Neuralgische Punkte bei der CAD-Planung sind Organisation und Wirtschaftlichkeit:

Einführung von CAD ist von Vorsicht geprägt

16.10.1981

Wenn CAD bereits eine altbewährte Technologie wäre, ließe sich die Frage nach deren Wirtschaftlichkeit leichter beantworten. Alle Unternehmen, bei denen Konstruktionsaufgaben in ausreichendem Umfang anfallen, hätten CAD eingeführt, weil es im Vergleich zu konventionellen Konstruktionsmethoden effizienter wäre. Viele Unternehmen verzichten aber derzeit noch auf eine Einführung, weil ihnen die Erfahrungen nicht ausreichend erscheinen. Dieses Ergebnis geht aus einer Untersuchung hervor, die an der Abteilung für Angewandte Systemanalyse des Kernforschungszentrums durchgeführt wird.

Spricht man über Wirtschaftlichkeit, so hängt alles davon ab, an welchen Gesprächspartner man gerät. Wer Wirtschaftlichkeit fordert und von seiner Position dazu auch verpflichtet ist, steht in einer völlig anderen Situation als derjenige, der den Nachweis der Wirtschaftlichkeit führen muß. Seine Entscheidungssituation ist keineswegs beneidenswert, hat er doch die Aufgabe, auf dem schmalen Grat zwischen legitimen Forderungen und nachgewiesener Effizienz seinen Weg zu finden.

Das gleicht häufig einem Seilakt. Wer runterfällt, hat das Problem unter- und seine Fähigkeiten überschätzt. So kann es nicht verwundern, wenn wir von etlichen Gesprächspartnern den Hinweis erhielten, sie würden froh sein, wenn sie einen Wirtschaftlichkeitsnachweis umgehen könnten. Mit dieser Problemskizze im Hintergrund wollen wir im folgenden einige Ergebnisse unserer Untersuchung berichten, die weitergeführt wird.

Dabei wollen wir auch das Problem der Wirtschaftlichkeit einer genaueren Analyse unterziehen. Wirtschaftlichkeit und organisatorische Vorkehrungen sind eng miteinander verquickt. Ober die Klippe der Wirtschaftlichkeit zu kommen, ist auch Ergebnis einer geeigneten Strategie der Einführung.

Mehr Vorsicht

Die meisten Unternehmen gehen das "Abenteuer CAD" sehr viel langsamer und mit mehr Bedacht an als dies vor Jahren bei der kommerziellen EDV der Fall war. Viele Gesprächspartner gaben dann auch unumwunden zu, daß sie sich davor schützen wollten, noch einmal die gleichen Fehler zu machen.

Damals sei man viel zu euphorisch an die Sache herangegangen, habe manches Mal überstürzt gehandelt und erst nach längerer Zeit die zu groß und zu schnell installierten Systeme zu effektiven Hilfsmitteln gestalten können. Die Einführungsstrategie bei CAD ist insgesamt von mehr Vorsicht geprägt. Ein weiterer Grund hierfür sind Fehlschläge und Verzögerungen bei Pilotinstallationen, die potentiellen CAD-Anwendern bekannt werden.

Häufig beginnen deshalb die Firmen mit kleinen überschaubaren Anwendungen. Diese erfordern keine größeren Umstellungen in der Konstruktion, was Aufteilung der Arbeitsschritte und Planung des Arbeitsablaufes anbetrifft. Allerdings setzt die wirtschaftliche Nutzung vieler Systeme und Programme die Durchführung umfangreicher Vorarbeiten voraus.

Die Einführung eines Programmes zur EDV-unterstützten Zeichnungserstellung beispielsweise bedingt ein konsistentes und EDV-kompatibles Zeichnungsnummernsystem, so daß auf einmal erstellte Datensätze jederzeit wieder zugegriffen werden kann. Das Resultat dieser Vorarbeiten kann sein, daß die Effektivität in der Konstruktionsabteilung allein schon dadurch erheblich gesteigert wird.

Für die CAD-Promotoren wird es dann unter Umständen schwer, den weiteren Aufwand für das einzuführende System zu rechtfertigen, weil ein Teil des erwarteten Nutzens der vorab erfolgten Organisationsverbesserung zugeschrieben werden kann. Es kann deshalb nicht überraschen, daß in einigen Unternehmen in dieser Phase die Entscheidung zu CAD noch einmal überdacht wurde.

Markt für CAD-Systeme

Trotzdem ist uns kein Fall bekannt, in dem von der Einführung des geplanten CAD-Systems völlig abgesehen wurde. Grund dafür ist wohl auch, daß die Unternehmen es nicht bei einem Inselprogramm belassen wollen, sondern auf längere Sicht mehrere Konstruktionsphasen integrieren und durch verschiedene Programme verketten wollen.

Die mit dem ersten CAD-Programm gemachten Erfahrungen sollen der Integration und Auswahl geeigneter Programme zugute kommen. Gelegentlich wurde die erste Beschäftigung mit solchen Programmen nur dazu benutzt, generell Erfahrungen im CAD-Sektor zu sammeln, um danach bei der Suche nach dem für die betrieblichen Gegebenheiten richtigen Programm den Markt für CAD-Systeme besser beurteilen zu können.

Wird die Einführung eines CAD-Programmes geplant, muß man sich Gedanken darüber machen, wie die Anwendung organisatorisch eingegliedert werden kann. Andernfalls kann der Erfolg vornherein gefährdet sein. Denkbar ist, daß durch eine mangelnde Anpassung der Organisationsstruktur an die Programmanforderungen die -möglichkeiten nicht von zur Geltung kommen.

Qualifikation als Randbedingung

Eine weitere mögliche Folge unzureichender Vorarbeiten im Organisationsbereich ist die Ablehnung von CAD durch die Konstrukteure, weil sie unzureichend informiert sind oder weil die Technologie in der vorliegenden Form für sie keine wirkliche Hilfe darstellt. Die Ausgestaltung der Organisationsstruktur hängt außer von firmeninternen Faktoren, wie verfügbaren Qualifikationen oder vorhandener Organisationsform, stark von der Art des Programmes ab.

Im Verlauf unserer Untersuchung sind uns bei der Programmanwendung im wesentlichen drei Konzepte begegnet:

- Das Dienstleistungkonzept: Diese Lösung wurde besonders häufig bei der Verwendung von Programmen nach der Methode der finiten Elemente gewählt. Ein Fachmann für die Anwendung der Methoden nimmt Aufträge von den Konstrukteuren entgegen, berechnet sie und übergibt dem Konstrukteur die Ergebnisse, wobei in der Regel gleichzeitig eine Interpretationshilfe mitgeliefert werden muß (sieben Fälle).

- CAD am Arbeitsplatz: Den Konstrukteuren stehen CAD-Arbeitsstationen am Arbeitsplatz zur Verfügung, die sie bei Bedarf benutzen können. Sicher auch aufgrund der (noch) hohen Kosten stellt diese Regelung eher die Ausnahme dar. Hinzu kommt, daß nicht alle Konstrukteure mit CAD arbeiten wollen oder können. Erst wenn CAD sich als Regelform der Konstruktion durchgesetzt hat, wird diese Lösungsform häufiger anzutreffen sein (vier Fälle).

- CAD in der Konstruktionsabteilung: Eine oder mehrere CAD-Arbeitsplätze werden in der Konstruktionsabteilung aufgestellt. Die Benutzung erfolgt Entweder durch spezialisierte Bediener in Anlehnung an das Dienstleistungskonzept oder sie steht jedem frei, der die dafür nötigen Kenntnisse hat (16 Fälle).

Sind dagegen die Systeme allen Mitarbeitern zugänglich, besteht das Problem, den einzelnen Teilanwendungen genaue Nutzeffekte zuzuschreiben. In einem Unternehmen, in dem wir Gespräche geführt haben, wurden Planungen für eine Dezentralisierung zurückgenommen, um im Rahmen einer zentralen Anwendung die Wirtschaftlichkeit überprüfen zu können. In diesem Fall wird deutlich, wie sich die Einführungsstrategie mit dem Problem der Wirtschaftlichkeit verzahnt.

Eigenwilliger Arbeitsstil

Betrachtet man die Arbeit in den Konstruktionsabteilungen, so fallen oft recht eigenwillige Arbeitsstile der Konstrukteure auf, die in jahrelanger Erfahrung gewachsen sind. Die CAD-Einführung kann bewirken, daß die Arbeitsweise des einzelnen sich grundlegend ändern und er sich der vorgegebenen Schrittfolge des Systems unterordnen muß. Inwieweit solche Umstellungen erforderlich beziehungsweise akzeptiert werden, ist auch eine Folge der gewählten (...) führungsstrategie.

Eine Mehrheit der untersuchten CAD-Anwender hatte für die CAD-Einführung Gruppen eingerichtet, die zum Teil auf Dauer, zum Teil aber auch als Projektgruppe zur CAD-Einführung bestanden. In aller Regel beschränkt sich ihre Tätigkeit jedoch auf die technischen Aspekte der CAD-Einführung; organisatorische Änderungen ergeben sich mehr beiläufig und sind weniger Gegenstand gezielter Planung,

Negative Folgen vermeiden

Im Bürobereich sind mit Erfolg Modelle der Benutzerbeteiligung bei der Einführung von Informationssystemen erprobt worden. Negative Folgen für die Benutzer in der Form von Entlassungen oder Verschlechterung der Arbeitsbedingungen konnten ausgeschaltet werden, die meisten Beteiligten empfanden ihre neuen Aufgaben sogar als befriedigender als vor der EDV-Einführung. Außerdem führten die Informationssysteme zu einem Effizienzgewinn in den Unternehmen.

Ein wesentlicher Grund für den Erfolg solcher Beteiligungsmodelle ist die Einbeziehung des unbestrittenen Sachverstandes der Mitarbeiter. Es liegt nahe, daß auch ein Konstrukteur am besten beurteilen kann, welche Güte die produzierten Ergebnisse haben und welche Programme seinem persönlichen Arbeitsstil am ehesten gerecht werden. Allerdings ist uns in der Untersuchung kein Beispiel einer umfassenden Beteiligung der Benutzer an der Gestaltung eines CAD-System begegnet, und es ist noch unklar, inwieweit sich negative Folgen für alle. Beteiligten vermeiden lassen.

Wir erhoffen uns von unseren weiteren Untersuchungen Aufschlüsse darüber, inwieweit sich eine Benutzerbeteiligung bei der Gestaltung von CAD-Systemen durchfuhren läßt. Die meisten Unternehmen verfolgten eher eine sehr vorsichtige Einführungsstrategie, um die CAD-Technologie an ausgewählten Beispielen zu erproben. Erst nach erfolgreicher Erprobung ist mit einer breiteren Einführung und den damit verbundenen organisatorischen Maßnahmen zu rechnen.

Dem Planer bieten sich bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung prinzipiell zwei Möglichkeiten.

1. Er begnügt sich mit einem Minimaleffekt, das heißt, er versucht den Nachweis anhand einer ausgewählten Menge von Konstruktions- und Planungsaufgaben zu führen, Gelingt dies, gibt er sich damit zufrieden. Weitergehende Effekte mögen sich einstellen, er kann sie für sich reklamieren, aber er untersucht sie nicht.

2. Er bemüht sich, schon anfangs eine möglichst komplette Bestandsaufnahme von Kosten und Nutzen zu machen. Dazu gehört neben der Suche nach einer geeigneten Einbettung in die Konstruktion auch die Beurteilung der Programmleistung, der Ausbauend Anpassungsfähigkeit des Programmes oder der Personal- und Zeiteinsparungen und späterer Integrationseffekte. Daß ihm eine vollständige Bestandsaufnahme gelingen wird, ist unwahrscheinlich. Sein Nutzen bei. dieser Strategie ist, daß er auf spätere Eventualitäten besser vorbereitet ist.

Wenn wir das faktische Vorgehen in den von uns besuchten Unternehmen diesen beiden Strategien zuordnen, so folgt die überwiegende Mehrheit der erstgenannten Strategie. Eine eigene Wirtschaftlichkeitsanalyse führten 12 Unternehmen durch. Investitionsrechnungen für CAD, die man als einen Schritt in einer umfassenderen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ansehen kann, wurde in 16 der Fälle vorgelegt.

Befragt nach dem Nutzen, den ihnen der CAD-Einsatz erbracht habe, gaben zwar 20 Gesprächspartner an, daß sie Kosteneinsparungen erzielt (...) diese seien aber im Umfang geringer als erwartet. Sie verzeichneten demgegenüber andere Effekte wie Qualitätsverbesserungen der Konstruktionsunterlagen und der Produkte sowie eine größere Transparenz in der Konstruktion. Effekte also, die bei einer Bewertung sicher wichtig sind, die man aber durch eine reine Kostenbetrachtung nicht fassen kann.

Die prognostizierten Einsparungen bewegen sich zwischen 50 und 90 Prozent etwa bei Zeichnungserstellung.

Wie die Tabelle zeigt, haben aber nur 21 Unternehmen mit ihrer derzeitigen Anwendung eine Zeiteinsparung erzielt, die Verkürzungen liegen in der Regel niedriger als die prognostizierten Werte. Ein Beispiel mag diese Situation verdeutlichen.

System nach einem Jahr verworfen

Ein größeres Unternehmen, das Werkzeugmaschinen herstellt, hatte sich für den Einsatz eines integrierten CAD-Systems entschlossen. Zwei erfahrene Konstrukteure wurden ausgewählt, dieses System auf die Verwendbarkeit für die firmenspezifischen Probleme zu testen.

Nach längerer externer Ausbildung und intensivem Eigenstudium führten sie die Konstruktion von zwei recht komplexen, aber für die Firma typischen Standardteilen mit Hilfe des Systems durch und verglichen die Werte mit der konventionellen Konstruktion. Trotz erheblicher Bemühungen konnten die angestrebten zeitlichen Einsparungen nicht erzielt werden, so daß nach zirka einjährigem Testeinsatz das gesamte System verworfen wurde.

Dies zeigt, daß Beispielrechnungen nicht als gültige Ergebnisse für eine Bewertung der eigenen Situation übernommen werden können. Vielmehr ist Voraussetzung, die Situation der Unternehmung zu analysieren und zur Grundlage einer Bewertung zu machen. Zudem darf sich eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nicht auf reine Kostenmodelle stützen, denn sie bilden die Entscheidungssituation nicht hinreichend ab.

Eine umfassende Bestandsaufnahme sollte auch die monetär nicht faßbaren Effekte berücksichtigen, so daß solche Faktoren wie Qualitätsverbesserung oder Veränderungen im organisatorischen Umfeld der CAD-Installation in die Bewertung mit eingehen. Eine daraus abgeleitete Entscheidung hat eher eine Chance, einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung standzuhalten, auch wenn die vorgängige Einschätzung schwierig zu entwickeln ist und die nachträgliche Betrachtung einen höheren Argumentationsaufwand leisten muß.