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DLD14

Elefantenrunde fordert mehr Deregulierung für Europa

19.01.2014
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
In München wurde am Sonntag die Burda-Innovationskonferenz DLD (Digital Life Design) eröffnet.

Nach den gewohnt warmen Begrüßungsworten von DLD-Organisationchefin Steffi Czerny und der offiziellen Eröffnung durch Chairman Dr. Hubert Burda (dessen israelischer Co leider grippal erkrankt das Hotelbett im Bayerischen Hof hüten musste, wir wünschen gute Besserung!) konnte zunächst der neue Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt (CSU), solidarisch unter Beweis stellen, dass er Reden in englischer Sprache genauso gut ablesen kann wie die meisten Zugbegleiter bei der Deutschen Bahn, die ja auch in sein Ressort fällt. Ansonsten hatte Dobrindt nichts Neues zu vermelden; von seinem "Netzallianz"-Vorhaben weiß die Republik ja schon seit einer Woche.

Im Anschluss widmete sich, gewohnt souverän moderiert von der Bloomberg-Journalistin Diane Brady, eine "Elefantenrunde" dem Thema "European Competitiveness" und beklagte hier grundsätzlich ein Zuviel an Regulierung bei gleichzeitig zu geringen Investitionen. Die europäischen Telkos unterinvestierten, weswegen die digitale Industrie auswandere, warnte der neue Telekom-Chef Timotheus "Tim" Höttges.

Später im Verlauf der Diskussion wurde Höttges vom zurückgegelten Unitymedia-Chef Lutz Schüler (der Kabel-Mann fiel ansonsten inhaltlich nicht weiter auf) ziemlich von der Seite angemacht, reagierte aber souverän mit der Forderung, man möge doch besser nicht polarisieren - schließlich sitze man in Europa in einem Boot, während eine Handvoll Firmen aus dem Silicon Valley die digitale Welt beherrschten.

Eine eigenartige Definition von "Netzneutralität" lieferte Höttges allerdings auf die Bitte von Journalistin Brady an die Runde, doch einmal ihre Sicht des Begriffs darzulegen. Höttges respektive die Telekom wollen unterschiedlichen Partnern und Kunden auch unterschiedliche QoS-Klassen anbieten (können) - aus Sicht eines Carriers, der zur "dumb pipe" zu verkommen droht, aber trotzdem massiv in die Infrastruktur investieren muss, zwar verständlich, aber mit der "reinen Lehre" hat das wahrlich nichts zu tun.

Burda-Chef Paul-Bernhard Kallen ärgerte sich darüber, dass digitale Marktführer aus den USA wie Amazon.com oder Apple ihr Europageschäft im Steuerparadies Luxemburg angesiedelt haben, wo sie deutlich günstigere Rahmenbedingungen nutzen und sich so mannigfaltige Wettbewerbsvorteile verschaffen. Er fordere in Brüssel daher immer wieder ein "level playing field" (= gleiche Wettbewerbsbedingungen), so Kallen.

Szenenapplaus bekam aus der Runde aber vor allem Peter Vesterbacka vom finnischen Angry-Birds-Erfinder Rovio. Im roten "Mighty-Eagle"-Hoodie mit passenden Adidas-Sneakern ließ er ein Bonmot nach dem anderen vom Stapel. Zum Beispiel, dass die von Whistleblower Edward Snowden aufgedeckte Datensammelwut des US-Militärgeheimdienstes National Security Agency (NSA) "die beste Werbekampagne aller Zeiten für Europa" sei.

Dass Rovio so erfolgreich geworden sei, verdanke es allerdings sehr wohl Apple mit seinem App Store und später Google mit dem Play Store - statt wie früher mit 200 Carriern in ganz Europa verhandeln zu müssen, konnten die Finnen ihre Angry Birds einfach bei iTunes reinstellen und auf einen Schlag die ganze Welt damit erreichen. Allerdings sehe er trotz der Regulierung auf dem Alten Kontintent - es fehle halt ein Binnenmarkt für digital Güter - überhaupt keinen Grund dafür, warum nicht das nächste Apple, Google oder Rovio aus Europa kommen sollte, so Vesterbacka.

Entscheidend für den Erfolg ist aus Sicht des Rovio-Chefs vor allem die Wettbewerbsfähigkeit bei Kundenerlebnis. "Fan experience, fan experience, fan experience", hämmerte Vesterbacka dem Publikum ein. "Man muss auf der Experience-Ebene wettbewerbsfähig sein."

Einig war sich die Runde zum Schluss dann wieder bei der ungeheuren Bedeutung des Breitbandausbaus als elementare Voraussetzung für die digitale Wettbewerbsfähigkeit Europas. Und darüber habe man in den vergangenen Jahren schon mehr als genug geredet, appellierte Telekom-Chef Höttges: "Wir müssen jetzt endlich handeln."

DLD14 läuft noch bis einschließlich Dienstag. Wer nicht zu den rund 1000 geladenen Gästen gehört, kann das Programm auf den beiden Hauptbühnen im Münchner HVB Forum via Livestream, im DLD-Blog sowie in den sozialen Medien - der schon "trendende" Twitter-Hashtag ist #dld14 - verfolgen.