IT in Behörden/E-Procurement mit einem Bestellvolumen von 350 Millionen Euro

Elektronischer Marktplatz für das Beschaffungsamt

30.05.2003
Die E-Government-Initiative "Bund Online 2005" verpflichtet alle öffentlichen Verwaltungen, ihre Internet-fähigen Dienstleistungen bis 2005 ausschließlich online bereitzustellen. Nachgeordnete Behörden des Innenministeriums kaufen jetzt schon über einen elektronischen Marktplatz des Beschaffungsamtes ein. Das Bestellvolumen beträgt 350 Millionen Euro.Von Roderich Egeler*

Das Bundesinnenministerium inklusive der 26 nachgeordneten Behörden wie dem Bundesgrenzschutz, dem Bundesverwaltungsamt oder dem Bundesamt für Verfassungsschutz kaufen seit Mitte 2002 über die Plattform "Öffentlicher Eink@uf Online" des Beschaffungsamtes ein. Basis des "virtuellen Marktplatzes" ist die Enfinity-Procurement- Lösung von Intershop Communications, die durch Siemens Business Services implementiert wurde. Das System läuft auf Linux Debian und Linux Red Hat und bindet sowohl die Anbieter- als auch die Käuferseite vollständig ein.

Bestellungen manuell abgewickelt

Das Beschaffungsamt ist die zentrale Behörde des Bundesinnenministeriums für den gesamten Einkauf der Ämter und anderer Kunden wie Stiftungen oder Organisationen - auch schon vor der Umstellung auf das Online-Procedere. Alle Prozesse wurden vorher weitgehend manuell erledigt, entweder per Fax, Post oder Telefon. Das Materialwirtschafts- und Bestellsystem war behördenintern dezentral organisiert. Internet und E-Mails wurden nicht systematisch genutzt. Durch die Abwicklung in Papierform zum Beispiel war die Nutzung von Rahmenverträgen nicht transparent.

Ziel des E-Procurement-Projekts war die Schaffung von wirtschaftlichen Vorteilen durch den Aufbau eines zentralen Online-Einkaufssystems für die öffentliche Hand. Es unterstützt alle Mitarbeiter bei der Nutzung von Rahmenverträgen. Unbedingt erforderlich war die klare Definition der Prozessabläufe, da im Gegensatz zu Einkaufsvorgängen in der Wirtschaft die öffentlichen Aufträge besonderen Anforderungen unterliegen. Sie schlagen sich in umfangreichen Vergabevorschriften und einem hohen Sicherheitsbedarf nieder.

Der entstandene Marktplatz bietet den Mitarbeitern über das Intranet Zugriff auf alle Angebote. Lieferanten können über das Internet ihr Leistungsportfolio, welches Gegenstand des Rahmenvertrages ist, pflegen und den aktuellen Auftragsumfang einsehen.

Siemens Business Services leitete als Generalunternehmer die technische Umsetzung des Projekts. Intershop konnte sich mit seiner Enfinity-Procurement-Software gegen mehrere Bewerber durchsetzen, und zwar aufgrund der Leistungsfähigkeit und Ausfallsicherheit des Gesamtsystems, der durch die Standardsoftware abgedeckten Funktionen, der Flexibilität der grafischen Definition der Prozessabläufe und der ausgezeichneten Integrationsmöglichkeiten in die existierenden Haushaltssysteme der Behörde. Durch die Mandantenfähigkeit dieser E-Procurement- Lösung können auch mehrere Behörden gleichzeitig und gleichwertig abgebildet werden.

Die Lösung basiert auf einer Architektur mit XML-Schnittstellen und Komponenten, die eine zentrale Bearbeitung in der Browser-Oberfläche ermöglichen. Über dedizierte Zugriffsrechte erhalten die relevanten Lieferanten, Bedarfsträger und Mitarbeiter des Beschaffungsamtes Zugang auf den Einkaufsmarktplatz. Zur Authentisierung und Autorisierung der Nutzer ist im System eine PKI-Lösung (PKI = Public Key Infrastructure) eingebunden. Die Produktinformationen werden dynamisch mit den Prozessdaten verknüpft. Dabei erscheint das Produktangebot personalisiert entsprechend den Rechten des einzelnen Nutzers und gefiltert für die in den Rahmenverträgen vereinbarten Besonderheiten. Ein individuelles Rahmenvertrags-Management erleichtert den Mitarbeitern des Beschaffungsamtes die Verwaltung und Kontrolle der rechtlichen Gegebenheiten. Für bestimmte Produktkategorien werden Konfiguratoren verwendet, um zum Beispiel Dienstfahrzeuge den Anforderungen von Bundeskriminalamt und Bundesgrenzschutz anzupassen.

Die Nutzer greifen für die Bestellungen über einen Apache-Web-Server auf den Anwendungs-Server zu. Dieser beinhaltet das komplette Enfinity-System, die Anwendungen des Beschaffungsamtes und den Server für die Media-Daten. Der angeschlossene E-Mail-Server bedient die gängigen E-Mail-Server-Protokolle SMTP und POP 3. Die Transaktionsdaten werden im Datenbank-Server auf einer Oracle-Datenbank abgelegt. Der Application-Server ist darüber hinaus mit einem Trust-Center zur Verifizierung der Daten verbunden. Über den Zugriff auf den Domain-Server können Verwaltungsvorgänge in einem einzigen, IT-gestützten Geschäftsgang bearbeitet und die Ergebnisse gespeichert werden.

Keine Bestellungen ohne Rahmenvertrag

Der Mitarbeiter in einer Behörde des Bundesinnenministeriums hat über das Intranet Zugang zu allen Katalogen der zugelassenen Anbieter. Dafür wurde eine Importfunktion für die externen Katalogdaten eingerichtet. Die Lieferanten werden über BMECat, den Standard für den elektronischen Austausch von Katalogdaten auf Basis der XML-Schema Definition Language (XSDL) des W3C, und Open Catalog Interface (OCI) angeschlossen. Das gewünschte Produkt kann durch die Besteller entweder direkt ausgewählt oder individuell konfiguriert werden, zum Beispiel bei Hardware oder Büromöbeln. Der gesamte Genehmigungsprozess wird im Vorfeld genau definiert, um zusätzliche Arbeit zu vermeiden. Nach der Speicherung im Warenkorb wird die Bestellung mit einer digitalen Signatur - konform zu der Sicherheitsinfrastruktur mit PKI - versehen. Bevor sie allerdings beim Lieferanten eingeht, wird ein Abgleich mit den bestehenden Rahmenverträgen vorgenommen. Alternativ können Bestellungen auch direkt über die Rahmenverträge getätigt werden. Mit der Auftragsbestätigung an den Besteller ist der Versandprozess dann in Gang gesetzt, und alle Daten fließen in den Cognos-Statistik-Server.

"Der Bund wird in den nächsten vier Jahren 376 Dienstleistungen über das Internet anbieten", kündigte Bundesinnenminister Otto Schily an. "Der Umsetzungsplan hat einen Finanzbedarf von 1,65 Milliarden Euro ermittelt. Wir gehen davon aus, dass sich durch die Umsetzung von Bund Online 2005 Einsparungen von gut 400 Millionen Euro jährlich erzielen lassen."

Zusätzlich werden Ressourcen innerhalb der zusammengehörenden Ämter zentral genutzt. So öffnen zum Beispiel das Bundesinnenministerium und das Bundesverteidigungsministerium wechselseitig ihre Rahmenverträge mit privaten Anbietern für die Beschaffung von IT-Hard- und Software. Durch die enge Zusammenarbeit entstehen erhebliche Synergien. Der eigentliche Gewinner von Öffentlicher Eink@uf Online ist der Steuerzahler. (bi)

*Roderich Egeler ist Direktor des Beschaffungsamtes, Bonn, des Bundesministeriums des Innern, Berlin.

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- Das Bundesinnenministerium inklusive der 26 nachgeordneten Behörden kaufen seit Mitte 2002 über die Plattform "Öffentlicher Eink@uf Online" des Beschaffungsamtes ein.

- Basis des virtuellen Marktplatzes ist die Enfinity-Procurement-Lösung von Intershop Communications, die durch Siemens Business Services implementiert wurde.

- Die Lösung basiert auf einer Architektur mit XML-Schnittstellen und Komponenten, die eine zentrale Bearbeitung in der Browser-Oberfläche ermöglichen.

- Ein individuelles Rahmenvertrags-Management erleichtert den Mitarbeitern das Beschaffungsamtes die Verwaltung und Kontrolle der rechtlichen Gegebenheiten.

- Es entstehen erhebliche organisatorische und finanzielle Synergien.