Japan arbeitet am Speicher-Konzept von übermorgen:

Elektronenstrahl schreibt Daten in Silizium

23.10.1981

TOKIO (es) - Gestern Papier, heute Mikrofilm - morgen Silizium: Wird man sich auf eine Art "Elektronenstrahl-Einbrenne" als Medium zum Archivieren großer Datenmengen auf kleinstem Raum einstellen müssen?

Noch ist es zwar Zukunftsmusik, doch japanische Wissenschaftler arbeiten schon jetzt intensiv an neuen Speicherverfahren, die fast nichts mehr mit den heutigen Festwert-Speichern ("ROM") unserer Computer zu tun haben. Vielmehr erinnert die neue Speicher-Konzeption der Hitachi-Laboratorien in Tokio an Methoden feinste Chip-Leiterbahnstrukturen mittels Elektronenstrahl in Siliziumscheiben einzuschreiben. Und natürlich auch an die heute viel diskutierte digitale Video-Platte, die mittels Laser beschrieben und gelesen wird.

Was am Konzept der Hitachi-Forscher Chusuke Munakata und Masaru Miyazaki jedoch besonders besticht, ist die immense Speicherdichte, die sie mit Hilfe des feinen Elektronenstrahls anpeilen. Sie haben nämlich als binäre Speichereinheit winzige Quadrate auf dem Silizium-Wafer im Visier, Quadrate, von denen theoretisch bis zu eine Million auf einen Quadratzentimeter gehen können. Das hieße, ein Quadratzentimeter könnte 10 Millionen Bits (oder mehr als eine Million Bytes) speichern. Oder anders ausgedrückt: Ein Speicher von zehn Zentimetern Seitenanläge könnte die Daten von nicht weniger als 400 Magnetbändern aufnehmen, wie Munakata und Miyazaki in einem japanischen Physiker-Journal ausführen.

Wie wollen die Hitachi-Laboratorien dieses Konzepts in die Wirklichkeit umsetzen? Im Experiment arbeiten die Forscher mit einem Silizium-Wafer mit oxidierter Oberfläche, die entweder per hochenergetischem Elektronenstrahl "beschädigt" wird oder glatt bleibt - je nachdem, ob sie eine binäre Null oder Eins enthalten soll. Und zum Lesen der - permanent vorhandenen - Information beleuchten sie ihren Wafer dann mit Licht, wobei, ähnlich wie bei Solarzellen, am Wafer eine kleine Spannung entsteht: Sie ist an den versehrten Stellen großer als an den beschädigten. Um die gesuchte Information Bit für Bit zurückgewinnen, tastet der Lichtstrahl die einzelnen Zellen eine nah der anderen ab, währen die gleichzeitig gemessenen Spannungen die Eins- oder Null-Information liefern.

Die hier geschilderte Speichertechnik läßt sich noch verbessern, erwarten die japanischen Wissenschaftler, ersetzt man den Lese-Lichtstrahl durch einen schwachen Elektronenstrahl: Dieser kann den Speicher noch schneller abtasten und ist feiner fokussierbar. Er könnte also auch extrem eng gepackte Informationen noch fehlerfrei auslesen.

Die vorgeschlagene Speichertechnik hat über ihre Kompaktheit hinaus aber noch eine Reihe weiterer Vorzüge: Die Wafer lassen sich mit der heutigen Technik problemlos herstellen, die Informationen bleiben bis hinauf zu 400 Grad sicher erhalten - und überschreitet man diesen Punkt, hat man hinterher einfach wieder einen frisch gelöschten Speicher zur Beliebigen Weiterverwendung.