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Endstation Arbeitsamt für IT-Umschüler

20.09.2002
Arbeitssuchende, die vom Arbeitsamt finanzierte Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen absolviert haben, bleiben meist außen vor. Arbeitgeber haben an IT-Umschülern kaum Interesse.

MÜNCHEN - Wer Arbeitsamt sagt, ist schon raus aus dem Rennen um Jobs in der IT-Branche. Arbeitssuchende, die von der Staatsbehörde finanzierte Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen absolviert haben und nun auf einen Arbeitsvertrag hoffen, bleiben bei Stellenangeboten meistens außen vor. Arbeitgeber haben an IT-Umschülern kaum Interesse.

CW-Bericht von CW-Mitarbeiterin Katja Müller und CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer

Irgendwie hat sich Astrid Kurzer* ihre Karriere anders vorgestellt. Die einjährige, vom Arbeitsamt finanzierte Ausbildung zur Multimedia-Designerin klang für Kurzer zunächst viel versprechend: Die Kursteilnehmer sollen fit gemacht werden für Web- und Grafikdesign. Ein halbgarer Crash-Kurs als Beschäftigungstherapie für Arbeitslose scheint der in verschiedenen Modulen aufgebaute Unterricht allein schon wegen der zwölfmonatigen Dauer der Umschulung nicht zu sein.

Dann allerdings beginnt die Umschulung. "Grundkenntnisse etwa von Typographie wurden uns nicht vermittelt. Farben-, Formen- und Darstellungslehre schienen in den Curricula ebenso Fremdworte zu sein," sagt Kurzer. Das ist ungewöhnlich. Unter Layoutern gilt fundiertes Know-how gerade auf diesen Gebieten als absolut unverzichtbar. Kenntnisse erwerben die Multimedia-Aspiranten in dem von hunderten Ausbildungsträgern angebotenen Layout-Programm "Quark", der Bildbearbeitungssoftware "Photoshop" sowie dem Illustrations-Tool "Freehand". Ausbildung interpretierte der Bildungsträger allerdings dahingehend, dass die Kursteilnehmer sich ihr Wissen vornehmlich im Do-it-yourself-Verfahren aneignen.

Nach Abschluss der Umschulung absolviert Kurzer ein Praktikum in einem großen Münchner Verlag. Übernommen wird sie nicht. Auf sie wartet die erneute Arbeitslosigkeit. Fazit: Kurzer ist ein Jahr auf Kosten des Steuerzahlers ausgebildet worden, verwertbare Qualifikationen für einen Arbeitsplatz hat sie aber nicht gewonnen.

Bekanntes Strickmuster

Das Strickmuster ist nur allzu bekannt. Bildungsinstitute definieren Kurse und Inhalte, die vor allem ihrem eigenen Geschäft nutzen. Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), kritisiert: "Die Freien Träger konzipieren Maßnahmen, die ihnen am gelegensten kommen." Tatsächlich sollte es aber genau umgekehrt sein: "Das Arbeitsamt muss aufgrund seines Informationsstandes wissen, wo die Lücken sind und entsprechende Anforderungen an die Maßnahmeträger richten", fordert Schneider. Ergo müsse die Bundesanstalt für Arbeit (BA) auch Ausbildungsmaßnahmen ausschreiben, die auf die Bedürfnisse der Arbeitskräfte suchenden Unternehmen zugeschnitten sind. Nur für solche Kurse sollten sich dann Bildungsträger bewerben dürfen. "Aber", resümiert der Wissenschaftler etwas resigniert, "eine Bürokratie arbeitet eben nicht nach wirtschaftlichen Richtlinien." Mit dem

Begriff Bürokratie ist die Bundesanstalt für Arbeit allerdings nur unzulänglich und leicht euphemistisch beschrieben. Spricht man nämlich von der BA, redet man von fast 90.000 Mitarbeitern, die im Jahr 2001 ein Budget von 54,1 Milliarden Euro an Steuergeldern verwalten. Abgehoben von allen Kontrollen entwickelte die Monsterbehörde ein Eigenleben, das einem Staat im Staat ähnlich sieht. "Die Bundesanstalt lebt abgeschlossen gegen den Rest der Welt in ihrer eigenen Binnenperspektive", zitiert die "Financial Times Deutschland" den Roland-Berger-Mitarbeiter Jobst Fiedler. Nichts unterliege der Kontrolle durch Wettbewerb, fügt der Unternehmensberater hinzu.

Staat im Staate

Noch deutlicher wird DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun in einem Interview mit der "FAZ". Die Behörde sei eine Bundesinstitution, von der er erwartet habe, dass sie korrekt arbeite. Nun erweise sich aber, dass sie über Jahre hinweg getrickst habe (siehe Kasten Tricksereien). "Das ist der Staat im Staate, vor dem wir immer Angst hatten." Deshalb forderte Braun kurz und bündig: "Da kann man eigentlich nur eins sagen: In dieser Form auflösen."

Tricksereien

Mit den "Tricksereien" bezieht sich DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun auf die im Februar 2002 offenbar gewordenen und vom Bundesrechnungshof veröffentlichten Fälschungen der Vermittlungsstatistik für Arbeitslose durch deutsche Arbeitsämter: 71,2 Prozent der im Oktober 2001 von der Kontrollbehörde unter die Lupe genommenen 5100 Vermittlungen in fünf Arbeitsämtern hatten Mitarbeiter von lokalen Jobbehörden nie vorgenommen. Hochgerechnet auf die Gesamtstatistik der BA für das Jahr 2001 bedeutete dies: Die Arbeitsämter hatten nur 1,1 Millionen Arbeitsuchende in neue Stellen vermittelt - und nicht 3,82 Millionen, wie offiziell verlautbart.

Der seinerzeitige BA-Chef Bernhard Jagoda stürzte über die Affäre. Seit dem 27. März 2002 soll es nun der 53-jährige Florian Gerster richten. Der ausgebildete Diplompsychologe ist seit 36 Jahren SPD-Mitglied und war in der rheinland-pfälzischen Polithierarchie zuletzt bis zum Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit aufgestiegen.

Fraglich ist allerdings, ob Gerster den Behördenfilz in Nürnberg und die dort vorherrschende ungute Gemengelage der Interessen auflösen kann. Denn Schuld an den Missständen in der Nürnberger Bundesbehörde ist auch eine strukturelle Eigenwilligkeit der BA: Über die Finanzierung von Aus-, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen entscheidet der Verwaltungsausschuss der BA. Das ist ein im Prinzip unabhängiges Gremium, welches von der Arbeitgeberklientel, von Gewerkschaften und von Vertretern aus der Politik sowie der Arbeitsämter beschickt wird - einige davon sind Mitarbeiter der Freien Träger, also der Bildungsinstitute, mit denen die BA zusammenarbeitet.

Den Bonner Arbeitswissenschaftler Schneider verwundert der auf der Hand liegende Interessenkonflikt. Ihn stört, dass mitspracheberechtigte Nutznießer der im Verwaltungsrat getroffenen Entscheidungen wie eben die Freien Träger in die eigene Tasche arbeiten können.

Nicht nur der Arbeitsexperte ist irritiert. Leicht sarkastisch sagt Wolfgang Müller, auf die IT-Branche spezialisierter Gewerkschafter bei der IG Metall in München: "Wenn ein Freier Träger dem Arbeitsamt einen neuen Kurs anbieten will, sucht er sich eine Branche mit möglichst vielen Arbeitslosen. DV-Maßnahmen machen sich dabei immer gut ."

"Die braucht keiner"

Für Renate Erxleben, Deutschland-Managerin beim privaten niederländischen Arbeitsvermittler Maatwerk mit bundesweit zehn Dependancen, ist die hiesige Aus- und Weiterbildungsszenerie schon lange nicht mehr nachvollziehbar: "Unsere Erfahrung ist, dass immer für die Berufsgruppe, in der gerade die größte Arbeitslosigkeit herrscht, eine Maßnahme aufgelegt wird." Mit Trendprognosen, Tendenz- oder gar fundierten Marktanalysen habe dieses Vorgehen nicht im entferntesten etwas zu tun. "Es ist unglaublich, wie viele Menschen in Tätigkeitsfeldern ausgebildet oder umgeschult wurden, die niemand jemals wirklich braucht."

Die BA scheint dabei eher Aktionismus zu betreiben, als konkrete Förderprojekte aufzusetzen, die auf die Bedürfnisse von Unternehmen zielen. Als federführende Bundesbehörde ist sie für die Koordination aller Ausbildungsmaßnahmen bei den insgesamt 181 Arbeitsämtern zuständig. Sie soll die Arbeitslosigkeit in Deutschland in den Griff bekommen. Doch deutsche Unternehmen zeigen wenig Interesse an dem Angebot der Arbeitsämter. Ludger Schmitz, Personalverantwortlicher bei der LVM-Versicherung in Münster, sagt, was viele denken: "Die Arbeitsämter haben doch so gut wie keinen Kontakt zu den Firmen und somit auch keine Ahnung, welche Qualifikationsprofile in den Unternehmen gefragt sind."

Michael Weber, Personalexperte beim ADAC in München, stimmt dem zu. Er habe noch nie vom Arbeitsamt einen Bewerbervorschlag erhalten. Dabei hat Deutschlands größter Automobilclub in den vergangenen anderthalb Jahren immerhin sechs Umschüler eingestellt.

Schmitz von der LVM bestätigt zudem die nicht nur von privaten Bildungsträgern, sondern auch von Personalern in deutschen Unternehmen häufig geäußerte Kritik, wonach sich die "Arbeitsämter stark nach Schlagworten ausrichten", wenn es um die Auswahl und das Angebot möglicherweise zukunftsträchtiger Ausbildungsgänge geht. "Vor Jahren war SAP in aller Munde. Da haben die Arbeitsämter alles daran gesetzt, sämtliche Arbeitsuchenden für SAP zu schulen. Danach konnten sie die Straße pflastern mit den Leuten - und keiner wollte sie." Genau das gleiche spiele sich, so Schmitz, mit Netzwerkadministratoren ab.

Die meisten flogen nach der Probezeit raus

Ein Klassiker bei Arbeitsämtern war jahrelang auch der Beruf des Multimedia-Schaffenden. Rolf Zelter* hatte sein Studium der Innenarchitektur abgebrochen, um sich im Bildungszentrum für informationsverarbeitende Berufe e.V. in Bergisch Gladbach, 18 Monate lang zum staatlich geprüften Informatikassistenten Multimedia qualifizieren zu lassen.

Die Zustände am Bildungszentrum rekapituliert Zelter mit einiger Verzweiflung. Überlaufene Kurse und "grottenschlechte" Dozenten - O-Ton Zelter: "Die hätten in der Wirtschaft keine Chance gehabt" - waren nur ein Problem. Viel wesentlicher für die Existenz der Kursabsolventen war, dass "nur sehr wenige nach dem Kurs einen Job bekamen. Die meisten flogen noch während der Probezeit raus", berichtet Zelter.

Personal-Mann Schmitz von der LVM kennt ähnliche Schicksale: "Wir haben hier die Tochter eines Mitarbeiters, die einen Multimediakurs absolvierte. Aus deren Kurs haben genau drei eine Anstellung bekommen." Kommentiert Dorothee Fetzer vom Förderverein gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit in Bremen mit gehörigem Ingrimm: "Die Leute werden immer schneller in irgendwelche Maßnahmen reingesteckt." Die Qualität der Kurse lasse aber häufig zu wünschen übrig.

Was nicht wirklich zu verwundern scheint: "Weder die Bundesanstalt für Arbeit noch die IHK sahen sich bislang imstande, fachliche Orientierungslinien für Zertifizierungen zu geben", moniert Michael Ehrke von der IG Metall in Frankfurt am Main über die Zertifizierung von Kursen.

Heinrich Brinkmann, CIO bei Kraft Jacobs Suchard Erzeugnisse GmbH & Co.KG, äußert übrigens prinzipielle Bedenken, ob Umschüler für IT-Jobs heute noch die realistische Chance haben, einen Fuß in die Tür eines Unternehmens setzen zu können. "Meine Meinung ist: Die Komplexität, die heutzutage in der IT gefragt ist, fordert Spezialwissen für bestimmte Jobs. Leute, die nur Umschulungsmaßnahmen durchlaufen haben, werden keine Chance am IT-Arbeitsmarkt haben."

Ins gleiche Horn stößt der Personalverantwortliche für die IT-Fachbereiche eines großen Energiekonzerns. In seinem Unternehmen benötige man in den IT-Abteilungen hochkarätige Qualifikationen: SAP-Berater, Fachleute für CRM-Systeme oder Experten im E-Business-Bereich. "Genau diese anspruchsvollen Tätigkeiten können von Personen, die eine Umschulung oder Weiterbildung vom Arbeitsamt bekommen haben, nicht geleistet werden."

Stiftung Warentest - ein vernichtendes Urteil

Eine im Sommer diesen Jahres durchgeführte Prüfung der Stiftung "Warentest", die 16 Weiterbildungsträger unter die Lupe nahm, zeigt, wie freie Träger zum eigenen Vorteil mit Steuergeldern umgehen. "Viele Bildungsanbieter lassen die Kursteilnehmer ins Leere laufen." Die 72 Beratungsgespräche von vorgeblich arbeitslosen Architekten, Geologen, Politologen und Germanisten über eine Weiterbildung im Bereich Neue Medien brachten bedrückende Ergebnisse. "Zu wenig Interesse für die Vorbildung der Arbeitslosen. Wenig Auskünfte zum Kursinhalt. Kaum Details zur Qualifikation der Dozenten. Wenig Informationen zu den Chancen in den angestrebten Berufszielen", resümierten die unabhängigen Tester aus Berlin. Von sehr guten Beratungsgesprächen, so die Stiftung Warentest, "waren alle Bildungsanbieter weit entfernt".

Am Rand der Illegalität

Ein auch unter Rechtsaspekten beachtenswerter Fall ist der von Matthias Schmidt*. Der gelernte Betriebswirt absolvierte eine vom Arbeitsamt subventionierte Weiterbildung zum Netzwerkadministrator beim Bildungsträger Systemhaus München. Mindestens die Hälfte seiner Mitschüler seien fachfremd gewesen, einige besaßen nicht einmal Windows-Kenntnisse. Oft kam nur die Hälfte der Teilnehmer zum Unterricht.

Fachlich und pädagogisch schlecht ausgebildetete Dozenten machten die Beschwerdeliste komplett. Zwar habe es im Frühjahr schon mal "Ärger gegeben", gibt Peter Pauli, Ansprechpartner für Förderung beruflicher Bildung auf dem Münchner Arbeitsamt, zu. Im Moment seien ihm aber keine Klagen bekannt.

Pauli versucht die Klagen von Schmidt abzuwimmeln, wenn er sagt, viele Kursteilnehmer stünden extrem unter Stress, weil sie ohne Arbeit sind. Die Kurse seien deshalb "sehr beschwerdeanfällig". Aufgrund des modularen Aufbaus der Kurse im Systemhaus München käme es zudem vor, dass auch Kandidaten ohne Vorkenntnisse in eine Maßnahme für Fortgeschrittene einsteigen müssten. Denn einige, eigentlich vorzuschaltende Grundkurse, könnten wegen zu geringer Teilnehmerzahl nicht stattfinden. Schmidt kritisiert allerdings nicht nur das "absolute Miss-Management" der Schule. Pikant ist auch sein Hinweis, in Einzelfällen müssten Referenten ihrem Geld hinterher telefonieren. "Ich will nicht ausschließen, dass Lohnzahlungen nach einem Anruf von mir schneller überwiesen werden", räumt Pauli ein. Schulleiter Markus Widmann vom Systemhaus München schweigt bislang zu den Vorwürfen.

Wie ahnungslos die Bundesanstalt für Arbeit bei der Zertifizierung von Ausbildungsmaßnahmen operiert und wie wenig sie dabei den Freien Trägern in die Zügel greift, offenbaren die Aussagen von Heinrich Alt, dem früheren Vizepräsidenten der Bundesanstalt für Arbeit und jetzigen Mitglied des Vorstands. Angesprochen auf die nicht selten undurchsichtige Vergabe von Steuergeldern für Ausbildungsmassnahmen durch die BA, gab Alt zu, strenge Erfolgskontrollen würden bei den Freien Trägern offenbar nicht stattfinden: "Hart kontrolliert werden die Trainingsmaßnahmen nicht."

Geschönte Statistiken

Nach den Veröffentlichungen des Bundesrechnungshofs vom Februar diesen Jahres kann denn auch die Äußerung von Alt nicht verwundern, wonach die Bundesanstalt für Arbeit noch nicht einmal genau weiß, wie viele Kursteilnehmer nach einer vom Arbeitsamt finanzierten Aus- oder Weiterbildung überhaupt einen Job finden. Alt etwas gedrechselt: "Ich gehe davon aus, dass das Gros derer, die in Trainingsmaßnahmen stecken, hinterher zumindest ihre Chancen wesentlich verbessert haben, näher an einen Arbeitsplatz heranzukommen." Wie viele es sind, kann Alt jedoch nicht sagen: "Da gibt es auch keine Untersuchungen dazu, zumindest bisher nicht."

Zu so präzisen Aussagen fiel Erich Staudt, dem kürzlich verstorbenen Professor und Arbeitsökonom an der Ruhr-Universität, nur noch ein: "Die Maßnahmen dienen doch vorwiegend dazu, die Statistiken zu schönen und ein paar Arbeitslose weniger zu produzieren."

Manchmal, so Gewerkschaftler Michael Ehrke, helfen Freie Träger auch schon mal etwas nach und nutzen die Ohnmacht der Bundesanstalt für Arbeit für ihre Zwecke aus. So ließ sich die Afi-Akademie Ansbach in Mittelfranken vor einigen Jahren die Unterhaltsgelder ihrer arbeitslosen Teilnehmer auf das eigene Konto überweisen, erzählt Ehrke. Da einige Kandidaten als "Karteileichen" geführt wurden, kassierte die Akademie zusätzlich ab. Die IG-Metall wandte sich daraufhin an die Bundesanstalt für Arbeit, schaltete einen Rechtsanwalt ein und stellte Strafanzeige. Die Schule wurde später geschlossen, die Vermittlungen verliefen im Sand: Der damalige Geschäftsführer, Hartmut Schneider, versucht sein Glück heute in Ostdeutschland und gründete eine neue private Akademie - diesmal im sächsischen Delitzsch. (km/jm)

* = Name von der Redaktion geändert

Ein merkwürdiger Fall

Von einem "Geschäft mit der Weiterbildung" spricht auch Thomas Wasilewski, der im Juli 2000 eine Umschulung an der Industrie- und Handelskammer (IHK) Neuss absolvierte. Wasilewski sollte zum Informatikkaufmann geschult werden. Lehrgangsinhalte seien gar nicht oder nur teilweise vermittelt worden. Auch die technische Ausstattung ließ laut Wasilewski zu wünschen übrig: So standen der 18-köpfigen Klasse lediglich neun veraltete PCs zur Verfügung, ein Internet-Zugang wurde erst nach sechs Monaten geschaltet. Im Oktober bequemte sich die IHK Neuss schließlich, den Kursteilnehmern 19 DV-Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Auch die Abschlussprüfung hatte es für die Umschüler in sich: "65 Prozent rasselten durch", so Wasilewski, "keiner der Umschüler habe nach dem Kurs einen Arbeitsplatz bekommen."

Das war nicht das einzige Problem, dem sich die IHK Neuss und ihr Geschäftsführer Stefan Dietzfelbinger stellen mussten. Besonders schwer wog der Vorwurf, die Schulungsstätte habe raubkopierte Software eingesetzt. Als Beweis schickte Wasilewski drei CDs, die ihm ein Dozent zu Übungszwecken aushändigte, an Microsoft. Dietzfelbinger bestreitet die Vorwürfe energisch: "Nichts davon ist wahr und belegbar." Microsoft allerdings bestätigt in einem der Computerwoche vorliegenden Schreiben, dass es sich bei den von Wasilewski "eingesandten Versionen der Produkte Windows 2000 Server, Windows 2000 Professional und Exchance Server 2000 um selbstgebrannte CDs und damit um Raubkopien handelt". Jetzt will Microsoft gemeinsam mit der Business Software Allianz (BSA) den Fall untersuchen. "Generell ist der Einsatz von illegaler Software in Schulungsunternehmen keine Seltenheit", so Microsoft in dem Schreiben.

Die mutmaßliche kriminelle Energie im Dunstkreis des Aus- und Weiterbildungswesens deutscher Arbeitsämter bestätigt auch Rudolf Harprecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Ansbach. Mit der Thematik seit Jahren befasst, kann er nur noch mit dem Kopf schütteln: "Was glauben Sie, was im Bereich der Freien Träger alles an Geldern veruntreut wird."