ASP-Geschäft floppt, 120 Mitarbeiter müssen gehen

Einsteinet: Relativ erfolglos

05.04.2002
MÜNCHEN - Einsteinet ist als Application-Service-Provider (ASP) gescheitert. Um die teure Infrastruktur nicht ungenutzt zu lassen, konzentriert man sich nun auf Application-Hosting-Dienste, allerdings mit einem austauschbaren Portfolio. Nur die klassischen Systemhausleistungen tragen derzeit nennenswert zum Umsatz bei. CW-Bericht, Joachim Hackmann

Mit beschönigenden Worten kündigte Einsteinet kurz vor Ostern ein Restrukturierungsprogramm an und meinte Entlassungen. Ziel sei es, so hieß es offiziell, Kosten zu reduzieren und künftig effizienter zu operieren. Man reagiere mit diesen Maßnahmen auf das schwach anlaufende Geschäft mit Application-Service-Providing (ASP) in Deutschland. Nun müsse man "die Kapazitäten anpassen".

Leidtragende dieser Maßnahmen sind die Mitarbeiter. Bis zum Februar wurden bereits 60 Angestellte entlassen. Von den verbliebenen 370 Mitarbeitern müssen nun weitere 120 gehen, sie fallen den Fehleinschätzungen des Managements zum Opfer: Personalkosten lassen sich reduzieren, die Aufwendungen für den Unterhalt der ASP-Infrastruktur jedoch nicht. Im Vertrauen auf enorme Zuwachsraten im ASP-Markt gab Einsteinet insgesamt rund 300 Millionen Euro unter anderem für zwei hochsichere Datenzentren und ein bundesweites Glasfasernetz aus. "Diese Investitionen hängen uns wie ein Klotz am Bein", verriet Andreas Schnitzer, Marketing-Manager bei Einsteinet. An Verkauf dieser Ressourcen ist derzeit nicht zu denken, denn Überkapazitäten haben die Preise im Bandbreiten- und Data-Center-Markt ins Bodenlose fallen lassen. Außerdem dürfte es derzeit kaum Kaufinteressenten geben.

Kein Erfolg mit ASPVor allem das Geschäft mit der Vermietung von Microsoft-Applikationen wie MS Office und MS Exchange floppte. Allenfalls im Paket mit Application-Hosting-Diensten konnte Einsteinet diese Dienste an den Mann bringen. Von Erfolg in diesem Segment zu sprechen wäre jedoch verfehlt. Die Einnahmen aus dem ASP- und Application-Hosting-Betrieb beliefen sich im letzten Jahr auf sieben Millionen Euro (zwölf Prozent vom Gesamtumsatz). Dennoch sehen die Verantwortlichen keinen Grund, die Erwartungen in die Dienstleistungen zu revidieren. "Dem Modell IT als Service gehört die Zukunft", wird Rudolf Hotter, Chief Operating Officer und De-facto-Chef von Einsteinet, nicht müde zu betonen. Bis zum ersten Quartal 2003 sollen sich die Einnahmen aus diesem Geschäftsbereich mehr als verdreifachen.

Fehlendes AlleinstellungsmerkmalAngesichts der schwachen Konjunktur scheint dieses Ziel zu ambitioniert. Gerade im Hosting-Umfeld gibt es zurzeit sehr viele Anbieter mit nicht ausgelasteten Rechenzentren. Immerhin räumt auch Hotter ein, dass "wir in den Datenzentren sehr gut noch mehr Kunden vertragen können". Außerdem hat Einsteinet mit Angeboten für das Managed Outsourcing und SAP-Hosting kein Alleinstellungsmerkmal, was Schnitzer allerdings vehement bestreitet. Anders als die Konkurrenz, so der Marketing-Manager, könne man Verbindungen aus Hosting-Diensten und Office-Paketen anbieten, und schließlich sei man aufgrund der Partnerschaften sehr gut aufgestellt. "Wir haben 38 Industrial-Solutions definiert und unterhalten Beziehungen zu Systemhäusern und Management-Consultants wie Accenture, Deloitte & Touche sowie Sercon", wirbt Hotter.

"Wer um Gottes Willen möchte denn heute Office-Applikationen online nutzen?" schüttelt dagegen Pascal Matzke, ASP-Analyst bei der Giga Information Group, angesichts des Einsteinet-Portfolios den Kopf. Außerdem lasse das Unternehmen bei der Vielzahl der angebotenen Applikationen den Fokus vermissen. "Es ist sehr schwierig, so viele verschiedene Kompetenzen aufzubauen und vor allem mehr Erfahrungen und Wissen vorzuhalten als der Kunde", erläutert Matzke. Zudem stammen die von Einsteinet angebotenen Branchenlösungen von den SAP-Spezialisten ICM und Itelligence. Sie führen die gewinnträchtigen Aufträge bei der Implementierung und dem Customizing von SAP-Applikationen aus. Allenfalls den Betrieb der Applikationen übertragen sie dem Partner Einsteinet, der sich damit am Ende der Wertschöpfungskette wieder findet.

Einnahmen durch SystemhausgeschäftDass Einsteinet dennoch einen nennenswerten Umsatz ausweisen kann, ist dem klassischen Systemhausgeschäft zu verdanken. Mit Leistungen wie SAP-Basisservices und Infrastrukturberatungen, die mit der Übernahme des Systemhauses Computer Partner AG unter das Einsteinet-Dach wechselten (siehe Kasten "Die Einsteinet AG"), nahm der Dienstleister im vergangenen Jahr 24 Millionen Euro ein. Das Gros des insgesamt 63 Millionen Euro umfassenden Umsatzes stammt aus der Hardwaredistribution.

Zum Ertrag macht der Anbieter unter Hinweis auf die private Gesellschaftsstruktur keine Angaben. Klar ist nur, dass es unter dem Strich keine Gewinne gibt. "In der Sparte Architektur und Systemintegration verdienen wir, und im Bereich ASP und Hosting verlieren wir Geld. Das ist derzeit kein außergewöhnliches Phänomen", berichtet Hotter. Die widrige Wirtschaftslage und die Kosten des Restrukturierungsprogramms halten ihn jedoch nicht davon ab, ein weiteres ambitioniertes Ziel zu formulieren: "Wir werden noch in diesem Jahr den Ebitda-Breakeven erreichen." Darüber dürfen sich dann noch 250 Mitarbeiter freuen. Das ist im Übrigen ungefähr die Personalstärke des Systemhauses Computer Partner, als es von Einsteinet übernommen wurde. Damals fuhr das Unternehmen ohne Data-Center, Hochgeschwindigkeitsnetz, ASP- und Hosting-Dienste operativen Gewinn ein.

Die Einsteinet AGEinsteinet wurde im Oktober 1999 von Martin Varsavsky gegründet. Der spanische Milliardär, der schon mit den Startups Jazztel, Viatel und Ya.com Erfolge feierte, konnte Investoren von der ASP-Idee überzeugen. Im April 2000 übernahm Einsteinet die Computer Partner AG, eines der 20 größten Systemhäuser Deutschlands. Es erzielte im Geschäftsjahr 1999 einen Umsatz von 112 Millionen Mark mit rund 215 Mitarbeitern. Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer der Computer Partner AG war Rudolf Hotter. Heute ist er Chief Operating Officer bei Einsteinet. Im vergangenen Geschäftsjahr nahm der Dienstleister mit mehr als 400 Mitarbeitern 62 Millionen Euro ein.

Ursprünglich sollte das Unternehmen bereits im letzten Jahr an die Börse geführt werden. Aufgrund der Stimmung an den Aktienmärkten ist der Termin auf unbestimmte Zeit verschoben.

Zum Kreis der Geldgeber zählen neben Varsavsky Investment-Banken wie Goldman Sachs, JP Morgan Chase sowie Dresdner Kleinwort Capital. Sie investierten bislang knapp 300 Millionen Euro in das junge Unternehmen. Erst im Dezember 2001 gab es eine weitere Kapitalerhöhung um 243 Millionen Mark, die sich aus einer Bar- und einer Sachkapitalerhöhung zusammensetzte. Der Investor möchte jedoch nicht genannt werden. Möglicherweise handelt es sich um den schwer angeschlagenen Netzwerkausrüster Nortel Networks. Mit den Kanadiern arbeitete Varsavsky schon in der Vergangenheit eng zusammen. Bei Einsteinet übernahmen die Netzwerker die Einrichtung der Datenzentren und des Glasfaser-Backbones, so dass der Münchner IT-Dienstleister dort noch eine Rechnung offen haben dürfte. Denkbar ist, dass die Forderungen nun in Gesellschaftsanteile umgewandelt wurden.