Effiziente Netzplanung/Effiziente Netze mit Hub-Switching-Technologie

Einführung von SAP R/3 bei der GHH Borsig wirkt sich auf das Netz aus

07.11.1997

"Erhebliche Umstrukturierungen unseres Unternehmens, neue Anforderungen der Anwender und die heutigen Angebote der Softwarehersteller haben eine Migration vom Host-orientierten Arbeiten mit IBM-Großrechnern in ein Client-Server-System notwendig gemacht. Wir könnten sonst zukünftige Anwendungen nicht abbilden," faßt Armin Nühnen, Informations- und Kommunikations-Manager der GHH Borsig, die Ausgangssituation zusammen. Die GHH Borsig Turbomaschinen GmbH entstand 1996 aus dem Maschinenbau der MAN GHH in Oberhausen und der Babcock Borsig AG in Berlin.

Zu erwartende Bandbreitenengpässe mit Hilfe von virtuellen LANs (VLANs) zu bewältigen gehörte zu den Herausforderungen. Eine Schwierigkeit besteht darin, daß die Anwender innerhalb des Unternehmens eine sehr heterogene Gruppe bilden und häufig Umzüge vorkommen. Mit Beginn der Neukonzeption der IT-Struktur 1994 wurde daher eine Migration weg vom Host in die Client-Server-Welt immer dringender. Die Standardsoftware SAP R/3 sollte eingeführt werden, und zugleich begann der Einstieg in modernere CAD-Systeme, deren Informationen sich später auch in R/3 verwenden lassen. Der Wechsel auf R/3 war schon damals für Oktober 1997 geplant.

Die ersten Schritte der Neuorientierung begannen mit dem Einstieg in PC-Anwendungen und dem Aufbau erster PC-Vernetzungen. Darauf folgten der Aufbau von Arcnet/Token Ring als Netzwerktechnologie (noch mit Orientierung auf den Host), der dedizierte Wechsel zu Ethernet, der Aufbau von Abteilungsnetzen, in denen die Office-Applikationen zum Einsatz kamen. So entstanden Inselnetze, die mit dem Host gekoppelt waren. Diese Abteilungsnetze konnten über ihre Host-Anbindung miteinander kommunizieren.

In dieser Situation ging es für die GHH Borsig um die Frage, wie sich neue Systeme neben den bestehenden alten sinnvoll betreiben lassen. Dabei lag eine der Schwierigkeiten darin, über eine Volumenabschätzung des zu erwartenden Datenaufkommens festzustellen, welche Systeme geeignet sind, insbesondere aufgrund der Durchsatzanforderungen im CAD-Bereich. "Es galt, ein zukunftssicheres Netz aufzubauen, das nicht in zwei Jahren wieder abgelöst werden muß, das Investitionsschutz gewährleistet und wirtschaftlich ist," beschreibt Nühnen die Anforderungen. Die Beratung in dieser Phase übernahm das Oberurseler Netzsystemhaus Telemation.

Nicht nur die technischen Migrationsschritte sind dabei wichtig. Ganz zu Anfang stand die Auswahl der richtigen internen und externen Partner für die Projektorganisation. Weitere Maßnahmen waren der Aufbau von Schulungs- und Testsystemen sowie die Schulung der Informatiker, die Schulung und Einarbeitung der Key-User sowie das Training und die Dokumentationserstellung für die Endanwender, die Abstimmung der Customizing-Einstellungen sowie die Schnittstellen- und Datenintegration.

Neben der Entscheidung für Client-Server kommt der Hub-Switching-Technologie eine Schlüsselrolle im neuen Konzept der GHH Borsig zu. Vorteile dieser Technologie sind flexiblere Produktionsabläufe und die räumliche Beweglichkeit der Anwender. Auch der Forderung nach individueller Bandbreite am Arbeitsplatz wird Rechnung getragen, da einige Anwender nur Standardanwendungen nutzten und andere nur dem CAD-Bereich zuzuordnen waren. Zudem steht das Unternehmen bei Projekten und Produktentwicklungen immer wieder vor der Situation, daß sich bei Kundenaufträgen kurzfristig Projektgruppen bilden und wieder auflösen.

Damit war für die Oberhausener die Entscheidung für die Hub-Switching-Technologie und zugleich der Wechsel zu Ethernet gefallen. Der Trend der Industrie ging eindeutig in diese Richtung und der Markt für Ethernet-Switches war groß. Das bedeutete ein sehr viel reichhaltigeres Angebot an Produkten und aufgrund des Wettbewerbs der Anbieter auch niedrigere Preise im Vergleich zu Token Ring.

Der Rahmen für die Technologielösung war definiert. Es ging um die Bildung virtueller LANs, ein hohes Maß an Skalierbarkeit und die deutliche Steigerung der Performance im LAN. Insbesondere die Notwendigkeit, VLANs zu bilden, gab den Ausschlag, sich für das "PowerHub 7000"-System der Firma Fore Systems zu entscheiden: einem skalierbaren Produkt, mit dem sich die VLAN-Technologie Switch-übergreifend umsetzen läßt. "Zu diesem Zeitpunkt war das fast eine exotische Lösung, aber 1994/95 gab es keine anderen Geräte, die über diese Switching-Technologie verfügten und einen Durchsatz ermöglichten, der unseren Anforderungen entsprach," begründet Nühnen die Entscheidung.

Die datentechnisch sinnvolle Gestaltung der Netzwerklösung und Anbindung der Server sowie Etagen begann mit der strukturierten Verkabelung und der Zuweisung der notwendigen Bandbreite für die Anwender auf den entsprechenden Etagen. Gleichzeitig wurde die benötigte Bandbreite in den unterschiedlichen Segmenten genau bestimmt. Die Hub-Switching-Technologie sollte es möglich machen, jedem Arbeitsplatz dediziert 100 Mbit/s zur Verfügung zu stellen oder an Ports ganze Segmente anzuschließen.

Darauf aufbauend wurde die Zahl der möglichen Anwender hochgerechnet. Ausgangspunkt der Berechnung waren 1100 End-User. Das heißt, statistisch ließen sich 20 Teilnehmer mit einem Bandbreitenbedarf von 0,5 Mbit/s einem Office-Segment und fünf Teilnehmer mit einem Bedarf von fünf Mbit/s einem CAD-Segment zuordnen. Für den Dokumenta- tionsbereich (Grafik- und Office-Anwendungen) wurden zwei Mbit/s reserviert.

Somit ergab sich ein Bandbreitenbedarf von 1,15 Gbit/s für den Anschluß aller damals vorhandenen Benutzer. Nach Kalkulation der notwendigen Bandbreite für die Server belief sich der Gesamtbedarf auf zwei Gbit/s: Auf Server-Ebene wurde die Bandbreitenanforderung mit einer Durchsatzrate von 20 Mbit/s für die Office-Server, 16 Mbit/s für die Applikations-Server, 40 Mbit/s für die CAD-Server und 50 Mbit/s für die Daten-Server angesetzt. Insgesamt sind derzeit rund 900 Arbeitsplätze und 30 Server angebunden.

Nühnen glaubt, daß sich aufgrund der Hauptanwendung SAP R/3 und infolge von Produktionsänderungen nach der Einführung im Oktober diesen Jahres die Nutzung der Server-Technologie noch intensivieren wird. Das heißt, die Belastung im Netz durch PCs, die auf einen zentralen Server zugreifen, nimmt weiter zu.

Die Neuorientierung in der Systemtechnik zog entsprechende Veränderungen in der Verkabelungsstruktur nach sich. So wurden strukturierte Netze geplant, in denen sich Kupfer und Glasfaser kombinieren ließen. Denn das Unternehmen verfügte bereits im Campus und vertikalen Gebäudebereich über Glasfaserverkabelung sowie Kupfer im horizontalen Bereich. Aufgrund der verteilten Lage der Gebäude im Firmengelände war ein modulares System für die Verkabelung der einzelnen Gebäude notwendig.

Schritt für Schritt erfolgte die Verbindung mit dem Backbone. Sukzessive hielt in den Standorten Oberhausen und Berlin die Glasfasertechnik Einzug, und im Hauptgebäude sowie in den Werkshallen und Vorbauten wurde ein neues Netz installiert. "Die größte Herausforderung in dieser Phase lag darin, die Verkabelung neu zu strukturieren, zugleich die neuen Client-Server-Systeme aufzubauen und die Altsysteme mit nicht allzu großen Beeinträchtigungen abzubauen", beschreibt DV-Mann Nühnen die Jahre 1995 bis 1997.

Das gesamte Kabelnetzprojekt kam 1997 zum Abschluß, so daß die Anwender jetzt kontinuierlich an die neue Struktur angeschlossen werden. Parallel dazu haben die Oberhausener ein weiteres Projekt in Angriff genommen: den Aufbau eines zentralen Hot- line- und Benutzerservices mit dem Ziel, Inventarisierungs- Tools zu schaffen und die Softwareverteilung über das Netz zu realisieren. Außerdem mußte gewährleistet sein, daß einheitliche Software-Releases bei allen Anwendern zum Einsatz kommen.

Als am schwierigsten erwiesen sich im Verlauf der IT-Umstellung zwei Faktoren: die Vielzahl der einzubindenden Anwender sowie der hohe Schulungsaufwand. Auf Anwenderebene ließen sich Switch-übergreifend separate Arbeitsgruppen bilden. Um die nötige Flexibilität zur schnellen Bildung von Projektteams zu gewährleisten, mußte diese Struktur technisch abgebildet werden. Die Schulung aller Endanwender wurde über ein Schneeballsystem für die Key-User umgesetzt.

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Vor allem die Einführung von SAP R/3 und die Umstellung von Produktionsprozessen auf neue CAD-Systeme haben die GHH Borsig Turbomaschinen GmbH bewogen, ihre IT-Infrastruktur grundlegend zu modernisieren. Der Übergang von einer Host-basierenden Struktur zu einem Client-Server-Konzept ist im Gange. Die Migration begann mit einzelnen PC-Anwendungen und hat derzeit das Stadium mit dem Host verbundener Inselnetze erreicht. Weitere Grundsatzentscheidungen waren der Wechsel zu Ethernet und der Einsatz der Hub-Switching-Technologie. Weil die Firma viele interne Umzüge verzeichnet und künftigen Bandbreitenanforderungen gewachsen sein will, sind VLANs geplant.

Thomas Gambichler ist zuständig für Marketing bei der Telemation Netzwerk AG in Oberursel.