Zugriffszeit und Sicherheit sprechen für WORM-Systeme

Einführung eines optischen Archivierungssystem

27.03.1992

Die gesetzliche Aufbewahrungspflicht für viele Forschungsdokumente beträgt im pharmazeutischen Bereich 30 Jahre. Bei einem Papierarchiv ist die Suche nach dem gewünschten Schriftstück relativ umständlich und personalintensiv. Deshalb vergab das Pharma-Unternehmen Grünenthal GmbH an das Institut für Organisationsforschung und Technologieanwendung (IOT) den Auftrag, innerhalb der

Abteilung Dokumentation und Information (Dl) die Anforderungen und Realisierungsmöglichkeiten eines Dokumentation- und Archivierungssystems (DAS) zu untersuchen. Über die Hintergründe, erste Erfahrungen bei der Umsetzung und die Erwartungen berichtet Norbert Magin, Leiter der Abteilung Dl im Ressort Forschung, in einem CW-Gespräch.

CW: Was war der ausschlaggebende Punkt, sich mit optischen Archivierungssystemen zu beschäftigen ?

Magin: Ursache und Triebfeder für das Projekt war der Wunsch der Grünenthal-Forschung, die Zugriffszeit auf Dokumente zu verkürzen und die Sicherheit der archivierten Daten und Dokumente zu verbessern. Innerhalb der Grünenthal-Forschung fällt tagtäglich eine große Anzahl von verschiedenartigen archivierungspflichtigen Informationen an: Forschungsberichte, sogenannte Roh- und Folgedaten, externe Berichte, Tertiärliteratur, Zulassungsdossiers, Standardarbeitsanweisungen

und so weiter. Ein Großteil der Dokumente liegt in Form von Schriftstücken vor, die in Aktenordnern zusammengefaßt sind.

CW: Gab es auch rechtliche Gründe für die Projektinitiative?

Magin: Ja. Da die gesetzlichen Vorschriften zur Archivierung von Forschungsberichten und Rohdaten der pharmazeutischen Industrie (gemäß den "Grundsätzen der guten Laborpraxis", kurz GLP) deutlich verschärft worden sind und sich noch weiter verschärfen werden, war das Management von der Notwendigkeit einer Reform des Dokumentations- und

Archivierungssystems leicht zu überzeugen. Gemäß GLP ist die

pharmazeutische Industrie verpflichtet, Archive für ihre Entwicklungsunterlagen und Testresultate zu schaffen, in denen diese Materialien einer sicheren Aufbewahrung unterliegen. Der Zugriff auf die Dokumente muß bis zu 30 Jahre nach der Unterzeichnung des Abschlußberichtes gewährleistet sein. Im September 1991 hat uns IOT eine

umfassende Analyse der Situation der DI, der anstehenden Probleme und ein technisch-organisatorisches Konzept zur Neugestaltung des DAS-Systems vorgelegt.

CW: Welche Anforderungen sollte das System erfüllen?

Magin: Es sollte als ein Grünenthal-weites Archivierungs- und Retrievalsystem dienen, um damit wegweisende Erfahrungen zu sammeln. Zudem sollte die Integration weiterer Nutzergruppen und die Erweiterung der zu unterstützenden Anwendungen möglich sein.

CW: Wie stellte sich die Archivierungs- und Sicherheitsproblematik innerhalb von Dl dar?

Magin: Der Zuwachs an neuen Forschungsdokumenten läßt einen erheblichen Aufwand für die ordnungsgemäße Archivierung der Daten entstehen. Auch der Arbeitsaufwand für die Auffindung eines schon archivierten Dokuments - etwa bei Anforderung und/oder Änderungsmeldung aus einer Forschungsabteilung - ist verhältnismäßig groß, die Zugriffszeit lang. Die bisherige Papieraufbewahrung der Dokumente erfordert über den relativ langen Aufbewahrungszeitraum hinweg personal- und sachintensive archivtechnische und klimatische Rahmenbedingungen, um die Lesbarkeit und einen insgesamt guten Zustand der Unterlagen zu gewährleisten. An dieser Stelle erhoffen wir uns Unterstützung durch die WORM. Junge Dokumente unterliegen einer deutlich erhöhten Nutzungsintensität. Die im Mittelpunkt stehenden Dokumente innerhalb der ersten Stufe der DAS-Verwirklichung sind deshalb die Neuzugänge und ein sinnvoll ausgesuchter Teil des sogenannten Altbestandes in der Abteilung Dl.

CW: Wie war die Unterstützung durch das Management?

Magin: Das Management unterstützte die Anforderung eines maximal sicheren und zugleich leistungsstarken Archivierungs- und Retrievalsystems - speziell vor dem rechtlich verschärften Rahmen - vorbehaltslos. Ferner fand der Gedanke, das DAS als Pilotprojekt innerhalb der Abteilung Dl einzuführen, um es bei Erfolg auf andere Bereiche der Firma auszuweiten, im Management große Zustimmung. Nahe liegt beispielsweise die zügige Einbeziehung der Abteilung Registrierung in das DAS, da hierdurch eine elementare Funktion des Unternehmens unmittelbar effektiviert werden könnte. Als Zukunftsperspektive wurde insbesondere die Möglichkeit hervorgehoben, ein allgemeines Archivierungs- und Retrievalsystem für die gesamte Unternehmung aufzubauen, so daß der einfache und zugleich sichere Austausch von Dokumenten und Daten unterschiedlicher Abteilungen erleichtert wird. Schließlich: Die Einbeziehung der Bürokommunikation in das DAS ist im Prinzip als konsequente Folgerung aus dem Integrationsgedanken erkannt, jedoch sind vertiefte Betrachtungen hierzu erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen.

CW: Gibt es Ängste auf seiten der Mitarbeiter?

Magin: Die Umstrukturierung beziehungsweise Veränderung infolge DAS vollzieht sich zunächst nur in der Abteilung Dl. Einerseits verbessert sich die Arbeitssituation der Mitarbeiter aufgrund der technischen Unterstützung Aufwendige Kopierarbeiten fallen weg, Sortieren und Verteilen werden von der DV unterstützt. Andererseits wird von den Mitarbeitern jedoch auch die Änderung ihres Umgangs mit Dokumenten erwartet. Eine gewisse Schwierigkeit besteht in dem abstrakteren Aufbau des neuen Systems. Statt konkret zu erfassender Aktenordner und -regale mit ihrer eindimensionalen Ablagestruktur müssen die Kollegen der Abteilung Dl nun mit neuen Begriffen und einer komplexeren Systematik umzugehen lernen.

Außerdem könnte, wie einzelne Beispiele lehren, eine mangelnde Einführung in die neuen Technologien zu Ängsten bei den Mitarbeitern führen, dem nicht gewachsen oder kontrollierbar zu sein. Dies zu vermeiden erfordert besonders von den Vorgesetzten und vorqualifizierten Kollegen innerhalb der Abteilung das Vermögen, ihr Wissen den Lernenden zu vermitteln und so für eine höhere Transparenz der neu zu gestaltenden Vorgänge zu sorgen. Das Projekt ist voll mit dem Betriebsrat abgestimmt; hierdurch werden Ängste der Mitarbeiter vor Mißbrauch und nachteiligen Folgen schon von vornherein eliminiert.

CW: Wie stellt sich Grünenthal zur derzeit noch mangelnden Standardisierung auf dem Gebiet der optischen Speichermedien ?

Magin: Mit Etablierung des DAS stellt sich zweifellos das Problem der mangelnden Standardisierung. Grünenthal läßt sich aber nicht durch offene Standardisierungsfragen generell davon abhalten, das DAS-Projekt durchzuführen. Die Entwicklung von DAMOS (Abwicklung von Arzneimittelzulassungen unter Nutzung optischer Speichermedien) bringt speziell für die pharmazeutische Industrie eine Folge von Standardisierungsstufen. Es muß allerdings in Zukunft bei weitergehender branchenübergreifender Normierung die Möglichkeit bestehen, die archivierten Daten zu migrieren.

CW: Amortisieren sich seitens Grünenthals die Investitionskosten?

Magin: Wir wissen alle, daß man mit der Formulierung hochpräziser Angaben zur Wirtschaftlichkeit vorsichtig sein muß. Nicht umsonst gibt es in letzter Zeit differenzierte Ansätze zur Wirtschaftlichkeitsbeurteilung; deren Forderung nach systematischer Berücksichtigung von qualitativen und indirekten Wirkungen gerade im Informations- und Kommunikationsumfeld ist berechtigt und zu unterstützen. Aber das neue System dürfte sich schon deshalb bezahlt machen, weil die Forschungsunterlagen bereits in den Fachabteilungen ohne nennenswerten Aufwand nach Archivwürdigkeit sortiert werden können. Unwichtige Daten müßten nicht mehr - wie heute oft in der Parxis - über längere Zeit archiviert werden. Dies setzt aber die Bereitschaft zu Ablaufveränderungen in anderen mit DI kooperierenden Abteilungen voraus. Für Grünenthal liegen die Kosten für die erste Phase bei rund 350 000 Mark. Diese Summe setzt sich vornehmlich aus den Kosten für die Anschaffung und Installation des optischen Speichersystems zusammen. Für die folgenden Ausbauphasen werden erheblich niedrigere Kosten veranschlagt. Hierdurch und durch den schnelleren Dokumentenzugriff und die damit verbundene Reduktion von Arbeitsvorgängen werden sich die Investitionen zügig amortisieren.