Krise in Japan

Elektronikindustrie in Sorge

28.03.2011
Von  und Martyn  Williams
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Energieversorgungs-Probleme teilweise hausgemacht

An einer verhängnisvollen Weichenstellung für die Stromversorgung aus dem 19. Jahrhundert leiden die Japaner noch heute. 1883 wurde der zentrale Versorger Tokyo Electric Light Co. gegründet, der 1895 einen merklichen Wachstumsschub bekam, nachdem er Equipment für die Stromerzeugung von der deutschen AEG in erheblichem Umfang zugekauft hatte. Im Westen der Insel gründete sich derweil der Versorger Osaka Electric Lamp, der seinerseits technisches Equipment von General Electric erwarb.

Folge war, dass sich die mit AEG-Technik ausgestattete Tokyo Electric Light am europäischen Energieübertragungsstandard von 50 Hertz orientierte, während die Osaka Electric Lamp – mit Blick auf die USA – auf eine Netzfrequenz von 60 Hertz baute. Was seinerzeit kein Problem darstellte, führt heute zu massiven Schwierigkeiten: Die in Mitleidenschaft gezogene nordöstliche Region Japans lässt sich nicht ohne Weiteres aus anderen Kraftwerken im Westen versorgen.

Osten und Westen sind inkompatibel

Es ist zwar möglich, die beiden Netze zu verbinden, doch dazu sind Einrichtungen für die Umwandlung der Frequenzen nötig. Drei solche Stationen gibt es bereits, aber ihre Kapazität liegt bei insgesamt nur einem Gigawatt. Das Erdbeben hat jedoch dafür gesorgt, dass elf Reaktoren vom Netz mussten, darunter die im Krisengebiet Fukushima. Damit sind der ostjapanischen Stromversorgung insgesamt 9,7 Gigawatt entzogen worden. Dieses Defizit lässt sich durch die westlichen Versorger angesichts der technischen Einschränkungen unmöglich ausgleichen.

Das ist der Grund dafür, dass die Regierung in Ostjapan die Stromversorgung rationiert und damit wichtige Industriezweige in Bedrängnis bringt. Damit die Lichter in der Hauptstadt Tokio nicht ausgehen, müssen im Umland zehn Millionen Haushalte zeitweilig auf Energie verzichten. Wie schwierig die Lage ist, zeigte eine Warnung der Tokyo Electric Power Co. (Tepco) am vergangenen Donnerstag: Durch den Kälteeinbruch hatten die Menschen ihre Heizungen so weit aufgedreht, dass die Stromversorgung unmittelbar vor dem Kollaps stand. Sofort ließen die Unternehmen ihre Mitarbeiter nach Hause gehen, die öffentlichen Verkehrsbetriebe stellten den Transport ein, und in den meisten Häusern gingen die Lichter und elektronischen Geräte aus. Die Stadt entging einem größeren Stromausfall – für wie lange, ist völlig unklar. Laut Tepco werden die Stromeinschränkungen noch Monate andauern.