Elektrostatische Aufladung wird zu einem DV-Problem: Wenn das Terminal vom "Blitz" getroffen wird

28.11.1980

MÜNCHEN (CW) - Die elektrostatische Aufladung von elektronischen Bauteilen durch Personal ist zu einem Problem geworden, das nicht nur die Elektronik-Industrie plagt, sondern auch die DV-Benutzer vor neue Aufgaben stellt. Ein Mensch, der über einen trockenen Teppich läuft, kann sich bis zu einer Spannung von 12 000 Volt aufladen. Schäden an Terminals, Plattenlaufwerken, Druckern oder an Datenträgern sind daher unausbleiblich. Klaus Becker und Manfred Kremer von der 3M Deutschland GmbH in Neuss haben sich auf den Elektrostatik-Sektor spezialisiert:

Elektrostatische Aufladungen werden für den Menschen erst ab etwa 3000 Volt spürbar. Bei Spannungen von über 5000 Volt springt bereits ein sichtbarer Funke über. Zum Problem wird allerdings der Tatbestand, daß mit Spannungen, die nur ein Zehntel dieser Werte betragen, bereits eine Reihe elektronischer Bauelemente zerstört werden. Bedenkt man, daß eine Person, die über einen trockenen Teppich läuft, sich dabei durchschnittlich auf rund 12 000 Volt auflädt (gemessene Spitzenwerte lagen sogar beim Dreifachen dieses Betrages), kann man sich die Folgen leicht ausmalen.

Fehlfunktionen

Prinzipiell ist festzustellen, daß alle elektronischen Geräte, die Halbleiter (vor allem MOS-Bausteine) enthalten, durch elektrostatische Entladung zerstört werden können oder zu Fehlfunktionen neigen. Beispiele sind:

- Eingabeterminals

- Plattenlaufwerke

- Fotosatzgeräte

- Minicomputer

- Drucker

- Schreibautomaten

- elektronische Registrierkassen etc.

So können Eingabegeräte fehlerhafte Daten an die Zentraleinheit weiterleiten, Daten werden geändert oder gelöscht und müssen neu eingegeben werden, Speicherinhalte werden geändert und fehlerhafte Daten ausgedruckt. Integrierte Schaltungen können zerstört werden, was zu teuren Reparaturen und Stillstandszeiten führt. Nicht zu vernachlässigen ist darüber hinaus die Belästigung des Bedienungspersonals durch ständige "Entladungsschocks" am Arbeitsplatz.

Zur Lösung dieser Probleme sind eine Reihe von Produkten auf dem Markt, die aber meist keine absolute Sicherheit gegen Elektrostatik bieten können. So genügt beispielsweise eine Erdung des Gerätes nicht, denn sollte die elektrostatische Entladung auch alle empfindlichen Bauteile umgehen, so können immer noch durch den Entladungsvorgang elektromagnetische Wellen erzeugt werden. Diese ermöglichen ihrerseits eine Rückkopplung in den Schaltkreisen, was dann zu Fehlfunktionen führen kann.

Weitere Lösungsmöglichkeiten sind Antistatik-Teppichböden, Sprays sowie Luftbefeuchter.

Der Begriff Antistatik-Teppichböden ist dabei mißverständlich, denn diese mindern meist zwar die Möglichkeit, sich elektrostatisch aufzuladen, doch sie dienen nicht dazu, diese Ladungen abzuleiten. Einige dieser Böden sind oberflächenbehandelt und feuchtigkeitsabhängig. Bei normaler Benutzung besteht in diesem Fall die Gefahr, daß die Oberflächenbeschichtung relativ schnell abgetragen wird. So läßt die Wirkung im Laufe der Zeit immer mehr nach. Außerdem ist die Effektivität bei niedriger relativer Luftfeuchtigkeit stark beeinträchtigt.

Antistatik-Sprays haben im günstigsten Fall vorübergehend eine befriedigende Wirkung, doch aufgrund der häufigen Erneuerung kann die Anwendung auf Dauer sehr kostspielig werden.

Entladung

Teppichboden-Matten mit einer leitfähigen Rückseite werden ohne Entlademöglichkeit angeboten. Beim Betreten dieser Matte findet ein Ausgleichsvorgang zwischen Person und Matte statt. Dies führt dazu, daß sich bestehende elektrostatische Ladungen je nach Kapazität auf die beiden Leiter Mensch und Matte verteilen, da infolge der Nicht-Erdung die Ladungen nicht abfließen können. Als Resultat bleibt eine Restladung sowohl der Person als auch der Teppichboden-Matte. Je häufiger eine einzelne Person oder je mehr Personen dann diese Matte betreten, desto größer wird der Betrag deren elektrostatischer Aufladung. Zudem tendieren Teppichmatten dazu, Staub zu binden, was eine zusätzliche Beeinträchtigung ihrer Wirksamkeit bedeutet.

Wir haben bei 3M das Elektrostatik-Problem durch speziell von uns konzipierte Schutzmatten gelöst. Sie bestehen aus elektrisch leitfähigem Material, das seine Eigenschaften weder durch Altern, Luftfeuchtigkeit oder sonstige Umwelteinflüsse verliert. Da diese Matten über ein mitgeliefertes Erdungskabel geerdet werden, fließen alle elektrostatischen Aufladungen ab, sobald eine Person die Matte betritt. Außerdem wird eine neuerliche Aufladung beim Kontakt mit der Matte verhindert, da durch den Bewegungsablauf der Person entstehende Ladungen (Bewegen der Arme, Wippen mit dem Körper etc.) sofort wieder abfließen. Das Erdungskabel besitzt einen integrierten Widerstand von 1 Meg Ohm. Dieser dient als Schutz des Personals bei zufälliger Berührung spannungsführender Teile vor einem direkten Erdschluß.

Anwendungsbeispiele

Innerhalb unserer Praxis konnten wir durch die Installation von Schutzmatten in vielen Unternehmen die Elektrostatik-Probleme beseitigen:

- Bei einem Berliner Fotosatz-Gerätehersteller fielen die gespeicherten Daten aus, der Bildschirm blieb dunkel und es mußte des öfteren eine Neueinspeicherung der Daten erfolgen. Zusätzlich traten bei den verwendeten Floppy-Disks Transportschäden auf, denn durch die elektrostatische Aufladung des Personals wurden die gespeicherten Daten zerstört.

- Ein Bielefelder Produzent von elektronischen Kassenterminals hatte Probleme beim Einsatz seiner Produkte in Einkaufszentren. Einerseits traten Falschberechnungen auf, was zu ständigem Ärger mit den Kunden führte andererseits öffneten sich die Kassen gelegentlich, ohne daß ein Berechnungs- oder Bedienungsvorgang stattgefunden hatte. Dadurch war eine zusätzliche, nicht vorhersehbare Diebstahlgefahr gegeben.

- In einem Düsseldorfer Chemiekonzern arbeiteten mehrere Bürocomputer sowie Schreibautomaten mit Drucker nicht einwandfrei. So schalteten sich die Bildschirme ab, Daten wurden gelöscht oder Floppy-Disks sprangen unvermittelt wieder heraus. Diese Störungen wurden zum Teil durch das bloße Vorübergehen einer Person an den Geräten verursacht .

- Bei einer Großbank in München trat bis zu dreimal pro Woche ein Fehlalarm auf. Jedesmal rückte die Polizei vergebens an, und nach intensiver Fehlersuche wurde festgestellt, daß die Alarmanlage allein durch das elektrostatische Feld einzelner Personen ausgelöst wurde.

Dem DV-Anwender kann empfohlen werden nicht erst zu warten, bis der "Crash" eintritt, sondern vorbeugend auf die Probleme der Elektrostatik einzugehen.