Nach dem Merger: HP schiebt sich an die Spitze

Ende der PC-Markt-Flaute noch nicht in Sicht

26.07.2002
MÜNCHEN (CW) - Entgegen den jüngsten Hoffnungen scheint das weltweite PC-Geschäft aus dem Gröbsten noch nicht heraus. Angesichts der Vorabergebnisse der beiden Marktforschungsunternehmen Gartner und International Data Corp. (IDC) für das zweite Quartal 2002 besteht wenig Aussicht auf eine unmittelbare Erholung.

"Trotz allmählich wieder zunehmender wirtschaftlicher Stabilität, der generell alternden PC-Landschaft sowie neuer Technologien zeigen sich Consumer und Unternehmen nach wie vor alles andere als investitionsfreudig", kommentiert IDC-Analyst Loren Loverde den unerwarteten Stückzahlenrückgang. Entgegen einem ursprünglich prognostizierten Wachstum von 1,3 Prozent wurden nach den Ergebnissen der IDC-Marktforscher im zweiten Quartal 2002 lediglich 31,1 Millionen PCs und damit um 0,5 Prozent weniger Systeme ausgeliefert als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs. Die Kollegen von Gartner Dataquest haben für den Berichtszeitraum ein noch geringfügig höheres Minus von 0,6 Prozent ermittelt. Gartner-Analyst Charles Smulders macht nicht zuletzt auch die Bilanzskandale der jüngsten Vergangenheit für die allgemeine wirtschaftliche Verunsicherung verantwortlich. Im Vergleich zum unerwartet positiven ersten Quartal dieses Jahres lag der Rückgang laut IDC bei 7,8 Prozent, während Gartner eine Reduktion um 8,5 Prozent errechnet hat.

Hewlett-Packard fusioniert sich auf Platz eins

Nach der Top-Fünf-Liste beider Marktforschungsinstitute konnte sich der bisherige Branchenprimus Dell in den USA zwar nach wie vor auf dem ersten Platz halten, musste im globalen PC-Segment das Zepter allerdings an Hewlett-Packard (HP) abgeben, das sich durch die Übernahme von Compaq im zweiten Quartal laut IDC mit einem Marktanteil von 15,1 Prozent beziehungsweise 4,7 Millionen ausgelieferten Systemen - wenn auch nur knapp - an die Weltspitze schieben konnte. Ebenfalls auf den Anfang Mai abgeschlossenen Merger führen die Marktexperten die Einbußen des fusionierten Unternehmens zurück, die mit einem Minus von 16,2 Prozent deutlich über dem Gesamtrückgang des Segments liegen. Dell hingegen konnte seine Stückzahlen laut IDC um 15,5 Prozent steigern und beansprucht mit 4,6 Millionen verkauften Einheiten einen Marktanteil von 14,8 Prozent. Ob Dell sich die Krone zurückerobert, wird nach Einschätzung der Analysten davon abhängen, wie erfolgreich die Integration von HP und Compaq verläuft und wie schnell der Konzern den Markt mit neuen Produkten bedienen kann. "Im dritten und vierten Quartal werden die Folgen der angewandten Merger-Strategie besser einzuschätzen sein", vermutet Gartner-Mann Smulders.

Platz drei der IDC-Top-Fünf-Liste belegt IBM mit 6,3 Prozent Marktanteil. Auf Rang vier landete Fujitsu-Siemens Computers (FSC) mit 3,8 Prozent, während NEC mit einem Anteil von 3,2 Prozent den fünften Platz besetzt.

Auch der westeuropäische PC-Markt leidet

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen die Gartner-Marktforscher. Demnach erzielte HP einen Marktanteil von 15,5 Prozent, Dell 14,9 und IBM 6,6 Prozent. Gartners Nummer vier ist NEC mit 3,5 Prozent, während Toshiba mit einem Anteil von drei Prozent auf dem fünften Platz landete.

Sorgen bereitet den Experten die Marktentwicklung in Westeuropa. Mit insgesamt lediglich 8,62 Millionen verkauften Rechnern in der Region Emea (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) stellt der Berichtszeitraum mit einem Minus von 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum laut Gartner-Analyst Brian Gammage das fünfte rückläufige Quartal in Folge dar. Nummer eins der europäischen Top-Fünf-Liga ist der fusionierte HP-Konzern mit einem Marktanteil von 19,1 Prozent und einem Stückzahlenrückgang um 11,6 Prozent, gefolgt von Dell mit 9,5 Prozent (plus 5,4 Prozent). Auf dem dritten Platz landete FSC mit 6,4 Prozent (minus 10,6 Prozent), während IBM mit 5,6 Prozent Marktanteil um 17,8 Prozent weniger Systeme als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum an den Anwender bringen konnte. Acer (4,5 Prozent Anteil) hingegen hob sich durch einen insbesondere über den Absatz von Notebooks erzielten Zuwachs von 33,3 Prozent auf Platz fünf.

Gartner prognostiziert dem europäischen Markt einen bescheidenen Aufschwung im vierten Quartal 2002, eine spürbare Erholung der Region erwarten die Analysten jedoch frühestens in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres.

Mageres Wachstum im Gesamtjahr 2002

Ihre Wachstumsprognosen für das Gesamtjahr 2002 im globalen PC-Markt haben die Gartner-Experten vorsichtshalber von fünf auf einen Wert zwischen zwei und vier Prozent zurückgeschraubt. Erfolgspotenzial für die Stückzahlenentwicklung im vierten Quartal sehen die Analysten in Systemzutaten wie DVD-Laufwerken sowie hochwertigen Grafikkomponenten. (kf)

Abb: Das globale PC-Geschäft

Aktueller Marktführer ist der fusionierte HP-Konzern - allerdings mit hohen Einbußen. Quelle: IDC, Juli 2002