450 000 Servern geißelte die Hersteller, denen es noch immer nicht gelungen sei, den Wirkungsgrad der in den Rechnern eingebauten Stromversorgungen zu verbessern. Google-Forscher riefen das Projekt "80+" ins Leben, das Netzteile mit einem Wirkungsgrad von 80 Prozent und mehr entwickeln will. In Deutschland griff der "Spiegel" das Thema auf und zitierte aus der Studie von Koomey, wonach weltweit 14 Kraftwerke der 1000-Megawatt-Klasse allein für den Betrieb von Rechenzentren gebraucht werden.

Die steigende Nachfrage nach Rechen- und Speicherleistung übertrifft das Einsparpotenzial, das die Industrie derzeit erreicht. Die Kombination aus Multi-Core-Prozessoren, Blades und Virtualisierung schafft so leistungsfähige und effiziente Systeme, dass weniger davon gebraucht werden. Der Platzbedarf sinkt, weniger Rechenzentren werden gebraucht. Beispielsweise hat Hewlett-Packard seine 85 RZs in den USA innerhalb kurzer Zeit auf sechs reduziert. Firmenchef Mark Hurd möchte aus den eigenen Erfahrungen mit Konsolidierung sogar ein Geschäft machen und künftig moderne Data Center zum Verkauf anbieten.

Insbesondere die aufkommenden Blade-Architekturen erhöhen die Packungsdichte in den Racks erheblich. Dazu muss für den Betrieb der vielen CPUs ausreichend Energie auf kleiner Fläche bereitgestellt und zusätzlich noch einmal ungefähr die gleiche Strommenge für die Kühlung der dicht gepackten Rechner spendiert werden. "Anwender behelfen sich teilweise damit, dass sie die Server-Racks in einigem Abstand zueinander aufstellen, damit genug Strom für den Betrieb vorhanden ist und die eingesetzten Kühlgeräte ausreichen", beschreibt Frank Budenz, Leiter Consulting für Managed Services beim Service-Provider Colt, die Situation in manchem deutschen Rechenzentrum.

Für Budenz spielen die Energiekosten der hauseigenen IT-Zentralen schon eine Rolle und zwar mit steigender Tendenz, weil die Strompreise ständig steigen. Colt koppelt deshalb vor allem bei den angebotenen Colocation Services, bei denen der Anwender eigenes Equipment beim Service-Provider betreibt, die Servicegebühren an den europäischen Stromindex: Steigt der Index, dann müssen auch die Kunden mehr berappen. Der Stromverbrauch der einzelnen Rechner spielt bei der Beschaffung allerdings kaum eine Rolle. Die Wahl der Architektur - großer Unix-Server oder ein Blade-Verbund - und Kompatibilitätserwägungen sind bedeutsamer als die Tatsache, dass ein AMD-Server vielleicht etwas weniger Strom aufnimmt als ein vergleichbarer von Intel oder umgekehrt.

Der Großteil der Energie fließt in Server und Kühlaggregate, während Peripheriegeräte derzeit noch kaum einer Effizienzüberprüfung unterzogen werden. Budenz hat beispielsweise die Energiekosten für Plattenspeicherplatz ausgerechnet: Der Preis für 1GB Managed Storage liegt zwischen vier und zehn Euro und die Stromkosten machen davon 0,3 bis 0,6 Prozent aus.

Auch die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft macht sich Gedanken über die Stromaufnahme von Geräten im Rechenzentrum - und zwar schon lange. Die Company unterzieht sich seit Jahren einem Umwelt-Audit und prüft deshalb die eingesetzten Geräte auch in dieser Hinsicht. "Früher stand eine möglichst lange Nutzungsdauer im Vordergrund sowie die Frage, wie skalierbar das System ist und wie lange es der Hersteller unterstützt, damit möglichst wenig Schrott anfällt. Heute sind die Innovationszyklen kürzer, und andere Erwägungen spielen eine stärkere Rolle", beschreibt Karlheinz Eberhardt, Leiter Server Services, den Wandel. Er glaubt, dass Energieerwägungen mit einer Gewichtung von zehn bis 15 Prozent in die Kaufentscheidung eingehen.

Nachdem die Rechnerlandschaft der Münchener Rück nicht zuletzt aus Stromspargründen weitgehend auf die Blade-Architektur umgestellt wurde, unterzieht Eberhardt demnächst auch Speicher und aktive Netzkomponenten einem Energie-Check. Die Münchner wollen möglichst viele Funktionen in Blade-Technik abbilden, denn die bisherigen Erfahrungen sind gut: "Wir haben mehr Systeme im Rechenzentrum, erzielen eine höhere Rechenleistung und verbrauchen weniger Strom", freut sich Eberhardt.

Der Manager verfolgt auch Aktivitäten, die vor allem in den USA zu diesem Thema begonnen wurden, etwa die Industrievereinigung "Green Grid". Deren Ziel ist es, Messgrößen zu entwickeln, die eine Vergleichbarkeit von IT-Systemen hinsichtlich der Stromaufnahme erlauben. Eberhardt geht die derzeitige Diskussion aber nicht weit genug. Er wünscht sich auch eine Kennzahl für den Energiebedarf, der bei der Herstellung von IT-Equipment anfällt. "Dann könnte man der ökonomischen eine ökologische Abschreibung gegenüberstellen."

Das Umweltbewusstsein der Münchener Rück erstreckt sich sogar noch weiter: Im ganzen Haus sind alle Geräte verkabelt, und es gibt auch keine schnurlosen Telefone. Die Versicherung hält damit die Strahlenbelastung für die Mitarbeiter so gering wie möglich.

"Ich muss mehr Geld in die Hand nehmen, wenn ich Energie sparen will", sagt Ertugrul Uysal-Soylu, Vorstand Einkauf, Marketing, Produktstrategie des Hardware- und Lösungsanbieters Transtec AG. Beispielsweise lässt sich das Strombudget durch den Einsatz von Notebooks statt herkömmlichen Desktop-PCs entlasten, denn die 30 Watt eines Tragbaren stehen 150 bis 200 Watt eines PCs gegenüber. Dafür sind Notebooks in der Anschaffung etwa doppelt so teuer. Eine noch bessere Energiebilanz weisen Thin Clients auf, die mit 20 bis 25 Watt auskommen. Allerdings muss dafür die Infrastruktur angepasst werden, und zudem lässt sich nicht jede Applikation sinnvoll auf einem Thin Client betreiben, denn manchmal muss beispielsweise eine lokale Festplatte vorhanden sein.

Uysal-Soylu stellt bei seinen größeren Kunden schon seit ein paar Jahren einen Trend zum Energiesparen fest, zumal die Strompreise steigen: "Derzeit machen die Energiekosten fünf bis zehn Prozent der gesamten RZ-Betriebskosten aus. Schätzungen gehen davon aus, dass es in ein paar Jahren 40 bis 50 Prozent sein werden", sagt der Vorstand und begründet damit ein Entwicklungsprojekt im eigenen Haus. Transtec will die Racks für Blade-Server anders organisieren und die Stromversorgung der einzelnen Chassis zusammenfassen, um den Wirkungsgrad stark zu verbessern. "Der Anwender könnte damit seine Stromrechnung um 5000 bis 6000 Euro pro Rack senken", hat der Vorstand ausgerechnet. Das energiefreundlichste Gerät ist allerdings das, das nicht benötigt wird: Mit Virtualisierung, Partitionierung und Load Balancing werden die besten Einsparungsergebnisse erzielt, da sind sich Anwender und Hersteller einig.