Kolumne

Ellison auf Kollisionskurs

30.10.2006

Was treibt Larry Ellison zu seinem skrupellosen Feldzug gegen Red Hat? Seine Behauptung, Oracle benötige einen kompletten Software-Stack vom Betriebssystem über Datenbank und Middleware bis hin zu den Applikationen, ist kaum nachzuvollziehen.

Im Juni dieses Jahres hat Oracles Chefexzentriker erklärt, ein Preis von über fünf Milliarden Dollar sei einfach zu viel für ein Unternehmen, das sein Geschäft nur mit Support macht. (Auf dieses Open-Source-Business-Konzept ließ er sich allerdings mit der Übernahme der Sleepycat-Datenbank ein.) Inzwischen ist der Marktwert von Red Hat auf weniger als die Hälfte gefallen. Doch dass Ellison wirklich Kaufinteresse hat, glaubt nicht einmal die Wallstreet. Der Preis würde sonst steigen. Ob Ellison den Distributor nun platt machen (wahrscheinlich) oder doch übernehmen will, ist letztlich egal.

Denn Red Hat ist eines der Unternehmen, die weltweit am meisten Entwickler finanzieren, um Linux und das Open-Source-Milieu voranzubringen. Diese Spezialisten würden entweder ihren Brötchengeber verlieren oder nach einer Übernahme unter Ellisons Kommando arbeiten müssen. Was sich die wenigsten vorstellen können.

Und Oracles nächster Gegner nach Red Hat ist ausgemacht: MySQL. Das schwedische Unternehmen stört Oracles Geschäft noch nachhaltiger als Red Hat. Beide Attacken liefen auf das Gleiche hinaus: Der Fortschritt der Open-Source-Welt würde behindert. Somit ist Oracle nicht "der größte Freund von Linux" (Ellison), sondern das exakte Gegenteil.

Und warum verhält sich das Unternehmen so? Das Open-Source-Modell stellt die Geschäftsmodelle der Softwarebranche radikal auf den Kopf. Das will sich ein Ellison auf Dauer nicht bieten lassen. Die Frage ist nun, ob IBM, HP und andere tatenlos zuschauen, wie Oracle auch ihre Linux-Geschäfte beeinträchtigt. Es ist unwahrscheinlich, dass der Oracle-Boss den Kampf gegen Windmühlen gewinnt. Schon andere Unternehmen, wie Microsoft oder Sun Microsystems, mussten Milliarden Dollar Lehrgeld zahlen, bevor sich die Erkenntnis durchsetzte, dass eine mehr oder weniger friedliche Koexistenz einem aussichtslosen Kampf vorzuziehen ist.

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