Impulsgeber für Innovationen im Automotive-Bereich

Elektronik im Auto

09.03.2015
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Rolf Froböse schreibt als Experte vorrangig über IT-Themen mit großem Zukunftspotenzial wie z. B. Smart Cities, Smart Home, Telemedizin, Altersgerechte Assistenzsysteme (AAL), Internet der Dinge, Smart Grid, Neuronale Netzwerke u. a.. Als freier Wissenschaftsjournalist und Buchautor schreibt er seit rund 20 Jahren über Themen aus Forschung und Entwicklung.
Inzwischen zum sechsten Male fand in der Dortmunder Westfalenhalle die „Automotive meets Electronics“ (AmE) statt. Aktuelle Entwicklungen auf den Gebieten Halbleiter und Sensoren, Fahrerassistenzsysteme und Datenspeicherungsanalyse gehörten zu den Schwerpunkte der von der VDE/VDI-Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik (GMM) organisierten Tagung.
Fahrzeuge die selbst einparken sind schon fast wieder ein alter Hut. Viele Assistenzsysteme der Zukunft zielen weiter vor allem auf die Unfallvermeidung ab.
Fahrzeuge die selbst einparken sind schon fast wieder ein alter Hut. Viele Assistenzsysteme der Zukunft zielen weiter vor allem auf die Unfallvermeidung ab.
Foto: BMW

In seinem Vorwort verdeutlichte AmE-Tagungsleiter Dr. Michael G. Wahl vom Institut für Mikrosystemtechnik an der Universität Siegen die Bedeutung der Veranstaltung als wertvolle Plattform zur Kontaktpflege im Bereich der Entwicklungsingenieure. Zu den Inhalten der Tagung hob er hervor, dass der Einsatz von Halbleitern von mehreren Standorten beleuchtet wurde. Die lebhafte Diskussion auf dem Panel zwischen Vertretern der Halbleiterhersteller, der Zulieferer und der OEMs zeigte, dass das Spannungsfeld zwischen konservativer Sicherheit und technischer Innovation ständig wächst und viele Frage aufwirft. Als besondere Herausforderung im Automotive-Bereich bezeichnete er Anwendungen, die hohe Datenmengen erzeugen und so auch in den andernorts diskutierten Themenkomplex von Big Data reichen.

Assistenzsysteme für Notausweichmanöver

Erwartungsgemäß nahm die Fahrsicherheit auf der Tagung eine zentrale Rolle ein. So steht das Thema derzeit im Brennpunkt zahlreicher Neuentwicklungen. Ein Beispiel hierfür bietet ein neues Verfahren zur Kollisionsvermeidung durch Notausweichmanöver, bei dem es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Lehrstuhls für Regelungssystemtechnik der TU Dortmund und der Düsseldorfer TRW Automotive GmbH handelt. Zum Hintergrund: Die Entwicklung sicherheitsorientierter Fahrerassistenzsysteme nahm ihren Anfang mit ABS, ASR und ESC. Seit einiger Zeit werden darüber hinaus Notbremsassistenzsysteme entwickelt. Diese dienen dem Zweck, den Fahrer in kritischen Fahrsituationen zu unterstützen, in denen beispielsweise ein Auffahrunfall droht. Neben einer Notbremsung bietet sich ein Ausweichmanöver an, sofern der dazu erforderliche Verkehrsraum vorhanden ist. Ähnlich wie bei einer Notbremsung ist auch beim Notausweichmanöver ein Assistenzsystem sinnvoll, welches dem Fahrer in geeigneter Weise zu Hilfe kommt.

Genau an dieser Stelle setzt das neu entwickelte "modellprädiktive Planungs- und Fahrzeugquerregelungsverfahren" der beteiligten Projektpartner an. "Mit Hilfe des Verfahrens können in einfacher Weise mehrere sich bewegende Hindernisse berücksichtigt werden", unterstrich Martin Keller vom Lehrstuhl für Regelungssystemtechnik der TU Dortmund. Weitergehende Studien seien derzeit im Gange. Diese würden aus Probandenstudien in einem Fahrsimulator mit einer sukzessiven Erweiterung auf Bremsausweichmanöver bestehen, um das vollständige Kollisionsvermeidungspotenzial von Kraftfahrzeugen auszuloten und entsprechend auszunutzen.

Einem ganz ähnlichen Thema widmet sich ein Gemeinschaftsprojekt der Rüsselsheimer Adam Opel AG und der TU Darmstadt. "Bei einem Ausweichmanöver können hohe Querbeschleunigungen auftreten, die außerhalb des alltäglichen Erfahrungsbereichs des Fahrers liegen" erläuterte Boliang Yi von der Adam Opel AG. Eine Fahrdynamikregelung zur Unterstützung des Fahrers stelle eine enorme Hilfe dar und könne dazu beitragen, Unfälle zu vermeiden. Gegenstand des laufenden Forschungsprojekts seien verschiedene Regelungskonzepte für die Fahrdynamikregelung von Ausweichmanövern mit dem Ziel, eine möglichst hohe Robustheit des Systems zu erzielen.

Unterstützung des Fahrers im Kreuzungsbereich

Im städtischen Verkehrsraum sind vor allem Kreuzungen und Einmündungen als Unfallschwerpunkt zu beklagen. So sind im innerörtlichen Bereich Deutschlands im Jahre 2013 nahezu die Hälfte aller Unfälle mit Personenschaden an diesen Verkehrsknoten aufgetreten. "Zur Unterstützung des Fahrers an Kreuzungen insbesondere bei kritischen Situationen ist eine frühzeitige Erkennung einer möglichen Gefahr notwendig", verdeutlichte Thomas Streubel von der Adam Opel AG.

Gemeinsam mit Prof. Dr. Karl Heinz Hoffmann von der Technischen Universität Chemnitz hat Opel eigens für diesen Zweck ein neuartiges Tool zur Realisierung eines Fahrtrichtungsprädiktors für Kreuzungen entwickelt. Nach Angaben der Entwickler ist die Prädiktion zunächst auf wenige Kreuzungstypen beschränkt. Mit Hilfe weiterer Trainingsdaten soll der Kreuzungskatalog sukzessive erweitert werden.

Die Zukunft der Elektrik-Elektronik-Architektur im Fahrzeug

Nach Angaben von Ingo Birner, Leiter Halbleiterstandards und Umweltsimulation der Münchener BMW Group, steht die Elektrik-Elektronik-Architektur im Fahrzeug vor einem entscheidenden Wendepunkt. Die relevanten Herausforderungen hierfür seien vielschichtig. "Es drängen neue, bisher automotive-fremde, Firmen auf den Markt, die mit hoher Innovationskraft und wesentlich kürzeren Entwicklungszyklen aktuell eine Treiberrolle übernehmen", verdeutlichte der Experte. Damit hätten sich die OEMs und Zulieferer einem großen Innovationshub zu stellen. Parallel zu dieser Herausforderung muss auch die Struktur des Rechnernetzes im Fahrzeug drastisch umgebaut werden, um die zukünftigen Datemnengen schnell und sicher handhaben zu können. Nur dann kann die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sichergestellt werden.

Sicherheitsanforderungen für vernetzte Fahrzeuge

Auch das Thema Datensicherheit kam auf der Tagung nicht zu kurz. In seinem Vortrag ging Manuel Bernard von der in Fürstenfeldbruck ansässigen ESG Elektroniksystem- und Logistik GmbH auf die systematische Identifizierung und Schließung von Sicherheitslücken ein. "Die Kunden zeigen hohe Sensibilität betreffend Sicherheitsfragen im Automobil und sehen insbesondere den OEM in der Pflicht", verdeutlichte Bernard. Dies zeige eine unter anderem von BMW und ESG durchgeführte Studie zu den technologischen Trends in Bezug auf Connected Car Systeme.

So verfolgt die Automobilindustrie seit einigen Jahren das Ziel einer vernetzten Fahrzeuglandschaft. Ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen sondern vielmehr eine immer höhere Zahl an Connected Cars und eine immer stärkere digitale Verknüpfung zwischen Fahrzeugen, Nutzern, OEMs, Zulieferern und IT-Dienstleistern. In seinem Vortrag ging Bernard auf Themen wie Umgang mit Datenschutz, Angriffssicherheit und die Integration von mobilen Endgeräten ein. Anhand von Modellen wurde aufgezeigt, wie man Security-Lücken systematisch findet und sichere Applikationen konzipiert.

Zu guter Letzt wurde Herr Martin Keller von der TU Dortmund von der Tagungsleitung (Dr. Wahl, Univeristät Siegen, Dr. Schnabel, VDE) für den besten Beitrag ausgezeichnet. (bw)